Schwetzingen. Kontinuität ist Trumpf bei diesem wahrhaft „klassischen“ Musik-Event, und der Veranstalter fasst es fast philosophisch in die Worte: „In der Wiederholung liegt das Faszinosum der Erinnerung.“ Die Rede ist von „Schloss in Flammen“. Im barocken Park in Schwetzingen, auf dessen breiter Mittelachse, treffen sich zu diesem Ritual auch diesmal wieder die gewohnten rund 5000 zahlenden Besucherinnen und Besucher. Es sei eine Open-Air-Gala, gespickt mit Opern-Hits (primär von Verdi und Puccini), die das Publikum mit angemessener Konsumfreude goutieren dürfe. Denn Konsum sei als anthropologische Konstante zu verstehen, steht im Schwetzinger Programmheft. Trifft ja zu. Auch sonst steht dieser lange, heiße Sommerabend in der sonst oft unberechenbaren Zeit von heute für Verlässlichkeit: beim künstlerischen Personal (vom Nationaltheater Mannheim), bei der Pyrotechnik (um den Oberfeuerwerker Renzo Cargnelutti). Und beim Moderator „Chako“ Habekost.
„Chako“ Habekost hält den Betrieb in Schwetzingen zusammen
Selbst bei der Soundtechnik trifft man auf die vertrauten Phänomene: Ganz zu Anfang, in der Ouvertüre zu „I vespri siciliani“, steckt der Klang noch in den Boxentürmen fest, kommt von weit oben. Und bei strenger Hörweise ließe sich auch noch später daran mäkeln, dass die Nationaltheater-Streicher manchmal etwas seifig und synthetisch anmuten. Doch dafür wird den (Blech-) Bläsern der wünschenswerte Wumms verpasst. Sogar die hochsensible Harfe ist vom Mann am Mischpult keineswegs vergessen worden.
Das akustische Gesamtergebnis ist also okay, und dass in derart weitem, offenem Gelände auch der beste Live-Sound an gewisse Grenzen stoßen muss, nur schwer vermeidlich: Wenn der Moderator nach der Stimmung bei den Picknickgästen fragt, die ihre Decken in den eher hinteren Schlosspark-Regionen ausgebreitet haben, hört sich deren freudige Erregung meilenweit entfernt an. Die Distanzen sind beträchtlich.
Aber „Chako“ Habekost hält den (Kultur-) Betrieb in Schwetzingen zusammen, moderiert für seine Gage wirklich nicht zu knapp. Natürlich auf gut Kurpfälzisch, mit vielen kleinen Schlenkern ins Private, Autobiographische oder auch Allgemeine. Aber meistens kriegt er doch die Kurve, die zur nächsten Arie hinführt - wie zu „Vissi d’arte“ von Puccini. Habekost weiß auch genau, wie „Tosca“ danach weitergeht: „Un’ dann werd’s bludisch“.
Die besagte Arie wird von Megan Marie Hart gesungen, die in Schwetzingen die krank gewordene Zsuzsanna Ádám ziemlich eindrucksvoll ersetzt. Hart ist am Staatstheater Darmstadt engagiert, als Tosca hat man sie auch bei den Zwingenberger Schlossfestspielen hören können.
Open Air mit Krachern
Die barocke Parkanlage von Schloss Schwetzingen dient schon zum zehnten Mal als Schauplatz einer Open-Air-Gala mit krönendem finalem Feuerwerk. Gesungen und gespielt wird auch, das künstlerische Personal des Nationaltheaters Mannheim, Fachabteilung Oper, feiert hier fast schon traditionell seinen Saisonabschluss. Mit großen Ohrwürmern und kleinen Überraschungen des Repertoires.
Aber der Clou des Ganzen kommt zum Ende hin: Es sei „kein ordinäres Höhenfeuerwerk“, wie der Veranstalter betont. Die Pyrotechnik werde nicht nur in der Luft, sondern auch auf dem Boden aktiviert, mehr: Nach dem Vorbild alter Königshöfe, namentlich in England, könne man ein partiturkonformes Abfeuern der Böller und Raketen garantieren, nach den Rhythmen und Stimmungen der Musik. Die Zugabe ist meist Edward Elgars populärster Marsch aus der Sammlung „Pomp and Circumstance“.
Der Titel ist Programm. Rund 5000 Besucherinnen und Besucher lockt das Spektakel regelmäßig an.
Jetzt bestätigt sie den guten Eindruck, den sie damals machte. Auch bei Verdi, wo die Sopranistin (in „Aida“) zusätzlich mit kehlig-herben Stimmfacetten aufwartet. Und in Puccinis „Madama Butterfly“ findet sie mit Jelena Kordic eine Mezzosopranistin, deren Vortrag ihren eigenen höchst wirkungsvoll-komplementär ergänzt.
Kordic verlässt das NTM, hat im Schlosspark ihren letzten Auftritt. Stimmlich fehlt, wie oft bei ihr, eine gewisse Rundung. Aber dafür gibt es packende Verismo-Emotionen und Theater-Töne, also die nur schwer zu fassenden Momente der „Wahrhaftigkeit“. Sogar bei diesem Open-Air-Spektakel. Und die hört man durchaus häufiger, vermehrt im zweiten Teil des Abends wohnt man stimmlichen Charakterdarstellungen bei. Auch bei Sung Ha, der Bass zeigt es vor allem in „Don Carlos“. Während bei Tenor Jonathan Stoughton schon die pure Stimmgesundheit imponiert, die ihm die rollenadäquate Zuversicht und Siegerlaune für Puccinis „Nessun dorma“ gibt.
Für eher nachdenkliche Töne im Orchester sorgt des Öfteren Solocellist Fritjof von Gagern. Dirigent ist Alleskönner, Allesmacher Janis Liepins, der auch Schmankerln wie Ponchiellis „Tanz der Stunden“ flotte Beine macht. Zum Ende hin, wenn zu Tschaikowsky-Stücken auch das Feuerwerk die große Trommel rührt und seine Licht-Fontänen in die Höhe schießt, hat er es noch ein bisschen eiliger, das gilt besonders für das „Schwanensee“-Finale. Denn es ist ein langer, intensiver Abend. Es ist spät geworden, leicht umnebelt treten die Besucherinnen und Besucher nach der Elgar-Zugabe die Heimfahrt an. Ganz Schwetzingen ist eingehüllt in Pulverdampf. Als sei die kleine Stadt belagert worden.
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