Klassik

Schwetzinger Festspiele: Wie Mannheim auf Mozart wirkte

Das Freiburger Barockorchester hat bei den Schwetzinger Festspielen eindrucksvoll gezeigt, welchen Einfluss die Mannheimer Schule auf Mozart hatte. Und einen ungewöhnlich instrumentierten Bach gab's außerdem

Von 
Dr. Hans-Guenter Fischer
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Hörenswert: Das Freiburger Barockorchester war zu Gast. © Anna Jenetzky

Schwetzingen

 

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Die Musikgeschichte „spricht“ zu uns, tatsächlich: Mit der Ouvertüre zu „Günther von Schwarzburg“ - Zeitgenossen galt das Werk als erste deutsche Nationaloper - hat Ignaz Holzbauer auch Mozart beeindruckt. Und sogar konkret beeinflusst, wie in Schwetzingen zu hören ist. Noch in der „Zauberflöten“-Ouvertüre hat sie Spuren hinterlassen. Nicht nur, weil sie in derselben Tonart steht: in Es-Dur. Sondern auch in ihrem Wechselspiel aus feierlicher Statuarik und Dynamikschüben.

Holzbauer, eine Art Rektor dessen, was Mannheimer Schule heißt, ist allerdings nur einer unter vielen Neutönern im Kurpfälzer Musiklabor der Zeit um 1770. Ohne das die Wiener Klassik vielleicht nie entstanden wäre. „Mozarts Mannheim“ nennt sich eine neue Plattenaufnahme des Freiburger Barockorchesters, dieser Tage publiziert unter dem immer noch recht edlen gelben Etikett der Deutschen Grammophon Gesellschaft - und in einem Schwetzinger Festspielkonzert im ausverkauften Mozartsaal (fast) vollständig live aufgeführt.

Der Artenreichtum der "Musikoase Mannheim"

Das Publikum soll Ohrenzeuge oder -zeugin einer längst vergangenen Epoche werden und den Artenreichtum der „Musikoase Mannheim“ kennenlernen. Denn noch immer sind Entdeckungen zu machen: Vier Weltersteinspielungen enthält der Tonträger. Nicht jede davon kann spektakulär sein, ein Sextett Carl Joseph Toeschis etwa stapelt eher tief. Der Komponist war Chef der Kammermusiker am Hof Carl Theodors - und nicht primär fürs Zünden der berühmten „Mannheimer Raketen“ zuständig. Das Freiburger Barockorchester ist in Schwetzingen dafür zu loben, dass es solche Stücke dann auch nicht gewaltsam „aufbrezelt“, sondern in ihrem Rahmen lässt.

Auch Christian Danners F-Dur-Violinkonzert zeigt diesen Mut zum Unspektakulären. Gottfried von der Goltz, als Chef der Freiburger, ist auch Solist. Erst kürzlich hat er sich als einfallsreicher Geiger in den Mozart-Violinkonzerten Nummer drei bis fünf erwiesen (und auch davon gibt es eine Tonaufnahme). Hier, im bislang unbekannten Stück von Christian Danner, dreht er erst im Schlusssatz auf. Dann aber freigeistig-furios.

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Zu den Entdeckungen des Schwetzinger Programms zählt von der Goltz vor allem eine C-Dur-Sinfonie von Christian Cannabich. Das Freiburger Barockorchester arbeitet die damals neuen Mannheimer Errungenschaften effektiv-pointiert heraus: den durchweg hohen Stellenwert des Bläser-Satzes (inklusive Klarinetten) und den Zugewinn an Klangvolumen, Tutti-Macht. Eine sinfonische Gewichtszunahme, die auf Mozart tiefen Eindruck machte. Und so wollte er mit seiner C-Dur-Sinfonie, in Mannheim Anfang 1778 aufgeführt, nicht nachstehen. Es ist ein Patchwork-Stück, zum Teil mit Material aus seinem Opernwerk „Il re pastore“. Aber auch mit einem eigens komponierten Presto-Schluss, der Mannheim alle Ehre macht. Die Freiburger beweisen es.

Derart befeuert, springen wir hinüber in die Schwetzinger Orangerie, wo das französische Ensemble Les inAttendus Bachs „Kunst der Fuge“ aufführt. Die Besetzung (Violine, Gambe und Akkordeon) könnte seltsam, wenn nicht abseitig erscheinen. Aber der Ensembleklang ist warm und homogen, man kann sich darin aufgehoben fühlen. Immer wieder demonstriert Alice Piérot mit feinem Perlmuttglanz, wie „geigerisch geeignet“ diese „Kunst der Fuge“ ist. Bach war kein Theoretiker. Er konnte sinnlich sein. Französisch.

Freier Autor In Heidelberg geboren. Studium (unter anderem) der Germanistik. Promotion über Rainer Maria Rilke. Texte zu Literatur, Musik und Film.

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