Schwetzinger Festspiele

Im Archiv wird auch getanzt - ein altes Maskenspiel beweist es

Das alte Maskenspiel „Cupid and Death“ kann heute noch Vergnügen machen. Der überzeugende Beweis wurde bei den Schwetzinger Festspielen geführt, dargeboten von einem Ensemble aus Lyon

Von 
Hans-Günter Fischer
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Szene aus der Produktion, die in Schwetzingen im Schlosstheater zu erleben war. © Alban van Wassenhove

So etwas passiert eben, wenn sich zwei Götter (oder allegorische Figuren) in dieselbe Herberge verirren. Prompt vertauscht ein Kammerdiener seinen Gästen Tod und Amor deren Arbeitswerkzeuge, die Schicksalsbögen. Oder jedenfalls die Munition: die Pfeile. Es entsteht das blanke Chaos. Junge Liebende verpassen, böse Buben herzen sich. So etwas gibt es nicht bloß im Theater, sondern auch im Leben oder in der Politik. Man denke an die herzliche Begrüßung im - natürlich folgenlosen - Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-Un, dem fülligen Problembären aus Nordkorea.

Das aber nur nebenbei. Aus Schwetzingen ist kulturell weit Wichtigeres zu berichten: Bei den Festspielen wird im Pigage- (einst Rokoko-) Theater eine „Masque“ von 1659 wiederaufgeführt. Sie heißt „Cupid and Death“. Es ist die einzige der Gattung, die erhalten blieb.

Am Hof Heinrichs des Achten war sie über hundert Jahre früher etabliert worden, sie brachte Sprechtheater, Tanz, Musik, Kulissen und Kostüme unter einen Hut. Und sie war „typisch englisch“, auch wenn Einflüsse vom Kontinent in diese Maskenspiele eindrangen. „Cupid and Death“ weitet indes den Anteil der gesungenen Passagen deutlich aus und kündigt damit schon den Übergang zur Oper an, wie wir sie heute kennen.

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Matthew Lockes und Christopher Gibbons’ Musik zu dem Libretto von James Shirley ist freilich nicht vollständig erhalten. Fehlende Begleitstimmen mussten ergänzt werden, was der französische Alte-Musik-Experte Sébastien Daucé in jahrelanger, aber trotzdem inspirierter Fleißarbeit erledigt hat.

Die Resultate hat Daucé mit seinem in Lyon gegründeten Ensemble Correspondances auch schon in großen Sälen präsentiert. Doch auf das Schwetzinger Pigage-Theater habe er sich bereits deshalb sehr gefreut, weil es die idealen Abmessungen für die Aufführung der „Masque“ besitze, sagt er.

Auch die Inszenierung von Jos Houben und Emily Wilson ist noch einmal für den Spielort maßgeschneidert worden. Denn der Schauspieler Soufiane Guerraoui, der in diesem Stück den Wirt und Zeremonienmeister gibt, versucht gleich zu Beginn, mit feiner Ironie das Publikum zu ködern. Rühmt die Baden-Württemberger für ihre Verständigkeit. Ansonsten gebe es ja noch die „Unter-, Über- oder Metatitel“, um der Handlung dieser „Masque“ gewachsen sein zu können.

Leichthändig, nie banal

Und so ist die ganze Inszenierung: leichthändig, doch nie banal. Desillusionstheater mit Esprit und Grazie. Oria Puppos Bühnenbild führt anfangs in Depot- oder Archivräume - und schließlich auch dorthin zurück. Es operiert zudem mit Vorhängen und Leitern - die nicht immer in den Himmel führen. Puppo hat auch gute Einfälle für die Kostüme, etwa wenn die Fleisch gewordene Mutter Natur mit einer Kopfbedeckung aus verwelkten Blumen auftritt.

Sie führt Klage, weil nach dem erwähnten Munitionstausch falsche Liebes- (oder Todes-) Pfeile junge Frauen umbringen und Tattergreise plötzlich wieder tanzen lassen. Es läuft also alles wider die Natur, was im Begleitensemble durch ein stolpernd kakophonisches Fagottsolo beschrieben wird.

Die Götter schicken daraufhin zur Wiederherstellung der alten Ordnung ihren besten Mann Merkur, der eher melancholisch als gebieterisch den ihm erteilten Auftrag ausführt - was Bassbariton Yannis Francois dennoch mit großer Stimmautorität ausstattet. Das bleibt haften.

Im Ensemble sticht manchmal die Blockflöte Lucile Perrets heraus. Zumeist sind Tanzsätze zu spielen. Aber eigentlich tanzt hier die ganze Inszenierung, auch die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten wechseln immer wieder ihren Standort auf der Bühne. Manchmal musizieren sie sogar dabei. Das Publikum ist hingerissen. Absolut zu Recht.

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