Bereits als Schüler habe ich mich mit dem Shakespeare-Virus infiziert. Im Dezember 2001 besuchten wir von der Hockenheimer Theodor-Heuss-Realschule aus Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ im Nationaltheater Mannheim. Dieses Erlebnis war für mich sozusagen die Initialzündung. Nach dem Abitur in Speyer studierte ich an der Mainzer Gutenberg-Universität Anglistik und wählte dort den englischen Dramatiker als Schwerpunkt. Im Anschluss zog es mich an die weltbekannte Universität nach Cambridge, dort legte ich am „Institute of Continuing Education“ im Bereich „Shakespeare und Literatur“ das „Honours Programme“ ab.
Die Anforderungen waren hoch, wöchentlich musste ein Aufsatz abgegeben werden und am Ende jeder Woche gab es eine einstündige mündliche Prüfung. Seit 2018 veranstalte ich das „Dinner with Shakespeare“, einen kulinarischen Abend mit unterhaltsamen Lesungen aus Shakespeares Werken. Im Jahr 2019 erschien Sturms erstes Buch mit dem Titel „Das Shakespeare-Prinzip: 13 Wege zum Erfolg“.
Jetzt haben mich die Organisatoren der Schwetzinger Festspiele gefragt, ob ich fürs Programmheft einen Beitrag für die Aufführung „Cupid and Death“ schreiben würde – das habe ich natürlich gern gemacht und den Beitrag habe ich auf Nachfrage auch gern meiner Heimatzeitung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt: Eine Sonderstellung im englischen Theater des 16. und 17. Jahrhunderts nahm die „Masque“ ein. Die Tradition dieser Gattung reicht bis ins Mittelalter zurück, als Pantomimedarsteller („Mummer“) alte Geschichten, Legenden und Mythen aufführten; vor allem aber im 16. Jahrhundert erfreute sich die Masque großer Beliebtheit, die erste Aufführung ist im Jahr 1513 am Königshof von Heinrich VIII. dokumentiert. Nach einem Prolog trugen maskierte Darsteller auf der Bühne Tanz, Musik, Choreinlagen, solistische Lieder, Dialoge und Lautenlieder vor.
Zum Abschlusstanz kamen alle Darsteller auf die Bühne und nach der Demaskierung durfte auch das Publikum mittanzen. Die Masque mit ihren Kostümen, Tänzen und Gesängen mit Versen aus der Mythologie und Allegorien stellte eine eigene Gattung dar, sie grenzte sich vom Theater ab, bei dem die dramatische Handlung im Mittelpunkt stand. Während das damalige Volkstheater für breite Schichten zugänglich war, wurde die Masque am Hof von und für die Oberschicht bei Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Weihnachten oder Jahrestagen aufgeführt.
Integration ins englische Theater
Das englische Theater, welches mit Autoren wie William Shakespeare, Christopher Marlowe und Ben Johnson während der Regierungszeit von Elizabeth I. (1559-1603) und Jakob I. (1603-1625) seinen Höhepunkt feierte, integrierte Elemente der Masque in die Theaterstücke, am bekanntesten in Shakespeares Dramen wie „Ein Sommernachtstraum“, „Romeo und Julia“ und „Der Sturm“.
In drei wichtigen Punkten unterscheiden sich die Masque und das englische Theater des 16. und 17. Jahrhunderts. Erstens: Im Gegensatz zur heutigen Stellung Shakespeares wurde das englische Theater zur damaligen Zeit als niedere Unterhaltung angesehen. Es galt als anrüchig, eine andere Identität anzunehmen, die auf der Bühne dargestellten Szenen missfielen den religiösen Hütern und die Mischung von unterschiedlichen sozialen Schichten wurde als problematisch angesehen. Adlige sponserten zwar die Schauspielgruppen, die auch regelmäßig bei Hofe auftraten, doch die Theater lagen außerhalb des Stadtbezirks, auf der Südseite der Themse, in der Nachbarschaft von Bordellen und Bärenhatzen. In Kontrast zu dieser Wahrnehmung war die Masque Unterhaltung am Hofe - von der Oberschicht für die Oberschicht.
Zweitens: Im Gegensatz zum Theater, in dem Frauen die Mitwirkung strengstens untersagt war, durften sie am Hof bei Masque-Aufführungen mitwirken. Heinrich VIII. lernte seine zweite Ehefrau Anne Boleyn, die Mutter Elizabeths I., als Darstellerin bei einer Aufführung kennen. Womöglich hätte es ohne diese Kunstform nie das Goldene Elisabethanische Zeitalter gegeben!
Und drittens: Während die Theater in England in der Regierungszeit von Elizabeth I. und Jakob I. – zwar mit Argwohn – geduldet wurden, wurden sie mit dem Englischen Bürgerkrieg (1642-1649) und der puritanischen Herrschaft unter Oliver Cromwell (1649-1660) vollständig geschlossen, da sie einem frommen Leben entgegenstanden. Die Masques durften dennoch als Privatvorstellungen am Hofe weitergespielt werden und leisteten einen großen Beitrag zur Entwicklung der englischen Oper, bevor sie ab 1658 von dieser verdrängt wurden. Danach fristete die Masque ein Nischendasein als Zwischenspiel („Intermedium“) oder als Teil volkstümlicher Unterhaltung.
Eine wahre Wiederentdeckung
„Cupid and Death“ von James Shirley mit der Musik von Matthew Locke und Christopher Gibbons, ist eine der letzten bedeutenden Masques in der Endphase dieser Gattung. Der Übergang zur Oper deutet sich schon an – die gesprochenen Passagen und die musikalischen Zwischenspiele stehen im Gleichgewicht und kommen eher heutigen Hörgewohnheiten entgegen. Diese Sonderstellung dürfte dafür verantwortlich sein, dass „Cupid and Death“, uraufgeführt vor dem portugiesischen Botschafter im Jahr 1653, als außergewöhnliches Stück des Masque-Genres nun wiederentdeckt und auf großen Bühnen aufgeführt wird.
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