Ihn einmal live zu erleben, diesen Wunsch erfüllten sich am Sonntagabend Menschen aus ganz Deutschland, angrenzenden Ländern und sogar aus den Vereinigten Staaten: Der US-amerikanische Superstar der Countrymusik Brad Paisley spielte innerhalb seiner Welttournee das einzige Deutschland-Konzert bei Musik im Park im Schlossgarten Schwetzingen. Mit einem virtuellen Feuerwerk auf der großen Leinwand startete er ein solches auf der Bühne und begeisterte mit seiner eineinhalbstündigen Show gut 3500 Fans.
Die Stimmung auf dem Festival-areal des Schlossgartens ist an diesem Abend besonders gechillt. Da gibt es kein Drängeln wie sonst bei Livekonzerten schon mal. Selbst direkt vor der Bühne herrscht ein friedliches Miteinander. Cowboyhüte und -stiefel, Karohemden, Lederwesten mit Fransen und Fanshirts von Brad Paisley dominieren das Bild. Stars-and-Stripes-Flaggen baumeln an Taschen. Gruppen von Western- und Country-Clubs sowie Linedance-Vereinen fallen durch einheitliche Outfits auf. Bier gehört – was Wunder – zu den beliebtesten Durstlöschern dieses heißen Sommerabends.
Umjubelter Auftritt für Alex Auer
Und den eröffnen mit Alex Auer & The Detroit Blackbirds Lokalmatadoren aus Heidelberg und Umgebung, die schon in Arenen für ZZ Top eingeheizt haben: „Alex“-Rufe durchdringen die Massen, als er mit seiner eingängigen Ballade „You’ve lost someone“ loslegt. Mit Boris Angst und Julian Knoll hat er ein 30-minütiges Set vornehmlich mit Titeln seines 2019er Albums „Much better“ zusammengestellt, darunter eine fantastische Rhythm‘n’Blues-Version von „Smoke“, „meinem persönlichen Anti-Kriegs-Lied“, wie Alex Auer kommentiert. Die anfängliche Nervosität („Scheiße, bin ich aufgeregt“) verwandelt sich dann schnell in die pure Lust am Saitenzupfen, die beim Titel „Lucky ones“ zur Ekstase reift. Die wird dann noch bei einem fast siebenminütigem Jimi-Hendrix-Medley (Video) ausgelebt, für das Alex Auer mit seinem exzessiven Gitarrenspiel Jubelrufe erntet. Anschließend steht er beseelt im Publikum: „Das war einfach mega.“
Während Alex Auer für den Support-Auftritt in Schwetzingen mit drei Gitarren angereist ist, hat Brad Paisley ein paar Instrumentenkoffer mehr dabei, um die 13 wurden hinter der Bühne gezählt. Der Nordamerikaner spielt vorzugsweise Westerngitarren von Gibson, hauptsächlich J-45-Modelle, und außerdem Crook Telecaster (E-Gitarre). Zwischenzeitlich scheint es fast so, als hat er Wechselstress, was die Saiteninstrumente angeht, die anfangs beinahe zu jedem Titel ausgetauscht werden.
Mit drei stimmungsvollen Krachern – dem lässigen „American Saturday Night“, „Beat This Summer“ und „Online“ – holt er das Publikum sofort ab und stimmt auf einen Abend mit modernem Countryrock ein, an dem es zumindest für ihn fast keine Verschnaufpause gibt. Die Finger fliegen über die Gitarrensaiten bei „Perfect Storm“, um danach in „Water“ abzutauchen, bei dem auf der Videoleinwand ein Clip an die frühere Serie „Love Boat“ erinnert. Dort flimmern während des Konzerts aufwendige Produktionen und sogar der Deutsche Fußball-Bund wird per Logo einmal eingeblendet – offensichtlich ein Gruß an die deutsche Frauennationalmannschaft, die zu diesem Zeitpunkt das Finale der Europameisterschaft in Wembley verloren hatte.
Eines der besten Videos begleitet den Hit „Celebrity“ (Berühmtheit), in dem Brad Paisley Promis im Allgemeinen und sich im Besonderen auf die Schippe nimmt. Darin inszeniert er als Schwallkopf-Maskottchen absurde Situationen, tritt etwa als Exhibitionist auf. Auch die Ohrfeige bei der jüngsten Oscar-Verleihung ist darin verarbeitet und ein animierter Brad Paisley applaudiert dazu – köstlich!
Lieber Hut statt Ehemann
Zwischendrin gibt’s immer wieder Interaktion mit dem Publikum. Brad Paisley spricht über die Pandemie, über „eine merkwürdige Zeit“, „aber ihr seid hier, das heißt, ihr habt es geschafft – auch wenn wir alle 15 Pfund schwerer geworden sind“. Gelächter. Er blickt in die Runde mit Cowboyhüten sowie Basecaps von amerikanischen Baseball-Teams und fragt süffisant: „Wo bin ich hier eigentlich?“ Kathleen aus der ersten Reihe überlässt dem Musiker sogar ihr Smartphone, in der Hoffnung auf ein Selfie, der drauf hin erst mal deren Instagram-Namen ausplaudert. Dieser Mann ist einfach sympathisch und genauso seine Musik.
Und ja: Brad Paisley kann richtig rocken! Das beweist er „Germany“, das beweist er Schwetzingen übrigens nicht nur mit seinen eigenen Songs: Das Cover „Hot for Teacher“ der Hardrocker von Van Halen hätte sicher auch dem 2020 verstorbenen Eddie Van Halen gefallen, dessen Bild nach dem Titel auf den Screens erscheint.
Aber der Sänger und Songschreiber aus Glen Dale, West Virginia, kann auch ruhig. Seine Balladen bringt er aufrichtig, geradlinig und ohne dabei schmalzig zu wirken. Bei „She’s everthing“ schmelzen selbst die ganz coolen Cowboys dahin und wiegen sich mit der Liebsten zu den Klängen der Musik.
Immer wieder sprintet Brad Paisley über die Bühne und den Steg. An jeder Ecke sind Mikrofone für ihn platziert, deren Ständer von oben bis unten mit roten Gitarrenplättchen beklebt sind, die er ins Publikum wirft. Links und rechts von der Bühne wurden extra Screens aufgehängt, damit die Zuhörer im hinteren Teil des Geländes den fantastischen Entertainer gut sehen können. Dort erleben sie auch mit, wie Brad Paisley von der Bühne hinabsteigt und zu seiner Countryhymne schlechthin „This is Country Music“ einem Jungen seine Gitarre schenkt (Video). Dies ist seit Jahren ein schöner Akt bei Paisleys Liveshows, was die Fans auch wissen und entsprechende Bitt-Plakate hochhalten.
Auf alle Wünsche geht er dabei allerdings nicht ein: „Give me your hat, pleace, I give you my husband“ – gib’ mir bitte deinen Hut, du bekommst meinen Ehemann“. – „Meinen Hut behalte ich lieber“, entgegnet der 49-jährige Musiker darauf und haut die nächsten Ohrwürmer raus. Brad Paisley ist ein meisterhafter Gitarrist, was er in Soli immer wieder herausstellt. Dabei gibt er seiner Band gleichermaßen Raum, vor allem dem Fiddler Justin Williamson.
Handylichter zu „Whiskey Lullaby“
Die Stimmung bei „Whiskey Lullaby“ ist für Frank und Yvonne aus Hildesheim einer der schönsten Momente des Abends. Mit der Akustikgitarre spielt Brad Paisley allein, dazu leuchten Hunderte Handylichter unter dem Nachthimmel im Schlossgarten. So geht es vielen Fans, auch Steve, der aus Florida, kommt, und extra in Deutschland zwei Wochen Urlaub macht, um dabei dieses Konzert zu besuchen. Nicht ganz so weit gereist sind Jessica – die am Sonntag Geburtstag hatte – und Philipp. Beide kommen aus Hamburg und kombinieren ihr erstes Brad-Paisley-Konzert mit einem Besuch bei der Verwandtschaft in der Region. Beide sind begeistert von der Show. Melinda und Javier müssen auf ihr Lieblingslied bis zur Zugabe warten: Die Spanier singen bei „Alcohol“ lautstark mit – und stoßen dabei noch einmal mit Bier an. Ihren Wunsch, Brad Paisley einmal live zu erleben, haben auch sie sich wie so viele an diesem unvergesslichen Abend in Schwetzingen erfüllt.
Setliste
- American Saturday Night
- Beat This Summer
- Online
- Perfect Storm
- The Love Boat/Water
- Waitin’ on a Woman
- Then
- Celebrity
- I’m still a Guy
- This is Country Music
- The Nervous Breakdown
- Medley aus Last Time for Everything/Purple Rain/Hot for Teacher
- Mountain Music/Old Alabama
- River Bank
- She’s everthing
- Whiskey Lullaby (Acoustic)
- I’m gonna miss her (The Fishin’ Song)
- Ticks
- Mud on the Tires
- Mona Lisa
Zugabe
- Alcohol
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