Reise

Die neue Toskana: Kroatiens Nordwesten

Istrien, die Halbinsel mit felsigen Küsten und dem grünen Hinterland, ist eine Entdeckung. Feinschmecker und Abenteurer fühlen sich in Kroatiens Nordwesten wohl.

Von 
Viola Keeve
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Das Örtchen Motovun sieht aus wie Italien, liegt aber in Kroatien. © imago/Siegfried Kuttig

Das Steinhaus ist winzig, zwei Räume übereinander nur – die Terrasse aber ist riesig. Zur Casa Adora trägt man die Koffer über Kopfsteinpflaster. Motovun, Istriens schönstes Bergdorf, ist autofrei. Neben der Kirche trinkt man bei Edo Bencic selbst gekelterten Rotwein der Rebsorte Teran, mit Blick über das Mirnatal und eben Kisten mit Obst aus dem Garten.

In Istrien wächst es üppig, Lavendel und Zypressen, Gemüse aller Art. Im sozialistischen Jugoslawien war die Halbinsel an der Adria eine arme Bergregion. Nun ist sie ein Feinschmeckerziel: Trüffel, Wein wie im Bordeaux, Austern wie in der Bretagne, Scampi, Fisch, Wild.

Istrien

Anreise Mit dem Auto via Österreich und Slowenien in die kroatische Gespanschaft Istrien. Die Einreise ist nur mit Test, Impfung oder Genesung möglich, www.istra.hr/de

Unterkunft Motovun: Casa Adora ist ein Steinhaus mit großer Terrasse in einem der schönsten Bergdörfer Istriens, pro Nacht ab 130 Euro für 4 Pers., www.airbnb.de. Momjan: Im Hotel Casa Dante kostet ein Maisonettezimmer mit Frühstück ab 255 Euro, www.momjan.com. Buje: San Canzian nennt sich ein 5-Sterne-Boutiquehotel im Olivenhain mit Pool und Restaurant auf Sterne-Niveau, DZ ab 280 Euro, https://san-canzian.hr/de/

Essen und Trinken Der steirische Sternekoch Thomas Riederer führt 2 bis 10 Gäste in Momjan vier Stunden lang zu Bauernhöfen, Kellereien, Konobas (deutsch: „Landgasthäuser“). Die kulinarische Reise mit 16 Stationen kostet 133 Euro, www.momjan.com.

Aktivitäten Radfahren oder Schnorcheln kann man im Nationalpark Brijuni. Zu erreichen mit der Fähre ab Fazana, Eintritt 30 Euro, www.np-brijuni.hr/de. Am Kap Kamenjak werden Windsurfkurs, Kajakfahren und Höhlen-Schnorcheln angeboten, www.windsurfstation.com.

Allgemeine Informationen Kroatische Zentrale für Tourismus, http://croatia.hr/de-DE.

Eines der besten Olivenöle keltert Claudio Ipa in Livade im Mirnatal. Der winzige Ort besteht fast nur aus einer Verkehrsinsel. In der Mitte genau vor dem Restaurant von Trüffelkönig Giancarlo Zigante steht ein weißer Trüffel aus Beton, bizarr geformt wie ein Gehirn. 1999 fanden seine Hunde einen riesigen weißen Trüffel: 1,31 Kilo schwer. Die Trüffel-Tagliatelle bei ihm sind köstlich.

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Wer durch das Künstlerdorf Gronjan schlendert, hört Jazz, Gesang oder Klavierspiel. Von Dorf zu Dorf wandert in der Hitze hier niemand, man fährt Auto. „Istrien ist winzig. In zwei Stunden ist man fast überall“, sagt Ivan Krianec, Zagreber Möbeldesigner und Ferienhausbesitzer. Seit 2004 entstanden viele Luxus-Landhäuser mit Pool, hinter Steinmauern und Hecken verborgen, so, wie Deutsche es mögen. Die Firma Novasol betreut über 8000 davon. In der Hochsaison kostet eine Woche 2500 Euro, selbst in pittoresken Dörfern wie Cabrunici, wo man in 40 Minuten am Meer ist.

Schon die Habsburger fuhren nach Istrien zur Sommerfrische, am längsten gehörte die Küste den Venezianern, das sieht man Rovinj, einer der schönsten Hafenstädte, auch noch an. In Pula bauten die Römer das sechstgrößte Amphitheater der Antike. Bis 1941 gehörte Istrien zu Italien. Daher assoziiert man die Gegend noch immer mit der Toskana. Surfer schätzen das südlichste Ende, Kap Kamenjak, oder die Safari-Bar mit Schaukeln im Schilf, Piratenausguck und Lounge-Musik im neuen wilden Osten.

Der Ort Buje ist sehr gepflegt. Die besten Winzer des Landes, Kozlovic und Matoevic, besitzen Weinberge in der Nähe. Ivan Matoevic nennt man auch den Rebellen unter den Weinmachern. Er hat Wirtschaft studiert und schenkt Grimalda ein, einen preisgekrönten Rotwein, der auf dem Grundstück der Großeltern wächst. In Klotar an der Spanferkelallee drehen sich samstags in den Landgasthöfen an der Straße Dutzende Ferkel am Spieß. Manche werden beim Anblick sofort Vegetarier.

Edler wird in Muolini Donji aufgetischt, einem mittelalterlichen Dorf, das nach einem Vier-Millionen-Euro-Umbau zum Boutiquehotel San Canzian wurde: 24 Zimmer, ein Pool im Olivenhain und auf Wunsch kann man sich sogar einen Oldtimer-Porsche für Ausflüge leihen. Romantische Städte wie Bale oder die Inselgruppe Brijuni sind nah. Zwischen 1947 und 1979 verbrachte Josip Broz alias Tito viel Zeit in Brijuni. Eine sehr schöne Ecke, wenn man Felsbuchten mag. Der „rote Monarch“, wie der „Spiegel“ Tito nannte, hielt hier exotische Tiere, fischte, jagte. Jugoslawiens früherer Staatschef fuhr Cadillac, erntete Orangen und empfing die halbe Welt: Arafat, Fidel Castro, Willy Brandt, Indira Gandhi oder die junge Queen.

Heute ist man unter Pinien zwischen Safaripark, Weißer Villa und römischen Säulen sogar fast allein.

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