Kommentar Bundesverfassungsgericht stellt Xavier Naidoo noch weiter ins Abseits - mit Recht

Jörg-Peter Klotz begrüßt die Karlsruher Entscheidung

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Jörg-Peter Klotz
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Mannheim. Xavier Naidoo durfte als Antisemit bezeichnet werden, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Und das ist gut so. Karlsruhe gewichtet die Meinungsfreiheit höher als den Schutz der Persönlichkeitsrechte und stellt sie ein Stück weit über die Kunstfreiheit. Und so schwer es fällt, derart elementare Rechte gegeneinander aufzuwiegen: Die Entwicklung unserer Gesellschaft macht es nötig, dass nicht jeder brandgefährliche Unsinn unter Berufung auf Freiheitsrechte durchgewinkt werden kann.

Gesamtgesellschaftlich gesehen ist es überfällig, dass man es beim Namen nennen kann, wenn jemand antisemitische Inhalte verbreitet. Verschärfungen im Strafgesetzbesuch sind der nächste notwendige Schritt. Da geht es nicht um Zensur. Aber Tatbestände wie Volksverhetzung oder Beleidigung sind für den aufgehetzten Tonfall heutzutage zu unpräzise und lasch formuliert. Wenn Rapper wie Kollegah und Farid in Liedern in abfälligster Manier über Holocaust-Opfer witzeln, sollten sie künftig so zur Kasse gebeten werden können, dass sie es auch bemerken.

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Der Fall Naidoo ist komplizierter. Denn sein Weg vom Anti-Rechtsrocker zum Titelhelden des „Compact“-Magazins, das der Verfassungsschutz inzwischen als „gesichert rechtsextrem“ einstuft, dürfte in der Popmusik einmalig sein. Ob er substanziell Antisemit ist, spielt längst keine Rolle mehr: Den wenigen Anhaltspunkten in früheren Liedtexten hat er inzwischen auf Telegram genug einschlägige Inhalte folgen lassen. Am problematischsten findet es Telegram-Forscher Josef Holnburger, dass der Mannheimer mit einer damals sechsstelligen Gefolgschaft das antisemitische Pamphlet „Protokolle der Weisen von Zion“ geteilt hat. Naidoo selbst hat seine ganz eigene Sicht der Dinge und verkündete schon vor Monaten, dass er gar kein Antisemit sein könne, weil er ja Semit sei und es keine weißen Juden gebe. Immerhin: Inzwischen hat er sich dermaßen ins Abseits manövriert und im Zuge der Pandemie noch weiter in Verschwörungswahnvorstellungen hineingesteigert, dass er außerhalb seiner Filterblase nicht mehr ernstgenommen wird. Aber der Schaden, den er bislang schon angerichtet hat, ist nur schwer zu reparieren. Nun steht er noch weiter im Abseits. Zu Recht: Denn neben der AfD, „Compact“ und Co. zählt Naidoo zu den Kräften, die die Grenze des Sagbaren so verschoben haben, dass der Schritt zur Gewalt immer kürzer geworden ist. Auch deshalb ist der Erfolg der Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe nur zu begrüßen.

Ressortleitung Stv. Kulturchef