Zum Aufbau einer Mannschaft gehören erfahrungsgemäß immer verschiedene Entwicklungsstufen. Auf die sehr frühe Phase der kompletten Neuorientierung folgt das Zusammenwachsen, das mal langsamer und mal etwas zügiger gelingt. Und dann geht es recht schnell schon um den ersten Erfolg. Also um etwas Zählbares.
Genau das brachte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) im Sommer 2024 mit Olympiasilber aus Frankreich mit, weshalb sie nun ein neues Stadium in ihrer Entwicklung erreicht hat. Und zwar eines, das gemeinhin als das schwierigste gilt. Denn jetzt muss das Team beweisen, dass Platz zwei in Paris und Lille kein Zufall war. Gefordert wird nach dem 2023 vollzogenen und teils erzwungenen Umbruch also eine Bestätigung des Olympia-Coups, was eine große Herausforderung wird – im Erfolgsfall aber auch eine gewisse Aussagekraft hätte. Denn Konstanz auf hohem Niveau ist ein wichtiges Gut, ja sogar ein absolutes Qualitätsmerkmal.
Das Viertelfinale ist die absolute Pflicht
Die anstehende Weltmeisterschaft in Norwegen, Kroatien und Dänemark wird also zweifelsfrei Auskunft darüber geben, ob das DHB-Team dieses Gütesiegel verdient. Oder anders ausgedrückt: ob es tatsächlich zu den besten der Welt gehört und ein dauerhafter Medaillenkandidat ist.
Bundestrainer Alfred Gislason beklagt vor dem Turnier zwar die Ausfälle von Jannik Kohlbacher und Sebastian Heymann, womit ihm wichtige Alternativen fehlen. Doch die Leistungsträger der Olympia-Mannschaft sind allesamt dabei. Es gibt also keine Ausreden. Zumal es bei der Auslosung für die Deutschen auch deutlich schlechter hätte laufen können.
Gegen die meisten Gegner der Vor- und Hauptrunde ist Deutschland der Favorit
Gewiss: Eine rein europäische Vorrundengruppe mit den Gegnern Schweiz, Polen und Tschechien ist für WM-Verhältnisse knifflig, weil ein exotischer und vermeintlich leichterer Gegner von einem anderen Kontinent fehlt. Dennoch sind die Deutschen in jeder Partie Favorit und erster Anwärter auf die Hauptrunde, wo es ziemlich sicher zur Neuauflage des Olympiaendspiels gegen das dänische Starensemble kommen wird.
Keine Frage: Ins Duell mit dem Turnierfavoriten und Dreifachweltmeister würde die DHB-Auswahl als krasser Außenseiter gehen. Als weitere Hauptrundengegner kommen Tunesien, Algerien und Italien infrage. Und auch hier gilt: Gegen jeden dieser Gegner kann aus deutscher Sicht nur ein Sieg zählen, womit die Pflicht erfüllt und das Mindestziel erreicht wäre: das Viertelfinale.
Alles andere als das souveräne Erreichen der K.o.-Runde käme nicht nur einer großen Enttäuschung gleich, sondern wäre nichts anderes als ein gewaltiger Rückschritt. Und entsprechend auch ein Hinweis darauf, dass der Olympia-Sommer zwar ganz schön – aber erst einmal nur ein Ausreißer nach oben und (noch) nicht der Anfang einer Erfolgsära gewesen ist.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Handball Diese WM wird zeigen, ob das DHB-Team wirklich Weltklasse ist
Nach Olympia-Silber geht es für die Handball-Nationalmannschaft darum, den Erfolg bei der WM zu bestätigen. Das Viertelfinale muss es mindestens sein, meint Marc Stevermüer.