Kommentar Olympia-Bewerbung nur mit Konzept und Kampagne

Für einen erneuten Anlauf auf Olympische Spiele in Deutschland sieht Christian Rotter vor allem eine Bedingung als unverhandelbar. Als Positivbeispiel für gelungene und nachhaltige Spiele empfindet er München 1972

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Christian Rotter
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Olympische Spiele in Deutschland? Jeder, der noch vor wenigen Wochen diese beiden Begriffe in einen Satz gepackt hätte, wäre davongejagt worden. Zu frisch sind die Erinnerungen an die jüngsten Bewerbungen, die von der Bevölkerung nicht nur abgelehnt, sondern abgewatscht wurden. Als es um die Winterspiele 2022 in München ging, wurde bei allen vier durchgeführten Bürgerentscheiden die nötige Mehrheit verfehlt.

Doch diese Bilder der European Championships waren einfach zu schön, um nicht wenigstens einmal über einen neuen Anlauf nachzudenken. Der Sport feierte sich selbst – und nicht wenige zogen Parallelen zu den Sommerspielen 1972 an gleicher Stelle, als erst das fürchterliche Attentat auf die Sportlerinnen und Sportler aus Israel die stimmungsvollen Jahrhundertspiele im Herzen traf.

Bis 2032 sind die Sommerspiele vergeben – wie wäre es also mit 2036? Sicher, es wäre ein gigantisches Zeichen, wenn exakt 100 Jahre nach den von den Nazis missbrauchten Spielen in Berlin die Olympische Idee nach Deutschland zurückkehren und diesmal in einem demokratischen und freiheitsliebenden Land auf fruchtbaren Boden fallen würde. Doch so schön dieses Bild auch ist, das im Kopf entsteht. Es reicht nicht aus – bei Weitem nicht.

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Euphorie wird als zeitweilig übersteigerte Hochstimmung definiert. Das Wort „zeitweilig“ spielt dabei eine große Rolle. Es führt zu kurz, die begeisternden European Championships als „Mini-Olympia“ zu bezeichnen und sie als Blaupause für die Ausrichtung von Sommerspielen zu hoch zu hängen. Eines haben die elf Tage von München gezeigt: Das Konzept der European Championships ist ein erfolgreiches. Dass die Leichtathletik sich daraus verabschieden wird, um ihr vermeintliches Alleinstellungsmerkmal zu demonstrieren, mag ein Fehler sein. Das bedeutet noch lange nicht, dass Olympische Spiele genauso einfach von der Hand gehen.

Bevölkerung mitnehmen

Die wichtigste Voraussetzung für eine Bewerbung ist der Rückhalt in der Bevölkerung. Um diese von der Idee zu überzeugen, muss die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmen. In einer Zeit mit einer irrsinnig hohen Inflation und explodierenden Energiekosten, in der viele Familien nicht wissen, wie sie ihre nächste Gasrechnung bezahlen sollen, ist jede Bemühung zum Scheitern verdammt, die ausschließlich an die Herzen der Menschen appelliert.

Vielmehr bedarf es einer von Anfang bis Ende durchdachten Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, in die alle Beteiligten eingebunden sind und die auch kritische Stimmen ernst nimmt. Wie es nicht geht, hat die Bundesregierung mit der Impfkampagne gezeigt. Stattdessen müssen alle Bürgerinnen und Bürger verinnerlichen, dass Olympische Spiele, die nachhaltig organisiert werden, zu einem gesellschaftlichen Nutzen führen können.

Es müssen alle Parameter passen. Dem Internationalen Olympischen Komitee sollte es zu denken geben, dass zuletzt oft Bewerbungen wegen der utopischen Kosten zurückgezogen wurden. Weder Rio 2016 mit seinen nun leerstehenden Stadien noch Peking 2022 mit seinem Verbrechen am Umweltschutz sind leuchtende Vorbilder, sondern München 1972, wo aus dem Olympischen Dorf ein beliebtes Wohngebiet entstanden ist.

Redaktion Koordinator der Sportredaktion