Mannheim. Es gibt ein Mannheim vor dem 31. Mai 2024, und es gibt ein Mannheim danach. Was sich vor einem Jahr auf dem Marktplatz zutrug, hat sich in die Seele der Stadt eingebrannt. Trauer braucht Zeit. Vertrauen auch. Jeder Gang über den Ort des Verbrechens, jeder Kontakt zu unseren Mannheimer Polizistinnen und Polizisten, aber auch jede Erinnerung an die Tat durch andere schreckliche Ereignisse - etwa die Amokfahrt am Rosenmontag - erinnern an Rouven Laur.
Wie viele Menschen haben die abscheuliche Mordattacke im Video gesehen und können die Bilder nicht mehr vergessen? Wie viele Mannheimerinnen und Mannheimer haben um das Leben Rouven Laurs gebetet? Irgendwann kehrt der emotionale Alltag auch für diejenigen wieder ein, die damals mit der Familie und den Freunden Rouven Laurs mitgelitten haben. Aber sie alle, wir alle vergessen nicht.
Der Rechtsstaat reagiert, aber seine Gesellschaft muss ihm auch vertrauen können
Dieser Tod müsse etwas verändern, hieß es vor einem Jahr allenthalben. Der Prozess gegen den afghanischen Messerangreifer läuft, mit einem Urteil ist in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen. Die Debatte um islamistischen Terror hat spätestens mit der neuen Bundesregierung zu einer verschärften Migrationspolitik geführt. Der Rechtsstaat reagiert, aber seine Gesellschaft muss ihm auch vertrauen können. Was also spendet Trost, was lässt die Wunden heilen? Vielleicht dieser erste Jahrestag.
Auch wir in der Redaktion wollen ausführlich an Rouven Laur erinnern. Wir haben mit seinen Freunden gesprochen; wir haben Persönlichkeiten der Stadt gebeten, ihre Gedanken zu formulieren. Wir haben an jedem letzten Freitag im Monat den Marktplatz im Bild festgehalten und dokumentieren damit dieses erste Jahr ohne Rouven Laur.
Der Marktplatz bleibt auch offiziell ein Ort des Gedenkens, die Bodenplatte mit drei Sternen als Erinnerung an Laurs Dienstgrad wird bei der zentralen Gedenkfeier übergeben. Die Schlichtheit dieses Steins symbolisiert, wofür Rouven Laur stand. Er war ein weltoffener Mensch, lernte Arabisch. Er hatte einen Beruf gewählt, der beschützt, was die Gesellschaft in ihrer Unterschiedlichkeit zusammenhält. Rouven Laur ging für den gesellschaftlichen Frieden und die freiheitlichen Werte der Demokratie zur Arbeit, gerade auch an jenem 31. Mai 2024, als eine islamkritische Bewegung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausübte.
Rouven Laur war die Mitte der Gesellschaft. Kein Prominenter, kein exponierter Amtsträger, sondern ein Gewissensmensch. Mannheim wird Rouven Laur nicht vergessen.
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Kommentar Rouven Laur, einer aus unserer Mitte
Ein Jahr nach dem Mord am Polizisten Rouven Laur in Mannheim sind die gesellschaftlichen Wunden nicht verheilt. Was kann Trost spenden? Ein Kommentar von Karsten Kammholz