Mannheim. Normalerweise brummt es in unserer Redaktion. Wir jonglieren mit Nachrichten, Texten und Fotos. Wir schreiben, diskutieren und versuchen, mit Leidenschaft für unsere Leser den besten Lokaljournalismus zu machen. Aber manchmal, da verstummen auch die erfahrensten Journalisten.
Was Petra und Eve Laur im Prozess um das Messerattentat vor Gericht ausgesagt haben, ist schwer zu ertragen. Was Juristen so nüchtern unter „Plädoyers der Nebenklage“ verstehen, ist nicht weniger als eine posthume Liebeserklärung von Mutter und Schwester an Rouven Laur, den Polizisten, der im Mai 2024 bei einer Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz getötet wurde. Dort, wo jetzt drei Sterne im Boden für immer die Wunde einer ganzen Stadt markieren, die der Tod des 29-Jährigen hinterlässt.
Rouven Laur war nicht nur Opfer, er war ein guter Zuhörer, eine Inspiration, ein Mensch.
Wir haben in unserer Redaktion darüber diskutiert, ob wir unseren Leserinnen und Lesern diese emotionalen Schilderungen zumuten dürfen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das nicht nur dürfen, es ist sogar unsere Pflicht.
Der Pressekodex fordert uns auf, die Opfer von Straftaten besonders zu schützen und auf unangemessene Darstellungen von Details eines Verbrechens zu verzichten. Menschen sollen nicht erneut zu Opfern gemacht werden. Dies ist unsere Richtschnur.
Und genau darum muten wir Ihnen die Schilderungen aus dem Gerichtssaal zu. Weil Rouven Laur nicht nur Opfer war, nicht nur Polizist, sondern Mensch. Ein guter Zuhörer und inspirierender Gesprächspartner, ein intelligenter junger Mann, ein fürsorglicher Familienmensch.
Manchmal ist die Realität so schwer zu ertragen, dass wir schreien oder wegrennen möchten. Als Journalisten haben wir noch eine Möglichkeit: zu beschreiben, was nicht sein darf und trotzdem Wirklichkeit ist, dass eine Schwester ihren Bruder und engsten Vertrauten verliert, dass eine Mutter ihr Kind begraben muss, dass ein junger Mann, der versprochen hat, uns zu beschützen, dabei sein Leben verliert. Das verändert nicht das Geschehene, aber es kann helfen, denen eine Stimme zu geben, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.
Eve Laur hielt die Hand ihres Bruders Rouven, als er starb
Messerattentat in Mannheim: Was an den letzten Prozesstagen stattfindet
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Schilderungen sind schwer zu ertragen – aber ein Muss
Im Mannheimer Marktplatzprozess haben Mutter und Schwester von Rouven Laur erzählt, wie der junge Polizist starb. Warum wir uns ihre Worte zumuten müssen, sagt Chefredakteurin Miriam Scharlibbe.