Zur Diskussion um die Nutzung der Tiefengeothermie wird uns geschrieben:
Mehr und mehr gewinnt man den Eindruck, die Energiewende für diese Region sei nur mit Tiefengeothermie zu schaffen. Die MVV bewirbt ihre Fernwärme, als sähe die Welt noch aus wie vor Jahrzehnten, als wäre Kohle zur Produktion der Wärme, die sich glänzend verkaufen lässt, endlos verfügbar.
Regionalpolitiker wie Andre Baumann und Ralf Göck bewerben und verfechten das durch den Gang der Ereignisse veraltete Geschäftsmodell der MVV mit Vehemenz – gegenläufige, sachlich begründete Meinungen werden abschätzig behandelt oder in den sozialen Medien kurzerhand gelöscht. Sie benutzen die hohe Zahl der zunächst von nur einem Anbieter abhängig gemachten Fernwärmekunden, um Druck nur in die eine Richtung zu machen. Ist das die Aufgabe unserer Politiker?
Tatsache ist: In unserer Region besteht durch das Fernwärmenetz eine unheilvolle Abhängigkeit von der Kohle, weil zirka 70 Prozent der eingespeisten Wärme vom Großkraftwerk Mannheim kommen, das in wenigen Jahren aus dem Lastbetrieb gehen muss. Jetzt noch mehr Haushalte ans Fernwärmenetz anzuschließen, ohne sicher zu wissen, woher die Wärme danach kommen soll, ist ein riskantes Spiel.
Die gleichzeitige Ablehnung einer Landesbürgschaft zur Senkung des Schadensrisikos für Immobilienbesitzer durch Tiefengeothermie durch Andre Baumann mit der Begründung, dies wäre unfair dem Steuerzahler gegenüber, ist grotesk. Wie fair ist es dann, die Risiken und Schäden den vielen Tausend Haushalten in der Region zuzumuten, die keine Fernwärmekunden sind und somit keinen direkten Nutzen davon haben? Und was sagt es aus über Baumanns Risikoeinschätzung?
In einem Punkt sind sich zumindest Baumann, Göck und ich einig: Die Energiewende wird und muss kommen – und zwar schnell sowie verlässlich geplant. Weitere wertvolle Zeit zu verlieren mit ebenso aufwendigen wie unsinnigen Geothermie-Erkundungen und -Bohrungen bremst uns dabei nur aus und verschleudert Ressourcen. Alle Beteiligten (Bevölkerung, Firmen, Politik) verlassen sich dann auf so eine „zentrale Lösung“, obwohl diese auf wackeligen Füßen steht. Am Ende stünden im schlimmsten Fall über 150 000 Haushalte ohne ausreichende Wärmeversorgung da, wenn sich herausstellen sollte, dass die Tiefengeothermie in unserer Region doch nicht hergibt, was versprochen wird.
Auch sind die dafür einzusetzenden Investitionsmittel unverhältnismäßig hoch und könnten wesentlich effektvoller eingesetzt werden, wenn man wirklich bereit wäre umzudenken und auch das zugrundeliegende Geschäftsmodell zu ändern.
Da informierten Kritikern der Tiefengeothermie gerne der Vorwurf gemacht wird, einfach nur dagegen zu sein und keine eigenen Lösungsvorschläge zu bringen, sei hier ein Vorschlag skizziert mit sofort umsetzbaren Maßnahmen, für die die Technologie vorhanden, gefahrlos und erprobt ist – im Gegensatz zur Tiefengeothermie.
Rational betrachtet: Für unsere Region ist die nächstliegende, effektivste und günstigste Energiequelle die Sonne. Dieselben Firmen, die hier bohren wollen (MVV und EnBW), könnten ihr Geschäftsmodell ändern und ihre Mittel in die Entwicklung eines modernen „virtuellen Kraftwerks“ (wie es einige Vorreiter am Energiemarkt bereits vormachen) stecken, wenn sie viele Dächer der Region pachten und Photovoltaikanlagen darauf installieren, die Hausbesitzer von den Investitionskosten und den bürokratischen Hürden entlasten und als Pachtzins an den Einnahmen beteiligen.
Man müsste also nicht nach riesigen Freiflächen für Photovoltaikgroßanlagen suchen und für andere Zwecke kostbare Flächen verbrauchen. Die Flächen stehen bereits zur Verfügung auf den Dächern der Verbraucher – ein riesiges, bisher noch kaum genutztes Potenzial der Region. Es bedarf nur der intelligenten Erschließung.
Wann kommt endlich das 100 000 Solardächerprogramm für die Region in Kooperation von E-Konzernen, Bund, Land und Region unter Federführung der E-Konzerne?
Ebenso könnten diese Firmen ihren heutigen Fernwärmekunden beim Umstieg auf zum Beispiel Wärmepumpenheizungen in jeweils passenden Varianten für Wohnhäuser kleinerer und mittlerer Größe helfen, ohne sie als Kunden zu verlieren. Entgegen häufig anzutreffender Vorurteile funktionieren diese auch in älteren Gebäuden sehr gut – teilweise schon seit über 15 Jahren hier in der Region und oft ganz ohne Erdbohrungen (als sogenannte Luft-Wasser-Wärmepumpen).
Der Wärmeverbrauch vor allem der restlichen, weiterhin von der Fernwärme abhängigen Haushalte wäre zu reduzieren – zum Beispiel durch Dämmmaßnahmen, Installation von Solarthermieanlagen, Modernisierung von Heizkörpern, Fenstern et cetera. Auch hierfür stehen schon Mittel der öffentlichen Hände zur Verfügung, die durch konzerneigene Mittel und vor allem auch durch individuelle Beratung und geeignete Bürokratiehilfen zu unterstützen wären.
Fazit: Auf diese Weise könnte der Gesamtwärmeverbrauch der Region und insbesondere des Fernwärmenetzes stark reduziert werden. Die Energiekonzerne könnten, selbstverständlich unter Inanspruchnahme der Fördergelder, den Bestand an Fernwärmekunden abbauen, ohne Kunden zu verlieren – im Gegenteil könnten sie ihren Kundenstamm überführen auf eine andere, nachhaltige, weit attraktivere Geschäftsgrundlage und sogar erweitern. Dann müsste auch niemand – weder Fernwärmekunden, noch Nichtkunden – Risiken für Schäden an ihren Häusern in Kauf nehmen.
Wie wäre es, wenn Staatssekretär Dr. Andre Baumann als Mitglied der Landesregierung in dieser Richtung aktiver wäre: Bürokratieabbau beziehungsweise -support, innovative und attraktivere Geschäftsmodelle entwickeln, um seine offensichtlich guten Firmenkontakte für solchen Wandel zu nutzen?
David Sommer, Brühl