3D-Seismik

Geothermie Brühl: Hat die Gemeinde genug gegen Geohardt-Untersuchungen getan?

Die Tiefengeothermie beschäftigt die Gemeinde Brühl – im Gemeinderat kam nun die Frage auf, ob genug gegen die Erlaubnis der Untersuchung durch die Firma Geohardt getan wurde.

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Stefan Kern
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In tiefen Schlaf versunken sind die beiden Bohrlöcher der einst geplanten Geothermie-Anlage im Brühler Süden. Doch sollte man nicht übersehen, dass selbst Dornröschen irgendwann einmal wachgeküsst wurde. © strauch

Brühl. Die jüngste Sitzung des Brühler Gemeinderates war fast zu Ende, als es in der Anfragenrunde bezüglich der Tiefengeothermie, genauer gesagt wegen der seismischen Untersuchungen durch die Firma Geohardt – ein Konsortium der Versorgungsunternehmen MVV Energie und EnBW – zu einem kleinen verbalen Schlagabtausch kam.

Bei dieser 3D-Erkundung wird der Untergrund mittels seismischer Wellen, die durch Vibrationsfahrzeuge ausgesendet werden, detailgetreu abgebildet. Das Signal wird an den unterschiedlichen Schichten im Boden reflektiert und von Messgeräten, den sogenannten Geophonen, aufgenommen. Somit erhält man ein dreidimensionales Abbild des Untergrunds. Wegen der Erschütterungen war es in der Region zu unterschiedlichen Beschwerden von Anwohnern gekommen.

Geothermie in Brühl: Verwaltung zu untätig?

Den Anfang bei der Diskussion im Finale der Gemeinderatssitzung machte Thomas Gaisbauer (CDU), der den Bürgermeister Dr. Ralf Göck fragte, was dieser gegen die Erlaubnis der Untersuchung durch die Firma Geohardt des Bergbauamtes Freiburg getan habe. Immerhin habe die Mehrheit im Brühler Gemeinderat diese Untersuchung des Untergrunds in der Kommune einfach nicht gewollt – wie ein entsprechender Ratsbeschluss vom November 2020 gezeigt hat.

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Brühl: Chronik der Geothermie-Anlage

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Bürgermeister Göck erklärte dazu, dass er im vergangenen Jahr natürlich Einspruch gegen die Erstellung der 3D-Seismik erhoben habe, das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau – das frühere Bergamt – in Freiburg die Erlaubnis zur Untersuchung aber trotzdem erteilt habe.

Für Gaisbauer, der zugleich im Vorstand der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie ist, war das, wie er betonte, zu wenig. Er hätte es gerne gehabt, dass die Gemeindeverwaltungen einen möglichen Klageweg gegen die Entscheidung der Landesbehörde geprüft hätte und damit wirklich jeder Hebel in Bewegung versetzt werde, um Geothermie in der Region zu verhindern.

Der gewaltige Bohrturm in Aktion.

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Auch von Bürgerseite kam zu diesem Thema Kritik an Geohardt. Wobei es in diesem Fall vor allem um die Kommunikation des Unternehmens im Vorfeld der 3D-Seismik ging. Einige Bürger fühlten sich vom Unternehmen, das sich ja Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat, nicht wirklich ausreichend über das Vorgehen informiert.

Geothermie in Brühl: Geohardt entschuldigt sich

Der im Ratssaal anwesende Geohardt-Geschäftsführer Matthias Wolf entschuldigte sich dafür, dass es da offensichtlich zu Problemen gekommen sei. Die Erlaubnis für die seismischen Untersuchungen sei erst kurz vor Weihnachten gekommen. Dabei sei die Kommunikation unter Druck geraten. „Wir waren da etwas hinterher, wofür ich mich nur entschuldigen kann.“ Es wurde festgestellt, dass Flyer teilweise erst nach der Durchführung der Messung verteilt worden seien – in anderen Gebieten habe es gar keine Informationen gegeben.

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Die seismischen Untersuchungen in Brühl seien inzwischen übrigens bereits abgeschlossen. Aber es gebe noch keinerlei Ergebnisse, da die entsprechenden Daten jetzt erst ausgelesen und dann ausgewertet werden müssten. Sämtliche Gerüchte über aktuelle Präferierung der Brühler Bohrlöcher entbehrten jeder Grundlage, so Wolf.

Geothermie in Brühl: Vier Schadensmeldungen

Zu möglichen Schadensereignissen bei Gebäuden, die bei der seismischen Untersuchung mit Rüttelfahrzeugen entstanden sein sollen, erklärte der Geohardt-Geschäftsführer, dass es in der Hufeisengemeinde vier gemeldete Vorfälle gebe, die jetzt zeitnah von den Gutachtern bearbeitet würden.

Hintergrund: Chronik der Tiefgeothermie in Brühl

  • 2004 wird von der Firma Geoenergy eine erste 3D-Seismik erstellt, mit der der Untergrund auf beste Gegebenheiten für die geothermische Nutzung untersucht wird.
  • Als Standort für das Kraftwerk kristallisiert sich ein Areal am südlichen Ortsrand heraus. Die beiden schräg vorangetriebenen Bohrungen sollen in 3800 Metern Tiefe bei Rohrhof und Ketsch ihren Endpunkt finden.
  • Bei der Geothermie-Anlage ist geplant, das heiße Wasser aus der Tiefe nach oben zu befördern, um über einen Generator Strom und Wärme zu erzeugen. Dann soll es wieder in den Untergrund gebracht werden.
  • So sollten über 30 Jahre bis zu acht Megawatt elektrische Energie produziert werden – genug, um 12 500 Vierpersonenhaushalte zu versorgen, erklärt Geoenergy 2006.
  • Ende 2008 wird der Bauvorbescheid zur Errichtung der Gebäude für das Geothermie-Kraftwerk vom Gemeinderat erteilt.
  • Wenige Monate später kommt es bei einem Geothermie-Projekt in Landau zu Erdstößen. Im Brühl bildet sich eine Bürgerinitiative gegen die Tiefengeothermie.
  • Die Firma Geoenergy erhält 2011 vom Bergamt in Freiburg die Bohrgenehmigung.
  • 2011 verweigert der Rat der Verlängerung der Bauvoranfrage für die Gebäude der Anlage die Zustimmung. Das Landratsamt sieht keine geänderte Sach- und Rechtslage – es setzt den Ratsbeschluss aus.
  • 2012 werden die Bau- und Bohrarbeiten begonnen.
  • Die ersten 3800 Meter tiefe Bohrung sowie Fündigkeitstests werden 2013 abgeschlossen. Die zweite Bohrung ist da 400 Meter tief.
  • Erste Tests verlaufen für Geoenergy in Bezug auf Druck und Temperatur des Wassers vielversprechend. Dennoch enden die Bauarbeiten im Frühjahr 2014.
  • 2015 kommt es vor Gerichten zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen Geoenergy und Gemeinde.
  • Im April 2015 meldet das Unternehmen Insolvenz an. Zwei Interessenten, die das Projekt übernehmen wollen, springen 2016 ab.
  • Laut damaligen Angaben von Geoenergy sind bis dahin 15 Millionen Euro investiert worden.
  • Im Herbst 2019 gibt das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau die Lizenz für das Feld „Hardt“ zu dem auch Brühl gehört, zur Neuvergabe frei. Es melden sich schnell mehrere Bewerber für diese Konzession.
  • Ende 2020 taucht in der Diskussion um die Erdwärmenutzung auch die Gewinnung von Lithium als Nebenprodukt auf.
  • Im November 2020 erklärt der Gemeinderat mehrheitlich, dass öffentliche Interessen durch eine Erkundung negativ berührt seien – eine Absage an die Investoren.
  • Im März 2021 erteilt das Bergamt Geohardt, einem Konsortium aus EnBW und der MVV Energie, dennoch die exklusive Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdwärme in der Region.
  • Geohardt will im rechtsrheinischen Gebiet zwischen Mannheim, Heidelberg und Reilingen mehrere Geothermie-Heizwerke bauen.
  • Im Dezember 2022 erhält das Unternehmen die Genehmigung für eine weitere 3D-Seismik.
  • Im Januar 2023 werden mit Rüttelwagen und Geophonen die Messungen in den Kommunen rund um Schwetzingen durchgeführt. Es kommt zu mehreren Beschwerden wegen der Erschütterungen.

Gerade in der Schar der Besucher, aber auch im Gemeinderat war die Ablehnung der Geothermie in Brühl an diesem Abend einmal mehr deutlich spürbar. Ein Besucher sagte dazu, dass Brühl für die Geothermie inzwischen „verbrannte Erde“ sei. Ob er diese Tatsache bedaure oder begrüße, führte er allerdings nicht weiter aus.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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