Ehrentag

"Die Frau Abgeordnete" Rosa Grünstein aus Altlußheim wird 75

Die langjährige SPD-Landtagsabgeordnete Rosa Grünstein aus Altlußheim feiert ihren 75. Geburtstag. In der Region ist sie noch heute, sieben Jahre nach ihrem Rücktritt, eine Anlaufstelle für für hilfesuchende Menschen.

Von 
Andreas Wühler
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Die langjährige Landtagsabgeordnete der SPD Rosa Grünstein feiert am heutigen Donnerstag ihren 75. Geburtstag. © Lenhardt

Altlußheim. Noch während ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete hat Rosa Grünstein einem Mann aus ihrem Wahlkreis helfen können, der sich vom Arbeitsamt ungerecht behandelt fühlte. Zu Recht, wie sie meinte, weshalb sie sich mit der Behörde in Verbindung setzte. Mit Erfolg, es wurde nochmals nachgerechnet und der Mann bekam das ihm Zustehende. Was Rosa Grünstein zugleich freut und mächtig ärgert. Ärgert, weil sie mit ihrem Titel „Landtagsabgeordnete“ Türen öffnen müsse, die eigentlich von selbst aufgehen sollten.

Immer noch wird sie von Menschen angesprochen, die ihre Hilfe brauchen, was sie freut, weil sie auch sieben Jahre nach ihrem Rückzug aus der Politik für viele Menschen noch „die Frau Abgeordnete“ ist. Und was sie weiterhin aus dem genannten Grund ärgert, auch der „normale Mensch“ müsse gehört werden.

Nach 16 Jahren im baden-württembergischen Landtag war 2016 Schluss

Auch wenn Rosa Grünstein nach 16 Jahren im baden-württembergischen Landtag 2016 nicht mehr zur Wahl antrat, so ist sie ein politischer Mensch geblieben, nimmt Anteil, engagiert sich. Und greift mit Energie Themen auf, die ihr wichtig sind. Mit einer solchen Energie, dass man kaum glauben möchte, dass sie am heutigen Donnerstag ihren 75. Geburtstag feiert.

Am Sonntagabend, dem Ende des ihr bevorstehenden Feiermarathons, werde man ihr ihr Alter ansehen, scherzt Grünstein im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei sprühen ihr Augen voller Tatkraft und strafen ihre Worte Lügen, die Vorfreude ist ihr anzumerken, denn Rosa Grünstein ist nicht nur ein politischer, sie ist auch ein sozialer Mensch, bestens vernetzt und mit einem großen Freundeskreis.

Als Beispiel sei die Schwetzinger Mozartgesellschaft erwähnt, deren Vorsitzende sie seit vier Jahren ist. „Das beste Ehrenamt, das man mir je angetragen hat“, schwärmt sie von der tollen Truppe, dem großen Zusammenhalt bei den Mozartfreunden. Weshalb die Vorstandssitzung mit acht wichtigen Tagesordnungspunkten ungeachtet des Geburtstages heute bei ihr stattfindet. Platz hat sie genug, stellt Grünstein fest. Kaffee und Kuchen sind fest eingeplant und ein Gläschen Sekt nach getaner Arbeit darf nicht fehlen.

Rosa Grünstein schätzt die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart sehr

Doch es ist nicht nur die „grandiose Kultur“, die ihr durch Mozart vermittelt wird, die sie an der Gesellschaft schätzt, es ist deren Zusammenhalt. „Es macht so viel Spaß“, umreißt sie die Zusammenarbeit, die in der Corona-Zeit noch intensiviert wurde. Schon früh sei klar gewesen, man wolle die Konzerte weiterführen. Unter den bestehenden Auflagen konnte nur jeder dritte, vierte Platz besetzt werden – an eine Kostendeckung war nicht zu denken. Weshalb alle die Ärmel hochgekrempelt hätten und alles selbst ge-stemmt haben: von der Kasse bis zur Garderobe. „Mir ist das Herz aufgegangen“, schildert die Jubilarin, der das Gremium „unheimlich wichtig ist“.

Weshalb für sie klar war, einen besseren Einstand in ihren Geburtstag könne es nicht geben als mit dem Vorstand der Mozartgesellschaft. Was zum einen zeigt, dass Rosa Grünstein noch immer offen für Neues ist und Gemeinschaft lebt. Menschen um sich zu haben, ist ihr wichtig, was auch für den Freitag gilt, wenn die ehemalige AsF-Kreisvorsitzende ihre „SPD-Mädels“ zum Feiern begrüßt. Samstags wird dann mit denen von „weiterweg“ gefeiert, sonntags mit Freunden und Verwandten aus der Nähe.

Wenn es etwas gibt, was in ihren Augen den Freundeskreis toppt, dann ist es die Familie. Die stolze Großmutter ist kaum zu bremsen, wenn sie von ihren Enkeln spricht, die in Bonn, Berlin und Braunschweig leben. Den Berlinern hat sie zum zehnten Geburtstag einen Besuch in Disneyland geschenkt, der nun mit der üblichen Corona-bedingten Verzögerung umgesetzt wurde. Rosa Grünstein, die einige Jahre in Amerika gelebt hat, Disneyland oder Seaworld noch von den Anfängen her kennt, ist vom Pariser Park schwer beeindruckt – allemal eine Reise wert, meint sie, auch wenn sie über 36 Euro für einen Hamburger noch immer den Kopf schütteln kann.

Während der Corona-Zeit gab Rosa Grünstein ihren Enkeln Fernunterricht

Ihre Berliner Enkel haben sie auch über die Corona-Zeit gerettet. Zusammen mit den Bonner Großeltern übernahm sie den Fernunterricht, von Mathe bis Kunst. Und dreimal in der Woche die Enkel via Bildschirm zu sehen, hat ihr diese näher gebracht, als in der Zeit zuvor.

Natürlich, sinniert sie, ein Privileg, nicht alle Kinder haben die technischen Voraussetzungen und Bezugspersonen für diese Art des Unterrichts – „bestimmt sind viele durchs Raster gefallen“. Da ist er wieder, der politische Mensch, der sich über Ungerechtigkeiten ereifern kann, dem bewusst ist, dass Corona für viele Familien eine Katastrophe war, die Politik hier gefordert ist.

Doch eine Rückkehr auf die politische Bühne schließt sie für sich aus, auch im kommunalen Bereich. Wenn sie AfD-Politiker im Landtag sprechen hört, dann ist sie froh, diesem nicht mehr anzugehören. Zumal sie aus Gesprächen mit den Abgeordneten des hiesigen Wahlkreises, zu ihrem Nachfolger Daniel Born hat sie ein ausgesprochen herzliches Verhältnis, weiß, wie schwierig die Arbeit geworden ist.

Bürokratie lässt Rosa Grünsteins Blutdruck noch heute steigen

Nein, am Landtag vermisst sie eigentlich nur die informativen Reisen, die sie Länder und Menschen auf eine Weise kennenlernen ließen, wie es der Tourist nie erlebt, und die ihr die Erkenntnis vermittelten, dass man sich hierzulande jeden Tag selbst ein Bein stellt, Stichwort Bürokratie. Wenn sie diese am Thema Windkraftanlagen festmacht, dann steigt ihr Blutdruck.

Warum? Weil ihr Herz noch immer für die Politik schlägt, sie Anteil nimmt. Ob Trump, „gehört hinter Gitter“, Putin, „ein Killer“, oder die AfD, „die haben sich noch nie beweisen müssen“, hofft sie auf deren baldige Demaskierung, zu allem hat sie eine Meinung, mit der sie nicht hinterm Berg hält. Weshalb sie schon einmal vom Verfassungsschutz gewarnt wurde, ein potenzielles Opfer der Rechten zu sein, „jüdische Wurzeln und sich um Flüchtlinge kümmern“, was sie jedoch nicht verstummen lässt. Nur keine Angst haben, betont sie, „das ist das Erste, was sie wollen“.

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Und was sie noch vermisst, das sind die fraktionsübergreifenden Frühstückstafeln – „danach ging es gut gelaunt in den Landtag“. Worin wieder das Motiv der Gemeinschaft anklingt. Eine Gemeinschaft, die sie in den nächsten Tagen intensiv leben wird. Ein Schatten liegt über der Freude – ihr langjähriger Weggefährte und Freund Dieter Beil, „ein aufrechter Demokrat“, fehlt ihr. Silvester ohne ihn, ohne seine Ideen, ist ihr noch nicht vorstellbar.

Doch unterm Strich steht ein dickes Plus, stellt sie mit Blick auf ihren großen, liebevoll gepflegten Garten, fest. „Ich bin ein sehr zufriedener Mensch“ hält sie fest, freut sich über ihren „guten Nachfolger“ Born, ihren großen Freundeskreis, die wunderbare Familie und ihre Gesundheit. „Alles andere ist Luxus“, und auf den kann man verzichten, stellt die Jubilarin Rosa Grünstein fest und lenkt den Blick auf ihre nächsten Pläne und Reisen – auch eine „Ruheständlerin“ hat einen vollen Terminkalender.

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