Altlußheim. „Gestern wurden die Kirschbäume in der Kirschenstraße von einer Fachfirma im Auftrag der Gemeinde geschnitten. Während der Blüte – wie kann das passieren? Keine Nahrung für die Bienen und kein schöner Anblick“, schrieb uns eine Leserin, nach eigenen Angaben „sehr sauer“.
Wir haben Bürgermeister Uwe Grempels mit dem Sachverhalt konfrontiert, der diesen bestätigte. Die Verwaltung habe eine Fachfirma damit beauftragt, die Kronenpflege bei rund 150 Bäumen, verteilt über die gesamte Gemarkung, vorzunehmen. Bei dieser Firma hat sich der Bürgermeister kundig gemacht und eine Auskunft erhalten, nach der eine Pflegeschnitt zum aktuellen Zeitraum unproblematisch ist.
Kirschbäume in Altlußheim während der Blüte gestutzt: Zeitpunkt ist richtig
In dem uns vorliegenden Schreiben heißt es unter anderem, dass es laut Experten empfehlenswert sei, Schnittmaßnahmen an Bäumen während der Vegetationsperiode durchzuführen. Dies habe den Hintergrund, dass der Baum im Winter keine Photosynthese betreiben könne, sämtliche Nährstoffe im Stamm und den Wurzeln eingelagert seien. Betreibe man zu dieser Zeit Schnittmaßnahmen, könne der Baum nicht reagieren, könnten sich Pilzsporen auf den Wunden ablagern, die zu Fäulen führen könnten. Schneide man hingegen in der Vegetationsperiode, stünden dem Baum schon Nährstoffen zur Verfügung, um einen Wundverschluss mit lebenden Zellen zu aktivieren und es würden ein Großteil der Pilzsporen durch den Saftdruck ausgespült.
Hinsichtlich der abgeschnittenen Blüten macht der Fachmann eine andere Rechnung auf: Hätte er im Winter geschnitten, wäre der Austrieb im Frühjahr um 20 Prozent geringer ausgefallen. Jetzt, nach der Schnittmaßnahme in der Vegetationsperiode, fehlten auch rund 20 Prozent der Blüten – rechnerisch kein Unterschied. Und das abgeschnittene Material können noch Insekten dienen, bis es am Ende der Maßnahme in den Häcksler kommt.
Und natürlich, so der Fachmann, gehe man nur in Bäume, in denen keine Vögel brüten. Diese Bäume wie die Wohnstätten anderer schützenswerter Tiere seien Tabu.
Eine Meinung, die der Biologe und BUND-Experte Uwe Heidenreich teilen kann. Grundsätzlich, so merkte er an, seien Pflegeschnitte nach dem Naturschutzgesetz auch nach dem 1. März erlaubt: „wenn sie notwendig sind“. Hinzu kommt, der Schnitt dürfe nicht zu drastisch ausfallen und müsse verhältnismäßig sein.
Kirschbäume in Altlußheim während der Blüte gestutzt: „Ein Abwägungsprozess“
Nach Sicht einiger Bilder, die wir ihm übermittelten, stellt er fest, dass dies im vorliegenden Fall zutreffe. Er spricht von einem guten Erziehungsschnitt, der dem Baum genügend Masse gelassen habe. Und das auf dem Boden liegende Material könne noch von Insekten genutzt werden.
In der Summe spricht Heidenreich von einem Abwägungsprozess, der gerade noch für den Schnitt spreche. Seien die Bäume stärker belaubt, würden vermehrt Vögel in ihnen nisten, würde er seine Zustimmung verweigern.
Zu dem Vorfall hatte sich auch die Fraktion der Grünen gemeldet. Deren Sprecher Dr. Holger O. Porath spricht von einem befremdlichen Vorgang: „Durch unseren Antrag wird seit Jahren in Altlußheim kostenfrei Blühsaatgut für die Bevölkerung abgegeben. Und hier werden Dutzende von Bäumen mit Tausenden von Blüten sprichwörtlich abgeholzt“, hätte er sich ein sensibleres Vorgehen seitens der Verwaltung gewünscht.
Zwar kann Porath die Argumente des Fachmanns durchaus nachvollziehen, doch hat in seinen Augen die Gemeinde auch eine Vorbildfunktion. Weshalb sich die Grünen dafür aussprechen, den Kronenschnitt künftig wieder früher anzusetzen, um solche Diskussionen zu vermeiden. Auf jeden Fall, so Porath, werde die Fraktion am Ball bleiben.
Womit man als Fazit festhalten kann, dass einerseits die Bürger sehr wohl darauf achten, wie mit der Natur umgegangen wird, andererseits die Fachleute wissen, was sie tun, und man dem Ratschlag der Grünen folgen sollte. Auch wenn Biologe Heidenreich mahnend hinzufügt, dass sich der Beginn der Vegetationsphase künftig immer weiter zum Jahresbeginn hin verlagern wird. Eine Folge des Klimawandels.
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