Brühl. Bis heute ist Weihnachten noch vor Ostern und Pfingsten das wichtigste der drei christlichen Hochfeste in jedem Kirchenjahr. Auch wenn die Austrittszahlen hoch sind und an normalen Sonntagen viele Kirchenbänke leer bleiben – Weihnachten ist für viele Menschen trotzdem das Fest, bei dem ein Kirchgang dazugehört. Vom Krabbelgottesdienst für die Jüngsten bis hin zur spätabendlichen Christmette wurden daher an Heiligabend und Weihnachten von beiden Konfessionen zahlreiche Gottesdienste in der Hufeisengemeinde angeboten.
Die evangelische Kirchengemeinde feierte an Heiligabend insgesamt vier Gottesdienste. Um 15 Uhr starteten die in der Kirche mit der Krabbelweihnacht für Kinder im Krippen- und Kita-Alter, den Pfarrerin Melanie Börnig zusammen mit einem Team von ehrenamtlichen Helfern vorbereitet und durchgeführt hatte. Später folgte in einem Familiengottesdienst das Krippenspiel der „KirchenKids“, die bisher unter dem Namen Jungschar firmierten, aber auch weiterhin unter der Leitung von Sylvia und Ekke Spindler eine Weihnachtsgeschichte in der evangelischen Kirche erzählten.
Das Krippenspiel trug den Titel „Der dritte Engel“. Im Mittelpunkt stand ein kleiner Krippenspielengel, der sich nicht in die Kirche traute, weil er seinen Text vergessen hatte. Wie sollte er den Gottesdienstbesuchern erklären, was an Weihnachten so schön ist, wenn er sich selbst nicht mehr erinnern konnte?
Also streifte der Krippenspielengel durch die Straßen von Brühl und begegnete verschiedenen Menschen, anhand deren Geschichte er zu verstehen lernte, um was es an Weihnachten vor allem geht: „Ob ich lache oder weine, Gott ist immer bei mir!“
Wie fühlt sich das Fest an?
Bei diesem Familiengottesdienst und auch bei der traditionellen Christmette am späten Abend war Pfarrer Marcel Demal liturgisch verantwortlich. Bei der Mette hieß es: „Be-Sinnliche Weihnachten!“ Wie kaum ein anderes Fest spreche Weihnachten alle Sinne an, stellte der Seelsorger in dem gut besuchten Gottesdienst fest. Und so versuchte er die Fragen zu beantworten, wie sich Weihnachten anhöre, wie es aussehe, wie es sich anfühle, wie es rieche und schmecke. Der Gottesdienst nahm die Gemeinde mit auf eine sinnlich-besinnliche Reise, auf der sie sich das Wesen von Weihnachten neu erschließen durfte.
Zuvor hatte an Heiligabend im evangelischen Gemeindezentrum am Nachmittag die Christvesper stattgefunden, die von Pfarrerin Börnig gestaltet wurde. Bei allen Gottesdiensten wurde in den Kirchen das Friedenslicht aus Bethlehem verteilt, das die Brühler Altpfadfinder zuvor den Pfarrern überreicht hatten.
„Wo finden wir dieses Kind, das ,Licht der Welt‘?“, zitierte der katholische Pfarrer Erwin Bertsch bei der Feier zur Heiligen Nacht in der Rohrhofer Michaelskirche aus dem Johannesevangelium. Der Seelsorger hatte eine Laterne mitgebracht und erzählte zwei Geschichten dazu. Die erste handelte von Diogenes, dem schrulligen griechischen Philosophen. Einmal – so werde berichtet – sei er am hellen Tag mit einer brennenden Laterne durch die Straßen gelaufen. Die Leute lachten ihn aus, aber er hielt ihnen die Laterne entgegen und sagt: „Ich suche einen Menschen!“
„Ich suche – so deute ich diesen Satz – einen, der wirklich Mensch ist; der so ist, wie ich mir den wahren Menschen vorstelle. Ich suche einen, der mir zeigt und vorlebt, wie echtes, überzeugendes Menschsein aussehen kann“, erklärte Bertsch. Mit der Laterne habe Diogenes angedeutet, dass er genau hinschauen, dass er alles ausleuchten wolle.
Die zweite Laternengeschichte hatte der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche aufgeschrieben. Er hat die Figur des „tollen Menschen“ erfunden. In ihr zeige Nietzsche, wie es in ihm selbst aussah, was er gedacht und gefühlt habe, was er wollte und worunter er litt. Dieser „tolle Mensch“ entzündete am hellen Vormittag eine Laterne, lief damit über den Markt und rief: „Ich suche Gott!“ Diese Laterne sei ein Symbol für die Ahnung Nietzsches, dass dieser Gott im Verborgenen aufgespürt werden müsse, dass er oft an den dunkelsten Stellen zu finden sei.
Behutsam wie bei einem Baby
Im Weihnachtsgottesdienst predigte Diakon Heiko Wunderling in der Schutzengelkirche. Bei allen aktuellen Krisen, Kriegen und Sorgen drifte die Gesellschaft immer mehr auseinander. Die Ansichten und Meinungen zu den einzelnen Themen stünden immer mehr gegeneinander. Es würden Gruppierungen und Lager auf der einen, wie auch auf der anderen Seite entstehen.
Das Wort Gottes an Weihnachten sei aber ein einziges. Es laute Menschwerdung. Im kleinen schutz- und hilflosen Kind in der Krippe komme Gott zu den Menschen. Genau dies greife Gott auf, „um uns seine Liebe und Nähe mitzuteilen; direkt und unmittelbar möchte Gott uns nahe sein. Nicht vereinnahmend, nicht aufdrängend, sondern, wie bei einem Baby, behutsam und liebevoll.“
In der Familienkirche gab es ein Krippenspiel, das von den Chorkindern mitgestaltet wurde, außerdem ließ die Kantorei ihre Stimmen erklingen.
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