Brühl. Das Unternehmen Geohardt, ein Joint Venture der Energieversorger EnBW und MVV, will heißes Tiefenwasser aus dem Oberrheingraben nutzen und so über Geothermie-Anlagen „Grünes“ in die Wärmeversorgung bringen. „Für Mannheim und die Region wird die Fernwärmeversorgung bis spätestens 2030 auf 100 Prozent grüne Energiequellen umgestellt“, heißt es dazu von der Tochtergesellschaft. Demnächst soll dafür die 3D-Seismik starten (wir berichteten).
In einer zweiten öffentlichen Informationsveranstaltung gab das Projektteam einen Überblick über den aktuellen Stand der Erkundung. Die virtuelle Veranstaltung mit Vertretern der ausführenden Firmen stieß in eineinhalb Stunden nur auf geringes Interesse, in der Spitze hatten nicht mehr als 19 Teilnehmer den Einwahllink zur Übertragung angeklickt. Ebenso mau sah es bei den Fragen aus. Moderatorin Dr. Antje Grobe ermutigte die Zuhörer zwar immer wieder, ihre Anliegen in den Chat zu tippen, doch echte Fragen blieben aus.
Suche nach Wasserautobahnen
MVV-Projektleiter Matthias Wolf erklärte die geologische Besonderheit des nördlichen Oberrheingrabens für die Erzeugung CO2-freier Wärme. Nach geologischen Voruntersuchungen waren drei Potenzialgebiete innerhalb der genehmigten Aufsuchungsfläche identifiziert worden. In einem davon sucht das Unternehmen nun geologische Bohrziele für eine Standortauswahl aus. In etwa 3500 Metern Tiefe verlaufen wasserführende Schichten mit einer Wassertemperatur von bis zu 160 Grad Celsius. „Wir suchen die Wasserautobahn im Untergrund“, sagte EnBW-Projektleiter Stefan Ertle und ging auf die Umsetzung der Seismik-Kampagne ein. Im November wolle man beginnen. Bei den Messungen würden an über 6000 Punkten mittels Vibrationsfahrzeugen seismische Signale in die Tiefe angeregt.
Geologe Dr. Thomas Kölbel ging auf die Geothermie-Anlage in Bruchsal ein, die, zunächst als Forschungsanlage konzipiert, mittlerweile in Betrieb ist: „Eine sehr ruhige Anlage.“ Die durch Geohardt geplante Blaupause werde mit Bruchsal als hydrothermale Geothermie-Anlage in vielen Punkten übereinstimmen. In Bruchsal, die Anlage produziert auch noch Strom und hat eine Bohrtiefe von 2500 Metern, sei noch nie Seismizität durch die Anlage gemessen worden. Geohardt, die Bohrtiefe soll 3000 bis 4000 Meter betragen, verfolge „die Lokalisierung natürlicher Tiefenwasservorkommen im Aufsuchungsgebiet, um diese in einem geschlossenen Kreislauf für die Fernwärmenetze nutzbar zu machen“.
Das Projekt befindet sich immer noch in der ersten Phase, in der es um die geologischen Eigenschaften geht. Im zweiten Schritt kümmern sich die Experten um Schutzgebiete und die vorhandene Infrastruktur. Nach der Priorisierung der besten Standorte und der Entwicklung des Zielstandorts gemeinsam mit den jeweiligen Kommunen soll in der dritten Phase die Erdwärme für das Wärmenetz nutzbar gemacht werden. Das vielversprechendste Potenzialgebiet verläuft auf den Gemarkungen von Mannheim, Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt, Heidelberg und Oftersheim.
Zurzeit weniger belastend
Die Experten schilderten die geologischen Eigenschaften im Aufsuchungsgebiet und erläuterten das geologische 3D-Modell für die Festlegung der am besten geeigneten Flächen. Vor der Identifizierung der geologischen Bohrziele müssen noch alle notwendigen Genehmigungen zur Durchführung 3D-seismischer Messungen eingeholt werden, erklärte Andreas Johnen, Abteilungsleiter Liegenschaften, Kreuzungen und Genehmigungen in der DMT Group. Die Zustimmungen betreffen Straßenverkehrsrecht, Bahn, Autobahn, Deichaufsicht und Forst sowie in der Landwirtschaft die Zutrittsberechtigungen für Beregnungsanlagen, Sonderkulturen wie Spargel und vieles mehr. „Zurzeit sind wir noch weniger belästigend unterwegs“, meinte der Jurist. Beim sogenannten Permitting wird die Erlaubnis zum Betreten von Grundstücken, Feldern und Waldflächen bei den jeweiligen Eigentümern und Behörden eingeholt.
Vibrationsfahrzeuge unterwegs
Eine Frage zielte auf das Interview in unserer Zeitung am Dienstag, 12. Oktober, mit dem Geologen Andreas Rietbrock ab, der erklärt hatte: „Jede Energieform birgt ihre Risiken. Wie wir jetzt wissen, müssen wir nach allen möglichen Energieformen suchen, um uns unabhängiger zu machen. Da kann die Geothermie einen wichtigen Beitrag leisten.“ Der Geophysiker vom Karlsruher Institut für Technologie habe mit dieser Sichtweise recht, bestätigte Kölbel.
Diplom-Geophysiker Dr. Andreas Schuck vom Unternehmen Geophysik und Geotechnik Leipzig informierte über die anstehende 3D-seismische Hauptmessung und stellte die 20 bis 26 Tonnen schweren Vibrationsfahrzeuge mit den Rüttelplatten vor. Die über 6000 kabellosen Geophone und die dazugehörigen Registriereinheiten nehmen die Reflexionen auf. Die Kosten für etwaige Schäden auf Wegen oder im Gelände würden übernommen, versicherte Schuck.
Aus dem Netz kamen keine weiteren Fragen. Karlheinz Bechler, der Leiter Team Gesellschaft aus Karlsruhe, erläuterte, welche Verbote es in den Schutzgebieten gibt und welche Flächen ausgespart werden, wenn die Seismik-Kampagne beginnt. Bei der Umweltplanung müssen Verordnungen und Managementpläne der Schutzgebiete sowie Informationen über Artenvorkommen ausgewertet werden. Die ökologische Baubegleitung sei bei der Konzeption und Durchführung der 3D-Seismik besonders wichtig, meinte Bechler.
Matthias Wolf fasste zusammen. MVV und EnBW legten besonders großen Wert darauf, die beteiligten Kommunen, Bürger sowie Träger öffentlicher Belange ausführlich und regelmäßig zu informieren. Stefan Ertle verwies noch einmal auf die Beteiligung von politischem Begleitkreis und Fachbeirat. Am Donnerstag, 27. Oktober, ab 18 Uhr findet ein weiteres Experten-Hearing im Dialogforum zum Projekt Geohardt statt. Die vertretenen Zufallsbürger befragen Experten zu verschiedenen Aspekten der Geothermie. Die Befragung wird live über das Internet übertragen.
Info: Der Einwahllink kann unter www.geothermie-hardt.de abgerufen werden.
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