Schutzengel - Gotteshaus steht unter dem Patronat der geflügelten Himmelswesen / Seit fast 130 Jahren zieren sie die Wände rechts und links des Altarraums

Brühl hat eine von wenigen Schutzengelkirchen in Deutschland

Von 
Ralf Strauch
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Brühl. An Engeln mangelt es der katholischen Kirchengemeinde in Brühl und Rohrhof erkennbar nicht. Schon die Kirchen stehen ganz unter dem Patronat der Himmelswesen. So ist die Rohrhofer Kirche dem Erzengel Michael geweiht. Im Christentum gilt er als Bezwinger des Teufels in Gestalt des Drachen sowie als Anführer der himmlischen Heerscharen. Während er in vielen Gotteshäusern der Namensgeber ist, finden sich Kirchen, die den Heiligen Schutzengel geweiht sind, eher selten.

„Ich habe von einer Schutzengelkirche auch zum ersten Mal gehört, als ich mich damals mit meiner neuen Pfarrei Brühl beschäftigt habe“, gesteht Pfarrer Erwin Bertsch im Gespräch mit unserer Zeitung. Und tatsächlich findet man im deutschsprachigen Raum im Internet vorrangig die Kircheneinträge für Brühl, Eichstätt, Gräfendorf und Gaukönigshofen.

„Vielleicht haben die Verantwortlichen beim Bau und der Weihe der Kirche Ende des 19. Jahrhunderts den Namen ausgewählt, weil sie mit ihrer Schutzengelkirche etwas ganz Besonderes haben wollten“, meint der heutige Seelsorger. Dabei hatten zu dieser Zeit Engel im Zuge eines naturwissenschaftlich-rationalen Weltbildes massiv an Bedeutung verloren.

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Sabine Geschwill
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Und auf den Einwand, dass es den Erzengel in der Bibel gibt, nicht aber die Schutzengel, wiegt Bertsch sein Haupt. „Das stimmt so nicht ganz“, erklärt er und verweist auf Raphael, der im Buch Tobit des Alten Testaments auftaucht. Da hört der Engel das Gebet von Tobias, dem Sohn des Tobit. Der Junge muss eine Reise unternehmen. Auf die Suchanzeige in Gebetsform meldet sich ein kräftiger Mann, der den Jungen wohlbehalten zum Reiseziel geleitet. Und dieser Mann ist Raphael, damit wird er zu so etwas wie dem Urbild des Schutzengels.

„In vielen Autos findet sich neben der Christophorusmedaille auch ein Bild von Raphael, der als schützender Reisebegleiter gilt“, fügt der katholische Pfarrer hinzu und verweist darauf, dass auch in seinem Fahrzeug beide Bilder über ihn wachen. Mit Erfolg, wie Bertsch meint. Erst vor wenigen Tagen sei der Pfarrer knapp eine Kollision mit einer Straßenbahn entkommen, berichtet Bertsch im Gespräch. „Da habe ich auch direkt gedacht, dass ich einen guten Schutzengel haben muss.“

Enorme Anziehungskraft

Schutzengel haben enorme Anziehungskraft, ist der Seelsorger überzeugt. Das hänge damit zusammen, dass sich Menschen den Mächten schutzlos ausgeliefert fühlen. Das könnte Naturkatastrophen oder von Menschen gemachte Bedrohungen – wie eben im Straßenverkehr – sein, so Bertsch. Insbesondere in Situationen, bei denen man spüre, dass man nicht alles selbst in der Hand habe und Sehnsucht nach Schutz bestehe, kämen Schutzengel zum Tragen. Sie stünden für eine positive Macht, die größer sei und schütze.

Doch macht Bertsch auch auf einen Punkt aufmerksam: Die Bezeichnung Engel sei dem Griechischen Begriff angelos entliehen. Und der bedeute schlicht Bote. So tauchen in der Bibel die Engel zumeist als Wesen auf, die eine wichtige Botschaft zu übermitteln haben. Ein Beispiel ist der Erzengel Gabriel – er ist der Schutzengel der Israeliten – der Maria die frohe Botschaft des Herrn überbringt, dass ihr ein Sohn geboren werde. „Da steht die Botschaft im Mittelpunkt, nicht der Überbringer“, relativiert der Pfarrer die Bedeutung der Engel ein wenig, „wenn ich einen Brief bekomme, sehe ich ja auch nicht den Postenboten wichtiger als den Brief an, aber ohne den Boten bleibt mein Briefkasten leer.“

Eine Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Forsa ergab einmal, dass rund zwei Drittel aller Deutschen an Schutzengel glauben. Der Benediktinermönch Anselm Grün hat auf jeden Fall zu ihrer Popularität beigetragen. Für ihn gibt es ganz selbstverständlich die schützenden Engel. Er sagt dazu in einem Interview: „Ein Engel kann ein Impuls sein, ein Engel kann auch ein Mensch sein, der im richtigen Moment da ist. Ein Engel kann ein Wort sein, das mir auf einmal aufgeht.“

Engel werden weltweit hoch geschätzt. Neben dem Christentum finden sie sich auch bei den beiden anderen abrahamitischen Religionen, dem Islam und dem Judentum. Im Buddhismus werden sei unter dem Namen Bodhisattvas verehrt. Auch die Menschen der Antike kennen sogenannte Schutzgeister.

Der Glaube an Engel erfährt zurzeit ungeahnten Zuspruch. Inflationär tauchen Schutzengel in der Esoterik auf. Diese esoterische Engelverehrung sieht in ihnen vor allem eine Quelle der Kraft, des persönlichen Schutzes und der ganzheitlichen Heilung. Dort werden sie dargestellt, als könnte man mit ihnen telefonieren.

Dieses Überangebot im Engelsglauben stößt beim Pfarrer der Schutzengelkirche aber nicht unbedingt auf Begeisterung. Denn, so hebt Bertsch noch einmal hervor: „Wichtiger als der Bote ist die Botschaft.“

Redaktion

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