Brühl. Die Hufeisengemeinde gehört zur Kurpfalz – schon immer. So mag mancher im Brustton der Überzeugung verkünden, wenn er nach der herrschaftlichen Wurzeln des Ortes gefragt wird. Allerdings ist das nicht ganz die Wahrheit, denn die Kurfürsten ließen ihre Fahne erst 1423, also nach Silvester vor 600 Jahren, über einem Teil Brühls flattern. Bis dahin gehörte die Gemeinde mit Mann und Maus zum Herrschaftsbereich der Speyerer Fürstbischöfe. Aber, mal ehrlich, 600 Jahre Zugehörigkeit sind dann doch auch schon eine ordentliche Zeitspanne.
Bereits 1423 hatte der damals regierende Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz, wenige Jahre bevor er zum Kreuzzug ins sogenannte Heilige Land aufbrach, ein Viertel von Brühl für relativ wenig Geld als Jagdgebiet für sein Land erworben. Am Leumund und der religiösen Orientierung des Pfalzgrafen und Kurfürsten aus dem Hause Wittelsbach gab es für den bis dahin in Brühl allein herrschenden Speyerer Fürstbischof Raban von Helmstadt im Grunde keinen Zweifel.
Der „Pfaffentrost“ kauft sich ein
Immerhin hatte Ludwig als Reichsrichter 1415 in Konstanz das Urteil wegen Häresie über den Kirchenkritiker Jan Hus gesprochen und ihn verbrennen lassen. Aus diesem Grund erhielt der ergraut aus Palästina zurückgekehrte Kurfürst später auch den Beinamen „der Pfaffen-trost“. Kurfürst Ludwig war hochgebildet und religiös sehr engagiert. An der Heidelberger Universität kam es ihm darauf an, dass die Fächer der theologischen, der philosophischen und der juristischen Fakultät gefördert wurden und ihre Stellen keine Belohnung minderfähiger Professoren bedeuteten. Außerdem ging es ja nur um ein Viertel des unbedeutenden Weilers, der größte Teil verblieb schließlich bei Speyer.
Wahrscheinlich finden sich wegen dieser Zugehörigkeit zum Bischofssitz die Brühler Farben im Ortswappen, denn Blau und Weiß stehen eher für das Fürstbistum, die Kurpfalz wird zumeist mit Schwarz und Gold des Kurpfälzer Löwen verbunden.
Doch rund anderthalb bis zwei Jahrhunderte später wurde es dann doch problematisch. Der Grund war Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz. Er hatte sich 1583 den Kurhut, also die Hermelin verbrämte Krone, aufgesetzt und war ein überzeugter Lutheraner, der aber bereits als Kind von seinem Vormund zum Calvinismus gedrängt worden war. Sein Sohn Friedrich V. stellte sich ab 1610 als Kurfürst sogar umgehend an die Spitze der Protestantischen Union im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Brühl, besser gesagt jeder Einwohner, war spätestens damit zu einem Viertel streng reformiert, zu drei Vierteln klar katholisch.
Doch wie sah Brühl damals aus? Es war ein kleines Dorf mit wenigen Häusern. Allerdings, so belegen die Akten von 1617, war „es mit Inwohnern wohl besetzt gewesen“.
Kein ärmliches Dorf
Und diese Einwohner zeigten sich arbeitsam, zumindest lässt das die für ein Dorf recht hohe Steuerbewertung der Behörden vermuten. Sie belegten den Ort, dem Schultheiß Hanß Georg Schirmer zu dieser Zeit bis einige Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg vorstand, mit einem Schätzungskapital von satten 4500 Gulden. Zum Vergleich: Ein Pfarrer erhielt in jener Zeit ein Jahreseinkommen von etwa 70 Gulden. Man konnte am Vorabend der Kriegswirren also in Brühl — ganz anders als im eindeutig kurpfälzischen Rohrhof — durchaus von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen sprechen.
Doch politisch und religiös saßen die Brühler zwischen allen Stühlen. Sie mussten zwei Herren huldigen, dem protestantischen Kurfürsten und dem katholischen Bischof. Eine Situation, die regelmäßig für Streit und Ungemacht sorgte – natürlich auf dem Rücken der einfachen Bevölkerung im Ort.
Die Streitigkeiten nahmen im 17. Jahrhundert immer weiter zu, die beiden Fürsten rangen scheinbar um jeden Untertanen, jeden Rechtsfall, jeden Heller, der an Strafe einging. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kurfürsten und dem Bischof, wobei sich die Pfälzer Seite durchaus aggressiver zeigte. Sie verstand es auch besser, durch festes Zupacken und handgreifliche Mittel Stück für Stück neue Rechte bis hin zur kompletten niederen Gerichtsbarkeit an sich zu bringen. 1653 stellte der Schwetzinger Güterverwalter, Ezechias Weiß, dennoch fest, „dass die Brühler [...] nit gutt Pfältzirch sondern alle ins gesampt, als Ertz Papisten den Bischofflichen Anhangen thun.“ Die Brühler folgten also mehr dem Bischof als dem Kurfürsten.
Streit zwischen Kurhut und Mitra
Beide Herrscher schaukelten sich mit ihren Steuern und Abgaben in Brühl gegenseitig hoch. Die Belastung ging so weit, dass selbst das speyerische Oberamt Bruchsal befürchtete, dass „die Leuth daß Ihre zu quittieren, hauß Vndt hooff zu Verlaßen vndt endtlichen den orth gahr Lehr stehen zu lassen bendthräng sein würden“, man müsse des „ohn aufpleiblichen ruins def Orthß Brühl gewärtig sein“.
Über 27 Jahre konnten sich Kurhut und Mitra nicht auf einen gemeinsamen Schultheißen für den Ort einigen, so sehr fürchteten beide vom jeweils anderen über den Tisch gezogen zu werden. Zur Wende ins 18. Jahrhundert hatten die Brühler die Nase voll. Sie forderten 1707 unter Führung des neu gewählten Schultheißen Sebastian Moser, dem Wirt des „Karpfen“, klare Verhältnisse, ansonsten würden sie mit Kind und Kegel das Dorf verlassen. Das schien zu wirken, denn 1709 war Bischof Johann Hugo von Speyer des ewigen Haders müde. Er trat seine Brühler Rechte im Tausch gegen Landbesitz auf dem Koller an Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz ab. Der Ort gehörte hoheitlich fortan mit all seinen vier Vierteln zur Kurpfalz.
Allerdings nur bis 1803. Mit der Ratifikation des Reichsdeputationshauptschlusses verlor die Kurpfalz 1803 den gesamten linksrheinischen Besitz an den Markgrafen von Baden. Das bedeutet, dass die Brühler im Grunde „nur“ 380 Jahre Kurpfälzer waren und inzwischen 220 Jahre Badener.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl_artikel,-bruehl-bruehl-steht-seit-600-jahren-im-zeichen-des-loewen-_arid,2032698.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html