Von Ralf Strauch
Brühl. Die Pandemie mit ihren unterschiedlich strengen Lockdowns fordert von den Menschen viel Kraft. Gewohntes, mit dem der Einzelne in seinem Leben ansonsten zum Alltagsstress Ausgleich schaffen kann, muss vielfach unterbleiben. Und so sind die Menschen auf andere Momente des Innehaltens angewiesen, um Kraft für das seelische Gleichgewicht tanken zu können. Ein beliebtes Hilfsmittel dabei sind Kraftorte.
Das sind Stellen im näheren Umfeld, an denen man sich geborgen fühlt. Viele, die man fragt, antworten spontan, dass sie sich in ihrem Zuhause oder ihrem Garten einen solchen Kraftort geschaffen haben. Statt in Urlaub zu fahren, geben die Deutschen Geld aus, um ihr Heim gemütlich einzurichten. „Cocooning“, also das Einigeln im Zuhause, ist das Wort der Stunde.
Ruhe oder Lebendigkeit
Doch Kraftorte finden sich auch außerhalb der eigenen vier Wände. Esoterisch gesehen ist ein Kraftplatz ein Ort, an dem ganz besondere Energieströme fließen, aufeinandertreffen und sich gegenseitig verstärken, die von Menschen durchaus - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - wahrgenommen werden können. Für Druiden, Schamanen oder Priester früherer Zeiten war es ganz normal, bestimmten Orten magische Eigenschaften zuzuschreiben. Sie wurden zu Orten der Verehrung, die teilweise noch heute sehr geschätzt werden. Und sicherlich erinnern sich viele Leser noch an den Versuch einer örtlichen Gruppe, vor fünf Jahren auf einer Wiese mit vermeintlich keltischer Vergangenheit bei Rohrhof einen Steinkreis zu errichten. Aus der Sache wurde nichts - sie stand unter keinem guten Stern.
Aber auch heute noch haben die meisten Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld Stellen, an denen sie zu sich finden können, sich geborgen fühlen und emotionales Kapital für den Alltag sammeln. Dort halten sie sich gerne auf, rastlose Gedanken verfliegen und man fühlt eine wohltuende Lebenslust in sich. Das müssen nicht unbedingt Orte der Stille sein, die wohl die meisten Menschen in stressigen Situationen suchen, manche brauchen dann auch den Kontakt zu ihren Mitmenschen, wollen Leben um sich herum spüren, kommunizieren. Das ist allerdings in Zeiten von Corona kaum möglich.
Jeder Mensch nimmt die Energie eines Ortes anders wahr. Ausschlaggebend ist, dass er sich dort wohlfühlt, seine Gedanken zur Ruhe kommen. Orte der Kraft spenden so Energie beziehungsweise setzen diese in den Menschen frei - ganz individuell mit oder ohne Esoterik.
Wir haben einige Brühler gefragt, wo ihre persönlichen Kraftorte in der Gemeinde sind. Die Antworten fielen ganz unterschiedlich aus.
Gerhard Zirnstein (68), Vorsitzender der Kolpingfamilie: „Mein Kraftort ist mein Kleingarten. Es macht mir Freude, die Entschleunigung dort zu erleben, wenn alles um mich herum wächst und reift. Man kann sich dort in Ruhe auf andere Dinge als sonst konzentrieren. Aber es ist auch die körperliche Arbeit, die mir Abwechslung von Alltag bietet. Wenn ich mich im Garten richtig auspowern kann, fühle ich mich hinterher körperlich einfach wohler. Und natürlich ist es herrlich, am Ende etwas Tolles zu ernten.“
Isabelle Reffert (15), Jugendgemeinderätin: „Ich bin gerne auf dem Rollschuhplatz beim Steffi-Graf-Park. Es ist einfach schön, da auf den Steinen zu sitzen und Freunde zu treffen. Aber es ist nicht nur dieses Kommunikative. Für mich hat dieser Ort auch eine tolle Atmosphäre. Es ist ruhig dort und trotzdem sind Menschen um einen herum im Park unterwegs. Dazu kommt, dass ich in diesem Bereich von Brühl meine Kindheit verbracht habe - da sind viele schöne Erinnerungen.“
Tamara Rill (43), Jugendwartin des Turnvereins: „Mich zieht es zur Erholung immer gern in die Wiesen am Rhein - da hat man es nicht weit hin und kann in unmittelbarer Nähe Energie tanken. Ein besonderer Erholungsort ist da für mich das Bootshaus des Wassersportvereins, in dem ich auch Mitglied bin. Es liegt so toll am Rhein. Dort zu sein und das Wasser zu beobachten, sorgt bei mir für innere Ruhe.“
Wolfram Gothe (67), Vorsitzender der Interessengemeinschaft der örtlichen Vereine: „Mein Lieblingsplatz, um Kraft zu tanken, ist eine der Bänke bei den Rohrhofer Anglerseen. Ich kann dort unheimlich gut relaxen - einfach in der Sonne sitzen, die Natur hören, riechen und beobachten, also mit allen Sinnen genießen. Ich gehe dort fast jeden Tag spazieren und erst kürzlich habe ich auf der Bank gesessen, als ein Schwanenpaar ganz nah an mich herankam. Das ist einfach ein schöner, friedlicher Moment gewesen. Das ist ein ganz besonderes Labsal für meine Seele.“
Bärbel Hennl-Goll (54), eine Hälfte unseres Literarischen Duetts: „Ich habe zwei persönliche Kraftorte gefunden - einen im Schwetzinger Schlossgarten, der andere ist meine Buchhandlung in Brühl. Schon als es vor einigen Jahren darum ging, den Laden zu übernehmen, war ich mir sicher, dass es dort gut für mich ist. Und noch immer ist das Betreten des Raumes für mich wie ein Ankommen. Ich fühle mich hier heimelig und gut aufgehoben. Ich habe keine Ahnung, woher dieses ganz besondere Gefühl an diesem Ort kommen mag, aber hier ist mein absoluter Wohlfühlort.“
Lothar Ertl (70), früherer Hauptamtsleiter und Kulturbeauftragter der Gemeinde: „Mein Kraftort ist mein Zuhause mit dem Garten. An einem öffentlichen Ort bin ich gern im Skulpturengarten der Villa Meixner, der liegt mir eigentlich schon immer, seit wir begonnen haben, ihn zu gestalten, am Herzen. Es ist eine schöne Mischung aus Natur und Kunst. Mich fasziniert auch, dass dieser Skulpturengarten solch ein Ruhepol ist - mitten in einem Bereich der Gemeinde, in dem eigentlich viel los ist. Und das geht nicht nur mir so. In der warmen Jahreszeit kann man oft Menschen beobachten, die durch den Garten flanieren oder auf den Bänken sitzen und den Augenblick genießen.“
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