Brühl. Nach und nach kommt Licht ins Dunkel. Für immer mehr der ehemals 276 Real-Standorte zwischen dem nordrhein-westfälisch Aachen und dem brandenburgischen Wildau steht die Zukunft fest. Die einen schließen die Pforten für immer, die anderen werden von anderen großen oder kleinen Einzelhandelsketten übernommen und weitergeführt. Für viele Standorte werden inzwischen klare Aussagen gemacht.
Gilt das für alle Real-Märkte in Deutschland? Nein! In einem von Kurpfälzern bevölkerter Ort hören die Investoren nicht auf, dem Informationsfluss Widerstand zu leisten. Was Brühl betrifft, herrscht allerorts Schweigen im Walde. Und das, obwohl von Real noch vor wenigen Wochen eine Entscheidung für Anfang März erwartet wurde, wie wir damals auf Nachfrage in der Unternehmenszentrale erfahren hatten.
Welche Informationen gibt der Real-Eigentümer SCP preis?
Am ehesten kann man noch mit dem Ausschlussverfahren etwas über die Zukunft dieses Standortes mutmaßen. Allerdings werden auch diese Vermutungen vom Real-Eigentümer SCP oder den jeweiligen Unternehmen weder bestätigt, noch dementiert. Man beruft sich darauf, dass über möglicherweise laufende Verhandlungen Stillschweigen vereinbart wurde. Da herrscht auf dem ansonsten vom harten Konkurrenzkampf geprägten Segment des Einzelhandels ein überraschender Schulterschluss. „Es gibt noch keine kommunizierbare Entscheidung“, lautet das Mantra bei Real. Für die Mitarbeiter in Brühl bleibt die Übernahme somit eine emotionale Achterbahnfahrt mit einem zurzeit noch ungewissen Ausgang.
Bleibt Edeka als potenzieller Erwerber des Standorts Brühl nach der jüngsten Entscheidung des Kartellamtes im Rennen?
Edeka dürfte künftig wohl nicht als großer Schriftzug über dem Gebäude im Gewerbegebiet Trautmannswald stehen. Warum? Nach einer Entscheidung des Bundeskartellamts steht seit Mitte der Woche fest, dass Edeka, statt der vom Unternehmen gewünschten 72 Real-Filialen nur 51 übernehmen darf. 45 Märkte können ohne Auflagen der Wettbewerbshüter an Edeka gehen, bei sechs müssen Teilflächen für mindestens ein Jahrzehnt an andere Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels verpachtet werden beziehungsweise dort benachbarte Edeka-Märkte müssen schließen. Die übrigen 21 Standorte, die Edeka gerne übernommen hätte, können aufgrund von wettbewerblichen Bedenken des Bundeskartellamts nicht an das Unternehmen gehen. Auf der Liste dieser 51 künftigen Edeka-Märkte ist Brühl aktuell nicht vermerkt. „Und diese Liste ist ja bislang auch nur eine Wunschliste von Edeka“, betont ein Unternehmenssprecher von Real auf Nachfrage unserer Zeitung, „ob die ausgewählten und genehmigten Standorte dann auch wirklich Edeka-Märkte werden, muss erst noch verhandelt werden“. Es könnten sich also noch Verschiebungen ergeben.
Zeigt Globus noch Interesse an diesem Standort?
Es ist der zweite Name, der für den Brühler Markt immer wieder gehandelt wird: Globus. Einem internen Schreiben zufolge, dass es in die Hände der Fachpresse geschafft hat, soll die Globus-Kette eine Übernahmevereinbarung für 16 Real-Märkte getroffen haben – darunter wohl auch für den in Mannheim-Vogel-stang. Doch der Schwerpunkt der Globus-Übernahmen wird wohl vor allem in Nordrhein-Westfalen liegen. Ende April würden diese 16 Märkte demnach das firmentypische Orange-Grün erhalten.
Aber es gibt auch die unbestätigte Information, dass es seitens Globus zur Übernahmen weiterer Real-Standorte noch eindeutigen Gesprächsbedarf geben soll. Bis zu 24 Märkte dürfen es laut Bundeskartellamt für Globus am Ende sein. Welche das sind und vor allem, ob Brühl dabei ist, bleibt noch immer unklar. Gemessen an den bisherigen 47 SB-Warenhäusern von Globus, ermöglicht die genehmigte Übernahme jedenfalls nennenswerte Expansionsmöglichkeiten für das Unternehmen.
Wer könnte noch als potenziell künftiger Betreiber des Brühler Marktes in Frage kommen?
Der Mittelständler Kaufland, der mit einem Markt ja in Schwetzingen vertreten ist. 25 Märkte übernimmt diese Kette laut bisherigen Verlautbarungen unter ihrem Namen, einige sind bereits umgewidmet, wie der in Edingen-Neckarhausen, die restlichen sollen im April mit dem neuen Namen an den Start gehen.
Doch das Bundeskartellamt hat kurz vor Weihnachten den Erwerb von bis zu 92 Real-Standorten durch die Kaufland-Gruppe unter Bedingungen freigegeben – da ist also noch Luft nach oben. „Wir wollen für die Verbraucher dort, wo sie einkaufen, genügend Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Lebensmittelhändlern erhalten“, heißt es aus dem Bundeskartellamt. Und da dürfte es auch eine Rolle spielen, dass Kaufland Teil der Schwarz-Gruppe ist, zu der auch die Lebensmitteleinzelhandelskette Lidl gehört.
Die Wettbewerbshüter hatten bereits mehrfach bekundet, dass sie bei der Vergabe der Real-Märkte noch mehr Mittelständler berücksichtigen wollen. Zur Lösung wettbewerblicher Bedenken hat auch der Real-Eigentümer SCP angeboten, einen Teil der Standorte an weitere mittelständische Einzelhandelsunternehmen zu veräußern. Dadurch könnten für Mittelständler mehr Real-Filialen abfallen als zunächst vor einem Jahr erwartet. Und so gibt es auch die unbestätigten Gerüchte, Delta-Markt wolle mit dem Brühler Real expandieren. Dieses Unternehmen, das ein Geschäft in der Rohrhofer Straße in Mannheim-Rheinau, also quasi in der Nachbarschaft, betreibt, ist Kunden aus der Region vorwiegend wegen seiner russischen Spezialitäten bekannt.
Wie sieht es mit der Scheck-Gruppe aus?
Er taucht in der Gerüchteküche wieder wie eine alte Zutat auf, die bei den Überlegungen vieler Fachleute inzwischen schon in die hinterste Ecke des Küchenschranks gerutscht war: Adolf Scheck – bis 2016 Aufsichtsratsvorsitzender der Edeka-Gruppe. Sein Name war schon einmal vor zwei Jahren sehr konkret im Zusammenhang mit der Übernahme des Brühler Real-Marktes genannt worden.
Sein 1946 gegründetes Familienunternehmen betreibt zwischen Achern und Frankfurt insgesamt 14 Lebensmittelmärkte, darunter zwei Filialen in Mannheim sowie jeweils eine in Heidelberg und Weinheim – sie laufen unter der Firmierung „Scheck-In-Center“ , „Nah & gut“ sowie Marktkauf. Doch da wird es kartellrechtlich wieder interessant, denn Scheck-In ist Teil des Edeka-Verbundes.
Müssen die Brühler Real-Mitarbeiter noch die Schließung des Marktes fürchten?
„Es gibt derzeit zu unserem Markt in Brühl keinen neuen Sachstand“, bekräftigt ein Real-Unternehmenssprecher auf unsere konkrete Nachfrage. Der Betrieb laufe daher unverändert weiter, wiederholt er sich. In jedem Fall liege aber das Hauptaugenmerk aller Verfahrensbeteiligten darauf, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Doch die Liste der Schließungen ist noch nicht zu Ende geschrieben, heißt es in der Fachpresse. Manche Entscheidung könnte sich demnach noch bis September des laufenden Jahres hinziehen – gemäß der bisherigen Erfahrungen mit Terminen bei der RealÜbernahme, dürfte es allerdings ganz gewiss noch länger dauern.
„Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ Das ist der Satz, für den der Philosoph Sokrates heute berühmt ist. Und im Fall der Übernahme des Brühler Real-Standorts beweist die philosophische Erkenntnis aus der Antike ihre nach wie vor bestehende Gültigkeit.
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