Geburtstag

Der Brühler Hellmuth Gawron wird 107 Jahre alt

Der Brühler Hellmuth Gawron feiert an diesem Freitag seinen 107. Geburtstag. Vor einem Jahr veröffentlichte er sein Buch „Die verlorene Generation“.

Von 
Noah Eschwey
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Seinen 107. Geburtstag feiert Hellmuth Gawron an diesem Donnerstag. Er lebt aktuell in der Seniorenwohnanlage Schütte-Lanz-Park. © eschwey

Brühl. Er freue sich, wenn er Besuch bekommt, sagt Hellmuth Gawron, der im Seniorenwohnen Schütte-Lanz-Park in Brühl lebt: „Ich mag es aber auch, wenn dann wieder Ruhe ist.“ Heute erwartet ihn wohl eher Ersteres – der ehemalige Finanzchef der Kliniken Schmieder feiert nämlich seinen 107. Geburtstag.

Schwarze, blitzsaubere Lackschuhe, ein weißes Hemd und ein dunkelgrauer Anzug: Hellmuth Gawron hat sich blenden auf den Besuch des Journalisten vorbereitet. Die weltmännische und schillernde Persönlichkeit des Buchautors erfüllt den Raum – sogar noch nach 107 Lebensjahren. Und auch seinen Humor hat er nicht verloren: „Die müssen sie sich schon selbst überlegen“, antwortet er scherzhaft, aber pointiert auf die Frage, ob er den Lesern dieser Zeitung eine Botschaft mitgeben wolle.

Hellmuth Gawron: Ein Leben voller Geschichten

Am Donnerstag, 29. November 1917, ungefähr gegen 6.30 Uhr, wurde Hellmuth Gawron geboren. Nicht zu Hause, wie es zu dieser Zeit üblich war, sondern bei seinen Großeltern. „Wir waren ja noch im Ersten Weltkrieg“, begründet er in seinem ersten Buch „Die verlorene Generation“. Erst im vergangenen Jahr, mit 106 Jahren, veröffentlichte er das Werk, das Einblicke in sein Leben der Jahre 1917 bis 1945 ermöglicht.

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Seine frühesten Kindheitserinnerungen? „Das müsste die Lungenentzündung gewesen sein“, erinnert sich der Senior. Die Ärzte hätten sich nicht mehr zu helfen gewusst, schreibt er in seinem Buch: „Da soll mich ein Hausmittel gerettet haben: Man machte mir kalte Wickel mit Essigwasser.“

Vom Soldaten zum Finanzexperten: Gawrons Karriereweg

Mit 19 Jahren, 1937, habe sich Hellmuth Gawron freiwillig als Soldat für den Zweiten Weltkrieg gemeldet. „Ein Jahr später wäre ich sowieso eingezogen worden“, weiß der Rentner, der in seinem Buch beschreibt, dass er den zweijährigen Pflichtwehrdienst schnell hinter sich bringen wollte, um beruflich voranzukommen. „Ich ahnte damals nicht, dass der ganze Wehrdienst eine – fast – unendliche Geschichte werden sollte“, heißt es weiter. Den Zweiten Weltkrieg hatte Gawron nicht in seiner Lebensplanung vorgesehen – immerhin wollte er eigentlich Nachrichtenmann werden, wie er schreibt. Und doch marschierte er, wie unzählig viele seiner Kameraden, am 1. September 1939 in Polen ein.

Hellmuth Gawron und seine Ehefrau Ruth zusammen mit Sohn Sigud auf einem Fami-lienfoto von 1953. © Garwon

Seine Frau heiratete er 1940 in ihrem Heimatort Ratibor in Schlesien – das ist das heute polnische Racibórz. 1945 sei er von der Front auf den Weg in den Beheimatungsurlaub gewesen, als er von russischen Truppen umzingelt und gefangen genommen wurde. Im Jahr 1949, weitere vier Jahre später, nahm der Krieg mit der Freilassung aus der Gefangenschaft endlich auch für den damals 32-Jährigen ein Ende. Darum geht es in seinem Buch aber nicht mehr.

Rückkehr nach Deutschland und beruflicher Erfolg

Als er nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurück in das gebeutelte Deutschland kam, sei er sehr enttäuscht gewesen – von den vielen Lügen, die den Soldaten erzählt wurden: „Davon wollte ich in meinem zweiten Buch erzählen. Das Manuskript habe ich auf große Blätter geschrieben, leider ist es nicht fertig geworden, bevor mein bisheriger Verleger schwer krank wurde.“

Nur durch einen Zufall sei er nach seiner Kriegsgefangenschaft bei einer Fabrikantenfamilie in Oberuldingen am Bodensee gelandet. „Dort habe ich Kunststoffteilchen verarbeitet.“ In dem Ort habe er dann auch gemeinsam mit seiner Frau Ruth ein Haus gebaut. „Das habe ich später an meinen Sohn verschenkt. Leider ist er allerdings früh an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstorben.“

Später habe er in verschiedenen Firmen gearbeitet und sich vor allem durch seine ausgeprägten Finanzkenntnisse einen Namen gemacht: „Ich habe mich lange mit Kostenrechnung aus Amerika beschäftigt. So konnte ich zum Beispiel rausfinden, dass in einer Firma, in der ich arbeitete, sechs Prozent Gewinn verloren ging.“ Über Umwege sei er erst zum Haushaltswaren-Hersteller Leifheit gekommen, später wurde er Finanzchef bei den Kliniken Schmieder. „Meine Aufgabe war es das Geld zu beschaffen, das habe ich zur Freude aller gerne gemacht“, sagt der bescheidene Senior zu dieser Zeit.

Familie als Lebensinhalt: Gawrons größte Freude

Immer wieder nimmt sich Gawron Zeit, um über die Fragen nachzudenken und seine Antworten abzuwägen. Nur eine Frage beantwortet der Senior blitzschnell – die Frage nach dem Schönsten, was er in den vielen Jahren erlebte: „Das Schönste? Meine Frau! Und natürlich mein Sohn.“ Kurze Zeit später erzählt er sichtlich stolz von seinem ersten Urenkel, der unter anderem in Südafrika studierte und sein Studium mit Bestnoten abschloss und von seinem zweiten Urenkel, der in diesem Jahr seinen Handwerksmeister als Jahrgangsbester abgeschlossen hat. Und davon, dass er mit seinen Verwandten am Samstag in Schwetzingen essen gehe.

Vielleicht ist das auch die Botschaft für die Leser dieser Zeitung, die sollte sich der Autor dieses Textes ja selbst überlegen. Denn bei allen Erfolgen und Misserfolgen, die Hellmuth Gawron erlebte, bleibt für ihn nach wie vor seine Familie das Wichtigste.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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