Brühl. „Niemand unternimmt etwas dagegen!“ Der Hausbesitzer in Rheinau-Süd wendet sich stinksauer an unsere Zeitung. Seit der Schließung des Real-Marktes im Brühler Norden werde der Parkplatz nachts als Renn- und Poserstrecke missbraucht, erklärt der Anwohner. „Das ist ein Skandal. Der Parkplatz mutiert zum rechtsfreien Raum“, stellt der Mann fest – seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, weil er unter anderem Probleme mit den nächtlichen Besuchern befürchtet.
In den sommerlichen Nächten liege regelmäßig ein Geruch von verbranntem Gummi in der Luft, während der Sound von quietschenden Reifen den der dröhnenden Musik aus Richtung des Real-Parkplatzes sogar noch überlagere. Immer wieder sei eine Karawane von übermotorisierten und aufgemotzten Autos auf das Areal gerollt. Dann werde gedriftet, geposed und gezeigt, was die Karosse so alles hergibt.
Eine andere Frau aus dem an das Areal des Einkaufszentrums angrenzenden Wohngebietes zeigte sich couragiert. Sie ging nachts auf den Parkplatz und wollte die Autochaoten zur Rede stellen. „Mir schlugen Hohn, Beleidigungen und verbale Drohungen entgegen“, erinnert sie sich. Anwohner können dem Treiben der uneinsichtigen PS-Fans also kein Einhalt gebieten. Da wird rücksichtslos Lärm gemacht. Beim Driften geben die Fahrer so weit Gas, dass sich die Antriebsräder durchdrehen und die Autos auf dem Asphalt des Parkplatzes mit quietschenden Reifen Kreise drehen, bis diese qualmen. Die Filmreihe „Fast & Furious“ lässt dann grüßen – nur eben nicht auf der Leinwand, sondern in direkter Nachbarschaft von Menschen, die ihre Ruhe haben wollen.
Das Tempo bei dem sinnlosen Fahren ist nicht hoch, auch wenn die Motoren laut röhren. Man kann da nicht von illegalen Rennen sprechen. „Die finden aber auch statt“, meint ein Anwohner, der, wie er versichert, auch schon vergeblich versucht hat, über Bundes- oder Landtagsabgeordnete das Problem zu lösen.
Ordnungsamt nicht zuständig
Zuvor hatte der Mann sich bereits an das Ordnungsamt Brühl gewandt, das er für zuständig wähnte. Doch er erhielt aus dem Rathaus die gleiche Antwort wie wir auf unsere Anfrage. „Das ist Privatgelände, da dürfen wir gar nicht drauf ohne die Genehmigung des Eigentümers“, stellt Ordnungsamtsleiter Jochen Ungerer fest.
Und wenn die Autos den Parkplatz verlassen und sich wieder auf öffentlichem Raum befinden, sind dem Vollzugsdienst des Ordnungsamtes ebenfalls die Hände gebunden. „Es ist uns nicht erlaubt, in den fließenden Verkehr mit Kontrollen einzugreifen – das ist alleiniges Recht der Polizei“, teilt Ungerer mit.
„Das ist alles sinnlos: Bis die Polizei kommt, sind die Störenfriede wieder weg“, meint der Anwohner resigniert, „wir haben doch schon oft genug auf dem Revier angerufen“. Polizeisprecher Dennis Häfner bestätigt die Aussagen des Anwohners. „Tatsächlich sind zuletzt mehrere Anrufe wegen Ruhestörung im zuständigen Neckarauer Revier eingegangen“, bilanziert er mit Blick auf die Berichte, „doch bis unsere Streifenwagen dort zur Nachschau eingetroffen waren, war niemand mehr auf dem Parkplatz“.
Drei Punkte helfen da den PS-Rowdies: Sie sind jeweils nur relativ kurz auf dem Gelände, weil ihnen offensichtlich bewusst ist, dass ihr Tun nicht unbemerkt bleiben wird. Sie haben, wie Anwohner berichten, oftmals andere Raser rund um die Zufahrtsstraßen postiert, die Schmiere stehen und frühzeitig vor der Polizei warnen. Und drittens genießen Ruhestörungen keine Priorisierung bei der Polizei. Das heißt, in solchen Fällen eilen nicht sofort mehrere Streifenwagen mit Blaulicht herbei, sondern einzelne Einsatzfahrzeuge, die dann im günstigesten Fall in der Nähe unterwegs sind, rücken an, wenn nicht andere wichtigere Aufgaben anstehen – davon gibt es genug.
Einsatztruppe unterwegs
Gleichwohl ist der Polizei die Problematik bewusst – so hat die spezielle Einsatztruppe „Poser“ des Mannheimer Präsidiums in jüngster Zeit ihre Tätigkeit über das Stadtgebiet hinaus auch in den Rhein-Neckar-Kreis ausgeweitet. Und die Polizei kann dann auch die lautstarken Fahrer in ordnungswidrig aufgemotzten Autos vergraulen, wenn sie diese nicht mehr auf dem Parkplatz, sondern auf der Straße anhalten und kontrollieren. Für so manchen Poser brachte es schon unangenehme Folgen mit sich, wenn sein Gefährt wegen der Umbauten nicht mehr als verkehrstauglich galt. Doch der Bereich Mannheim und Rhein-Neckar-Kreis ist groß und hat viele Poser-Treffpunkte – die Ermittlungsgruppe kann nicht überall sein.
Insgesamt seien immer wieder die gleichen Fahrer vor Ort, berichten Anwohner. Derjenige, der in diese „Lebensphilosophie“ viel Geld und Zeit investiert, dem falle es offensichtlich schwer, sich nicht zu zeigen und vor Gleichgesinnten produzieren zu wollen.
Warum ist die Schranke offen?
„Warum wird dann nicht einfach die Schranke zum Parkplatz geschlossen?“, fragt der Anwohner im Gespräch mit unserer Zeitung, „die Vorrichtungen sind doch vorhanden – dann wäre endlich Ruhe“. Zuständig dafür sind der Eigentümer beziehungsweise der Pächter des Areals. Wir fragen also nach bei der für diese Immobilie in Sachen kaufmännische und technische Betreuung verantwortlichen Hahn-Immobilien-Beteiligungsgesellschaft, die in Bergisch Gladbach sitzt.
Dort bedauert Unternehmenssprecher Marc Weisener die Belästigung der Nachbarn, von denen sein Unternehmen, wie er betont, bisher noch keine Kenntnis gehabt habe. Doch von uns auf den Lösungsansatz des Beschwerdeführers mit der Schranke angesprochen, wird er nachdenklich. Wie auch die Polizei verweist er darauf, dass das Areal im Notfällen – etwa einem Brand – für die Feuerwehr zugänglich sein muss.
Und dann laufen ja bereits die Bauarbeiten von Edeka als künftigem Pächter, der das Haus in den kommenden Monaten zum Scheck-In-Center umgestalten will. Deshalb sind auch das aktuell komplett fensterfreie Gebäude selbst und Teile des Parkplatzes davor inzwischen mit Absperrgittern gesichert. Eine dauerhaft geschlossene Schranke würde die Zufahrt auch von Handwerkern erschweren. Und einen Mitarbeiter vor Ort, der regelmäßig die Schranke öffnen und schließen könnte, habe das Unternehmen schlicht nicht.
Doch nachdem unsere Zeitung ihm die Situation der Anwohner geschildert hat, will die Hahn-Immobilien-Beteiligungsgesellschaft mit den Vertretern von Edeka, dem Mutterunternehmen der Scheck-In-Gruppe, Rücksprache halten, um „so schnell wie möglich eine Lösung zu finden“, beteuert Weisener.
Allerdings gibt es noch ein Argument gegen die dauerhafte Schließung des Platzes: So befindet sich dort am Rande des Parkplatzes ein Autohändler, den man ja nicht von seinen Kunden abschneiden will. Es werde aber definitiv eine Lösung geben, verspricht Weisener. „Da fällt mir persönlich Goethe ein: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ meint die Nachbarin erkennbar ernüchtert. Doch einen Trost haben die Anwohner, nachdem die sommerlichen Abende ihre Auftritte an einen regnerischen Herbst übergeben haben, scheint es ruhiger auf dem Parkplatz geworden zu sein. „Doch ruhiger heißt nicht ruhig“, so der genervte Rheinauer.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl_artikel,-bruehl-der-ehemalige-real-parkplatz-in-bruehl-ist-treffpunkt-fuer-poser-_arid,1999766.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl.html