Brühl. Ordnungsamtsleiter Jochen Ungerer steht vor dem Mülleimer in den Schwetzinger Wiesen und schüttelt den Kopf. „Ich kann das einfach nicht verstehen“, sagt er und weist mit der Hand auf das von Unrat überquellende Metallbehältnis an einem Wanderweg hin. Zwar steht dieser Mülleimer – wie seine „Kollegen“ – auf Gemarkungsfläche der Großen Kreisstadt, doch um die Arbeitsabläufe zu vereinfachen, übernimmt die Gemeinde Brühl die Leerung dieser Mülleimer im Landschafts- und Naturschutzgebiet vor der eigenen Haustür.
Und da hat sie einiges zu tun. Freizeiteinrichtungen, Fitnesszentren und Schwimmbäder sind im Lockdown geschlossen. Deshalb seien viel mehr Menschen in ihrer Freizeit draußen in der Natur unterwegs – und manche davon hinterlassen dabei jede Menge Müll, weiß Ungerer zu erzählen. „Vor Corona war eine Mitarbeiterin des Bauhofs einmal pro Woche unterwegs, um die Mülleimer und Hundekotstationen zu leeren“, sagt er, inzwischen sind es zwei Mitarbeiter, die jeden Tag mit ihrem Fahrzeug in den Wiesen, Auwäldern und Feldern rund um Brühl aktiv sind.
Personal ist verdoppelt
Denn die Mitarbeiter des Bauhofs müssen nicht nur die tagtäglich überquellenden Mülleimer leeren – oft sammeln sie auch im großen Umkreis um Bänke und Parkplätze den Dreck aus der Natur, den rücksichtslose Zeitgenossen dort verteilen. „Der Höhepunkt war, als wir beim Übungsgelände der Freiwilligen Feuerwehr am Rhein einmal rund 70 leere Weinflaschen aus den Büschen holen mussten“, erinnert sich Ungerer. „Die können unmöglich vor Ort konsumiert worden sein“, mutmaßt er. Deshalb zeigt er auch überhaupt kein Verständnis für diese Umweltfrevler. „Die leeren Flaschen hätte man genauso gut kostenlos in einen der Altglascontainer werfen können – was ist nur mit den Menschen los, die ohne jedes Argument unsere wunderschöne Natur rund um Brühl so zumüllen.“
Und dann bricht er eine Lanze für diejenigen, die bei solchen Vorkommnissen schnell ins Visier genommen werden. „Es sind nicht unbedingt die Jugendlichen, die sich so verhalten“, weiß er aus Erfahrung zu berichten. Oft seien es Familien mit kleinen Kindern, die mitten im Naturschutzgebiet auf einem ökologisch wichtigen Lebensraum ein Picknick veranstalteten und die Reste des Essens einfach im Grünen liegen ließen. „Das sind doch keine Vorbilder für die Kinder“, kritisiert er und schüttelt erneut den Kopf.
„Jeder verbindet unsere wunderschönen Rheinauen mit unberührter Natur, mit Wildnis, mit Reinheit – und dann liegen da Tausende von benutzten Tempotaschentüchern, leeren Flaschen und Schutzmasken herum. Für uns heißt das: Wir sammeln das natürlich so gut es geht auf, weil es furchtbar ausschaut und auch ein Riesenhygieneproblem darstellt“, beschreibt der Ordnungsamtsleiter die Situation.
Er hat auch kein Verständnis dafür, dass die Mülleimer mit dem Freizeitdruck derart überquellen. Eigentlich sei es eine Binsenweisheit für alle Naturfreunde, die Ungerer zeitlebens auch privat auf Wandertouren beachtet: „Ich habe mein Zeug mitgenommen, aber wenn ich’s gegessen oder getrunken habe, ist eine Tasche in der Regel leer oder auch das Einwickelpapier. Dann habe ich doch Platz, es wieder mitzunehmen, um es zuhause zu entsorgen.“
Rücksichtnahme gefordert
Und er verstehe auch nicht, warum die angeblichen Naturfreunde bei ihren Wanderungen, Radtouren oder Spaziergängen nicht auf den Wegen bleiben, sondern querfeldein durch Wiesen, Hecken und Auwälder unterwegs sind. „Das sorgt in der aktuellen Brut- und Setzzeit für jede Menge Tierleid“, sagt er. Man müsse den Tieren jetzt ihre Ruhe lassen, damit sie ihre Jungen oder Nester am Boden nicht verlassen müssen. Vollkommenes Unverständnis zeigt er für das Verhalten der Spaziergänger, die in den Wiesen ein Rehkitz entdeckt und gestreichelt haben. „Da kommt wegen des Menschengeruchs kein Muttertier zum Nachwuchs zurück – das ist ein Todesurteil für das Jungtier.“
Es gehe nicht darum, die Erholungssuchenden mit Regelungen zu drangsalieren – mit ein wenig gesundem Menschenverstand und Rücksichtnahme könnten Menschen, Tiere und Pflanzen gut miteinander auskommen, ist Ungerer überzeugt, aber oft mangele es am guten Willen.
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