Brühl. Die aktuelle Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine könnte ein Wendepunkt sein: Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) hat sie das Potenzial, die erneuerbaren Energien derart voranzutreiben, dass fossile Brennstoffe immer mehr an Bedeutung verlieren.
Im Landratsamt hat man sich der Frage zugewandt, welches Potenzial an erneuerbaren Energien in den Kommunen des Rhein-Neckar-Kreis es stecken könnte. Immerhin hat sich der Kreis das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 aus eigener Kraft gesteckt. In einer jetzt vorgestellten Potenzialanalyse „Erneuerbare Energien“ stellt der Kreis für jede Stadt und jede Gemeinde in seinem Gebiet den Ist-Zustand und die Möglichkeiten in diesem Bereich vor.
Kann der Kreis dieses Ziel überhaupt erreichen?
Die Analyse zeigt laut Landratsamt eindeutig: Der Rhein-Neckar-Kreis besitze mit seinen geografisch-topographischen Besonderheiten, die auf seiner landschaftlichen Vielfalt begründet seien, unterschiedliche Schwerpunkte bei den Energiepotenzialen, die jeweils vielversprechend sieien. Das größten Ausbaupotenziale ermittelt die Potenzialanalyse in der Photovoltaik mit 5,6 Millionen und Windkraft mit vier Millionen Megawattstunden (MWh). Würden beispielsweise im Strombereich alle geeigneten Dächer im Landkreis mit Photovoltaikanlagen bestückt, könnte der Strombedarf im Rhein-Neckar-Kreis zu knapp zwei Dritteln bilanziell gedeckt werden. Bei der Nutzung der möglichen Freiflächen für die Nutzung der Sonnenenergie wäre eine Gesamtabdeckung möglich. Bei einer zusätzlichen vollständigen Erschließung aller Potenziale der Windkraft könnte der aktuelle Stromverbrauchim Rhein-Neckar-Kreis bilanziell zu rund 160 Prozent abgedeckt werden.
Welchen Anteil könnte Brühl davon übernehmen?
Aktuell sind auf den Dächern der 3139 Wohngebäuden im Ort so viele Anlagen installiert, dass 2216 MWh pro Jahr erzeugt werden können. Doch die Energieexperten des Landkreises sehen ein deutlich größeres Potenzial. Würden alle Dachflächen, die dazu geeignet sind, genutzt werden, könnte man die fast 14-fache Menge an Energie erzeugen. Und diese theoretischen knapp 30 500 MWh würden gut ein Fünftel der Energiemenge ausmachen, die in Brühl pro Jahr verbraucht wird. In Ketsch werden bereits 4115 MWh per Sonne produziert – 19 053 wären rechnerisch möglich.
Wie sieht es mit den Potenzialen bei den einzelnen Energiequellen aus?
Laut Studie könnte die Windkraft in Brühl von null auf 156 MWh pro Jahr ausgebaut werden. Wegen der aktuellen Abstandsregelungen wäre das aber nur eine kleinere Anlage auf der Kollerinsel nahe dem Campingplatz. Bei Biomassekraftwerken sehen die Experten ein noch zu erschließendes Potenzial von 471 MWh im Jahr. Weitere Potenziale, wie etwa Wasserkraft oder Biomasse, nehmen eine dagegen eine absolut untergeordnete Rolle ein.
Wie hoch ist denn der Gesamtverbrauch an Energie im Ort?
Insgesamt wurden 2017 – auf diesen Werten fußt die Analyse – annähernd 160 000 MWh Energie in der Hufeisengemeinde verbraucht. 69 Prozent davon, also stolze 110 135 MWh, gehen auf das Konto der privaten Haushalte, 15 auf das der Gewerbebetriebe, drei Prozent schlagen bei kommunalen Liegenschaften wie beispielsweise dem Freibad und der Festhalle zu Buche sowie 13 bei Transport und Verkehr. In Ketsch macht der Verbrauch der kommunalen Liegenschaften lediglich zwei Prozent aus. Das Gewerbe liegt bei 47 Prozent und die privaten Haushalte bei 39 – dies allerdings bei einem Gesamtverbrauch von 311 713 MWh, also fast dem Doppelten von Brühl, trotz der niedrigeren Einwohnerzahl. Pro Kopf kommt man so in Brühl auf 11,2, in Ketsch auf fast 24,5 MWh im Jahr. In Schwetzingen sind es rund 28, in Reilingen 29 MWh im Jahr. Der Bundesschnitt liegt bei 41,8.
Wofür wird am meisten Energie gebraucht?
Die 13 Prozent der Energie, die in Brühl für Kraftstoffe verbraucht werden, sind eher marginal angesichts der 65 Prozent für die Wärmeerzeugung – acht Prozent davon stammen aus erneuerbaren Energien (EE). Der Stromverbrauch frisst rund 21 Prozent der Energie, wobei da der EE-Anteil vier Prozent umfasst.
Was bedeutet das unter dem Strich an Treibhausgasemissionen?
Im Berichtsjahr hat die Gemeinde einen Fußabdruck von 53 588 Tonnen Kohlendioxid zu verantworten – das bedeutet pro Einwohner einen Wert von 3,76 Tonnen. Der Fußabdruck aller Ketscher beträgt 102 804 Tonnen CO2, also über acht Tonnen pro Einwohner. In Schwetzingen liegt die Kennziffer bei 9,3 Tonnen pro Nase, in Hockenheim bei sogar fast elf Tonnen.
Was bedeutet diese Analyse für den Kreis?
Erneuerbare Energien sind laut Landratsamt zukunftsträchtige Möglichkeiten, eine nachhaltige Energieversorgung auch im Rhein-Neckar-Kreis sicherzustellen. Das umfangreiche Zahlenwerk der Potenzialanalyse zeige auf, dass im Kreis bei einer ehrgeizigen Reduktion der Verbräuche und gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren Energien 100 Prozent des Strombedarfs, 88 Prozent des Wärmebedarfs und bis zu 64 Prozent des Energiebedarfs aus dem Verkehrssektor aus lokal erzeugten erneuerbaren Energien gedeckt werden könnten, heißt es in der Schlussbewertung.
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