Brühl. Die Geschichte des Kampfes gegen die Rheinfluten ist lang. Ein früher Vorkämpfer war da Ritter Johann von Jung. Als er 1571 den Rohrhof erwarb, ging er daran, seine hochtrabenden Pläne für den Weiler zu verwirklichen. Er wollte die wenigen Häuser dort, die Wiesen und Felder eindeichen, um sie vor dem regelmäßigen Hochwasser zu schützen.
Dazu umgab er die gesamte Gemarkung mit Deichen und Gräben, die von derart guter Qualität in Planung und Ausführung waren, dass sie noch Jahrzehnte später den Ort vor der Überflutung durch den Rhein schützen sollten. Doch es war schon damals ein kostenintensives Unterfangen, so musste der Ritter jährlich 50 Gulden allein für die Instandhaltung der Dämme investieren – das überforderte in schließlich finanziell. Aber die Bedrohung durch die Flut blieb. Der Hochwasserschutz am Oberrhein ist auch heute noch ein großes Thema, weil durch den Bau der Staustufen zwischen Weil am Rhein und Iffezheim natürliche Auen und damit Überflutungsflächen verloren gegangen sind.
Am vergangenen Samstag war es das dritte Wochenende in Folge, an dem sich der Rhein bei Brühl einmal mehr mit hohen Pegelständen präsentierte, die seitdem zwar immer wieder zügig nach unten gegangen sind, doch für Ende dieser Woche steigen die Marken wieder an, prognostiziert die Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg. Allerdings sind die Maximalstände an der Messstelle von vergangenem Samstag mit knapp 4,70 Metern und die vorhergesagte von etwas über vier Metern alles anderen als bedrohlich. Im Mai 1983 zum Beispiel wurden 8,58 Meter an der Messlatte abgelesen.
Ist die Wohnbebauung von Brühl auch bei höheren Pegelständen vor einer Überflutung sicher?
Die Dämme zwischen Ortsetter und Rhein wurde allesamt in den vergangenen Jahren saniert und den aktuellen Anforderungen an den modernen Hochwasserschutz angepasst, teilt das Umweltministerium in Stuttgart mit. Damit ist allerdings nur das Rheinhochwasser eingedämmt, für Starkregenereignisse hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren zudem begonnen, die Kanalisation zu ertüchtigen und hat die Regenrückhaltebecken beim Leimbach entsprechend saniert. Dort wird bei Extremniederschlägen das Wasser, das nicht mehr von der Kanalisation aufgenommen und zum Klärwerk geleitet werden kann, direkt in den Leimbach übergeben, um eine Flutung der Straßen zu verhindern.
Warum ist bei den vergangenen Hochwassern regelmäßig der Damm bei Rohrhof gebrochen?
Dabei handelt es um den Sommerdamm zwischen dem Rohrhofer Friedhof und dem Leimbach. Er ist von der Höhe der Dammkrone so gebaut, dass er bei Extremhochwassern den Fluten den Weg auf weitere Überschwemmungsgebiete in den Schwetzinger Wiesen freigibt. Um die Gefahr für andere Bereiche zu verringern, sollen im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms Flächen, die früher noch überflutet waren, wieder zurückgewonnen werden.
Insgesamt wird den Angaben des Umweltministeriums zufolge ein Rückhaltevolumen von 164,2 Millionen Kubikmetern benötigt, um unterhalb der Staustufe Iffezheim den Hochwasserschutz wieder herzustellen. In Brühl sind deshalb westlich der Wohnbebauung die Wiesen und Felder fast flächendeckend dafür ausgewiesen. Sie sind so ausgelegt, dass sie bei einem starken Hochwasser, das statistisch alle zehn bis 50 Jahre vorkommt geflutet werden. Am Rande dieser Gebiete verlaufen die eigentlichen Schutzdämme, die die Wohnbebauung vor dem Rheinhochwasser schützen sollen.
Wo genau ist diese Dammlinie zu finden?
Der Hochwasserdamm beginnt im Norden etwa bei Treffpunkt des Promenadenwegs mit der Lessingstraße in Rohrhof. Von dort geht es Richtung Westen vor bis zu den Anglerseen. Dort macht der Damm eine 90-Grad-Biegung in Richtung Süden hin zum Rohrhofer Friedhof. Von diesem Punkt geht es an der Ortsbebauung entlang bis zur Wiesenstraße, dann quer rüber zur Rohrhofer Straße, entlang der Fasanerie bis zum Leimbach. Südlich und nördlich bildet das Hochufer ein Bollwerk gegen die Fluten.
Bleiben hinter den Dämmen die Bereiche trocken?
Nein, das zeigt sich immer im Bereich des Rheinfeldes beziehungsweise der Hanfäcker, dort steht oft bei Rheinfluten das Druckwasser auf den Feldern. Das ist ein typisches Phänomen in Flussniederungen mit eingedeichten Flüssen. Steigt dort der Wasserstand höher als das ihn umgebende Land, was wegen der Deiche ohne Überflutung der Niederung möglich ist, so übt der hohe Flusswasserstand einen Druck auf das normalerweise in den Fluss langsam einströmende Grundwasser aus.
Diese Druckerhöhung hindert das zuströmende Grundwasser am Abfließen einerseits, es kommt letztlich auch zu einem Gegenfluss aus dem Strom andererseits. Beides führt zu einem Anstieg von Grundwasserseen in der Flussniederung und damit zu Druckwasser auf den Feldern.
Ist Brühl trotzdem auf jeden Fall gegen eine Überschwemmung durch den Rhein geschützt?
Bei einem statistisch hundertjährlichen Hochwasser ist die Brühler Ortsbebauung durch die Dämme geschützt, heißt es seitens des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Eine solche seltene Flut bildet die Grundlage für den lokalen Hochwasserschutz und die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten. Der höchste Wert, der bislang am Pegel in Speyer gemessen wurde, liegt bei 8,86 Metern im Jahr 1882.
Zum Vergleich: Mit 7,65 Metern am Pegel Speyer hatte die Rheinflut im Juni vergangenen Jahres ihren Scheitelpunkt erreicht - eine Bedrohung des Ortsetters war da noch weit weg. Daneben besteht das verbleibende Risiko eines extremen Hochwassers - der Wert HQextrem steht für ein Flutereignis, das seltener als alle 100 Jahre zu erwarten ist. Zudem steht dieser Wert für einen möglichen Dammbruch. Dann wird laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg auch eine Flutung im Bereich zwischen Karlsbader Ring und Schrankenbuckel über die Spraulache bis zur Fasanerie und das Areal rund um Neu- und Görngasse bis zum Leimbach zu erwarten sein.
Was bringt der Taschenpolder auf der Kollerinsel der Gemeinde Brühl?
Zwischen 2000 und 2004 wurde auf der Kollerinsel einer der Polder des Integrierten Rheinprogramms gebaut. Damit soll am Oberrhein der Schutz vor einem 200-jährlichen Hochwasser hergestellt werden, der durch die Installation von Staustufen am südlichen Oberrhein und die Eindeichung der entsprechenden Flussauen verloren gegangen ist. Aber nicht Baden-Württemberg hat ihn errichtet, sondern das Land Rheinland-Pfalz, das dafür immerhin 12,3 Millionen Euro in Brühl investierte.
Doch die mögliche Flutung - sie war im vergangenen Jahr erstmals in Erwägung gezogen, dann aber nicht durchgeführt worden - bringt Brühl eher wenig, sondern mehr den rheinabwärts gelegenen Orten. Die Gemeinde darf aber ihrerseits auf die Polder rheinaufwärts hoffen. Deshalb hat das Land Baden-Württemberg bereits 2003 eine „Strategie zum Umgang mit Hochwasser in Baden-Württemberg“ entwickelt, damit die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten. Mit Erfolg: So wurde beispielsweise beim Hochwasser im Frühsommer 2013 die Hochwasserwelle im Rhein bei Brühl durch den abgestimmten Einsatz von Rückhalteräumen in Frankreich und Baden-Württemberg um bis zu 30 Zentimeter abgesenkt.
Wer kontrolliert bei Extremhochwassern die Schutzvorrichtungen in der Gemeinde?
Bei Hochwasser ist zu garantieren, dass die technischen Schutzeinrichtungen standhalten. Die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen und Beobachtungen, also das Schließen von Schiebern oder die Dammbegehungen, bei der inzwischen auch Drohnen eingesetzt werden, nimmt die Freiwillige Feuerwehr Brühl wahr, heißt es aus dem Rathaus.
Sind die aktuellen Werte des Rheinpegels also problemlos?
In einem kleineren Punkt nicht, denn die Überflutung der Auen könnte zu einer verstärkten Vermehrung der Stechmücken führen. Doch die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) hat ein Auge auf die Situation, die sie als ungewöhnlich für diese Zeit im Jahr bezeichnet. Durch Überflutungs- und Schöpfkontrollen wird ermittelt, wo es am Wochenende zum Schlupf der Larven kommen konnte.
Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit bleibe der Einsatz notwendig: „Die Temperaturen sind mit durchschnittlich 17 bis 18 Grad Celsius am Wochenende noch immer hoch genug, um den Schlupf neuer Auwaldstechmückenlarven zu ermöglichen“, heißt es seitens der Kabs. Ein Ende der Saison sei erst mit weiter sinkenden Temperaturen zu erwarten. Sollten nun vermehrte Larvenzahlen erkannt werden, rücken die Trupps der Kabs aber rasch zur Bekämpfung aus, wird versichert.
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