Brühl. Unbestritten sind sein Charisma, seine Fähigkeit zur Improvisation und sein herrlich subversiver Humor, den er auch in Zeiten von Scholz, Putin und der Queen nicht verloren hat: der Sänger, Entertainer und Kabarettist Lars Reichow.
Er ist einer der Besten seines Metiers und stand am „wärmsten Tag des Jahres“ auf der Bühne der Brühler Festhalle vor 250 Zuschauern, sodass fast kein Platz leer und kein Auge trocken blieb. Denn mit seinem neuesten Programm „Ich“ kommentierte er nicht nur satirisch klug die aktuelle Politik, sondern auch allgemein menschliche Schwächen.
Sich selbst hielt er in einzigartiger Weise den Spiegel vor. Locker wechselte er dabei vom Sänger zum Erzähler von Geschichten, die er stets mit ironischem Unterton im rasenden Tempo vortrug. Die Brühler waren begeistert. Stolz und glücklich ist er, nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder vor „echten Menschen“ aufzutreten. Und natürlich ist Brühl seine „Lieblingsstadt“, denn so eine „Decken-Spargel-Beleuchtung wie hier in der Festhalle gibt es in ganz Deutschland nicht“. Beifallssturm im Saal.
Nicht alles wirklich in Ordnung
Die Stimmung in Europa ist ziemlich angeschlagen wegen des Ukraine-Krieges, meinte Reichow, „und auch ich werde nicht so tun, als wäre alles in Ordnung“. Gute Nachrichten aber heben die Stimmung, stärken und machen Mut. Die überbrachte er aus seiner Heimatstadt Mainz. „Bei einer Routinekontrolle“, erzählte er, „wurde in der Mainzer Stadtkasse ein 1,5-Milliarden-Euro-Überschuss gefunden.“ Und es war klar, dass 500 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks, mehr oder weniger zufällig der Impfdruck erfunden worden sei, zudem auch noch der Gelddruck dazukam.
Über Nacht sei die hoch verschuldete Stadt Mainz wohlhabend geworden, das Gewerbesteuerauffangbecken läuft dreimal am Tag voll, so dass sie sich einen neuen Stadtteil, Wiesbaden als „Mainz-Wammwasser“, und die 3Gs – Gegessen, Getrunken, Geschlafen – leisten könne. Der Reichtum sei eigentlich zwei Migranten, den beiden Biontech-Entwicklern, zu verdanken, denen er dafür viel Respekt zollte. Bravorufe und Zwischenapplaus, als Reichow Klartext sprach und die Impfgegner als „geistig vulnerabel“ bezeichnete.
Um die Attraktivität Brühls zu steigern schlug er vor, aus Spargel nicht nur Deckenlampen herzustellen, sondern eventuell auch Strohhalme, denn die aus Plastik seien ja verboten.
Insbesondere die „wunderschönen“ Frauen der Rhein-Neckar-Region hätten es ihm angetan, zunächst die im Saal, die ihm zuliebe mit „smarten Frisuren“, wie er sie nur aus Schwetzingen kenne, erschienen seien, aber auch Margareta aus Ketsch zum Beispiel oder Maria aus Oftersheim, Franziska aus Heidelberg – alle habe er sie lieb und gern sang Reichow, „doch das höchste Gefühl galt einer Frau aus Brühl“.
Wenn Panzer über Brücken gehen
Dann ging es um den Krieg, wo er sich in „Putins Krieg“-Song fragte, ob es ein Sieg ist, wenn Panzer über Grenzen gehen, um fremde Städte zu beschießen, wenn Raketen aus der Luft Kinder treffen, die ihr kleines Leben in Freiheit genießen, parodiere die Talkshow Kanzler Olaf Scholz, „seine schlumpfig grinsende Strategie, und der erst dann regieren wird, wenn das Zögern voll ausgeschöpft ist – von wem hat er das wohl? Von Mutti! Mit Angela Merkel hat das Kabarett eine wichtige Stimme verloren.“
Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der über ein Talkshow-Direktmandat in das Kabinett eingezogen sei und eine Menge anderer waren Themen. In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte er auch die Kirche, die zwar immer herzlich in ihre eiskalten Immobilien zu irgendetwas einlade, aber, fragte Reichow, warum sie nicht einen Drosten in der besonderen Situation der Pandemie rausgeschickt habe, einen, der sich kümmere, einer von der katholischen Kirche, die evangelische komme ihm eh wie eine Sozialberatungsstation vor. Und was macht der Papst? Der streichele Kinderköpfe und wasche Füße.
Auch andere Themen lagen Reichow am Herzen: sein Familienalltag mit der Aufgabenteilung zwischen ihm und seiner Frau – Er ist der „Merker“, der merkt, wenn etwas kaputt ist, und sie sorgt für die Reparatur.
Der große und der kleine Trump
Amerika und Trump, Brexit und der „kleine Trump“ Johnson oder die Queen und ihre Söhne. Und weil sich in der Pandemie viele Zugaben angestaut haben, ist er einige schon vor der Pause losgeworden.
Und zum Schluss gab es noch Zugaben über Merkwürdigkeiten von Sprachen, über den App-Wahn, der für Heiterkeit und viel Applaus sorgte, sowie das emotional vorgetragene ganz persönliche Friedenslied.
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