Protestaktion - Grün-schwarze Landesregierung plant, Ende 2020 die Finanzierung einzustellen / Örtliche SPD möchte mit Onlinepetition Druck dagegen machen

Land soll weiter Kosten für die Fähre bezahlen

Von 
Ralf Strauch
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In gut einem Monat startet die Kollerfähre zwischen den beiden Brühler Rheinufern in die Saison – bis zu deren Ende im Herbst ist die Finanzierung durch das Land noch gesichert. Doch wie geht es 2022 weiter? © venus

Brühl. Die Nachricht, dass der Kollerfähre Ende des kommenden Jahres das Aus droht (wir berichteten), sorgt für jede Menge Diskussionen. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hatte erklärt, dass er deren Betrieb „als Ausflugsfähre nicht als Aufgabe des Landes ansieht“ und rät dem Finanzministerium Baden-Württemberg, „den Fährbetrieb nach Ablauf der bestehenden Zusagen aufzugeben“. Die unabhängigen staatlichen Finanzkontrollen sehen die Aufgabe des Betriebs der Kollerfähre vielmehr bei den Kommunen rechts und links des Rheins.

Das baden-württembergische Finanzministerium befürwortet zwar den Weiterbetrieb der Fähre aus geschichtlichen Gründen, wegen des Naturschutzes und der Erreichbarkeit, doch weil der Fährbetrieb auch der Naherholung der in der Region lebenden Menschen diene, meint man auch dort, dass die Kommunen ab 2020 die Kosten tragen sollten.

Der Betrieb der Kollerfähre durch das Land ist historisch bedingt. Er geht auf einen großherzoglichen Erlass vom 5. August 1834 zurück, mit dem ein Fährbetrieb zwischen der Gemeinde Brühl und der damaligen großherzoglichen Domäne Kollerinsel eingerichtet wurde. Brühl umfasst eine Gemarkungsfläche von 1019 Hektar, davon entfallen fast 400 Hektar auf die linksrheinische Kollerinsel.

Erste Anzeichen im Mai

„Wichtig ist uns die langfristige Sicherung des Betriebs der Kollerfähre durch das Land Baden-Württemberg“, appellierte die örtliche CDU noch im Mai in ihrem Programm zur Kommunalwahl. Manfred Kern, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, unterstrich damals als Reaktion auf die Stellungnahme der CDU, dass es „in letzter Zeit keinerlei Überlegungen gebe, den Fährbetrieb einzuschränken oder einzustellen. „Hier verbreitet jemand Gerüchte, um sich gleichzeitig als Retter darstellen zu können“, lautete Kerns Vorwurf im Wahlkampf. Dennoch hatte er sich wegen der Behauptungen mit dem Finanzministerium in Verbindung gesetzt. Die Antwort von dort sei eindeutig gewesen: „Es ist beabsichtigt, die Kollerfähre auch über die Saison 2020 hinaus zu betreiben.“ Das Ministerium begründete dies unter anderem damit, dass die Fähre die einzige direkte Verbindung zwischen Baden-Württemberg und der Kollerinsel ist. Außerdem habe das geplante Defizit durch Preisanpassungen bei gleichzeitig steigenden Fahrgastzahlen verringert werden können. Zwischen 40 000 und 50 000 Gäste fahren pro Saison mit dieser Fähre über den Rhein.

Informationen vor Ort

Dennoch liegt nun die Empfehlung des Rechnungshofes auf dem Tisch, die traditionsreiche Kollerfähre zum Ende der Zusage im Jahr 2020 außer Dienst zu stellen. Das Land hatte sich gegenüber der Gemeinde Brühl zuletzt 2007 grundsätzlich bereiterklärt, den Fährbetrieb bis 2020 aufrechtzuerhalten und auf eine Beteiligung an den Kosten der Kollerfähre zu verzichten. Gegen diese Aussagen des Rechnungshofes formiert sich nun allerdings Widerstand.

Nicht nur die Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Dr. Ralf Göck, auch der Landrat und Landtagsabgeordnete des Rhein-Neckar-Kreises stellen sich auf die Seite des Gemeinderates, der fordert, dass die Kollerfähre auch in Zukunft erhalten bleiben soll, vom Land finanziert werden müsse und die Fährzeiten erweitert werden sollten. Bei einem vor kurzem stattgefundenen Vor-Ort-Termin konnten mehrere Landtagsabgeordnete sich selbst ein Bild über die Kollerfähre machen – den gemeinsamen Tenor fassen die Petitionsinitiatoren eindeutig zusammen: Die Fähre müsse „auch künftige Jahre“ erhalten bleiben und finanziert werden.

„Um die Stimmen der Bevölkerung zu bündeln, hat der Ortsverein der SPD unter Federführung der beiden jungen Gemeinderäte Pascal Wasow und Selcuk Gök eine Onlinepetition „Ja zur Kollerfähre“ ins Leben gerufen. Damit solle dem Finanzministerium die gesellschaftliche Bedeutung der Kollerfähre aufgezeigt werden, erklären die beiden Kommunalpolitiker in einer gemeinsamen Erklärung.

Innerhalb kurzer Zeit haben sich bis zu diesem Montag bereits fast 2100 Unterzeichner dort eingefunden – „und das sind lediglich Personen, die über Facebook und andere Netzwerke informiert wurden. Wir möchten natürlich auch außerhalb dieser Medien für die Petition werben, um so möglichst viele Menschen abzuholen“, sagt Wasow. Deshalb laden sie auch alle Interessierten zu einem SPD-Vor-Ort-Termin am Samstag, 26. Oktober, um 13 Uhr an die rechtsrheinische Anlegestelle der Fähre am Ende der Kollerstraße ein“, ergänzt Selcuk Gök.

Kritik an grüner Finanzministerin

Argumentationsgrundlage für die Petition ist zum einen, dass die Kollerfähre als Verbindungsstück der Landesstraße L 630 dient und dadurch ähnlich einer Brücke als Straßenbaulast ganz eindeutig in das Aufgabengebiet des Landes Baden-Württemberg fällt. Außerdem würde eben nicht nur das örtliche Naherholungsangebot auf der linksrheinischen Seite darunter leiden, sondern auch zwei Landwirtschaftsbetriebe mit knapp 70 Hektar Fläche.

Der Rechnungshof prangert allerdings an, dass zwischen 2013 bis 2017 ein Defizit von knapp 740 000 Euro entstanden sei und die Kommunen sich stärker einbringen sollten. „Gerade bei der Erschließung der Naherholungsgebiete auf der Kollerinsel hat die Gemeinde die enorme Summe von 411 000 Euro in die dortigen Landes-Grundstücke investiert“, heißt es in der SPD-Erklärung.

„Im Übrigen kommt die Ansage angesichts mehrerer gesperrter Brücken zur Unzeit“, bekräftigen Wasow und Gök die eine Woche alte Aussage des Brühler Bürgermeisters. Brücken zur Rheinüberquerung seien in der Region Mangelware – durch anfällige Sanierungsarbeiten, wie aktuell bei der Salierbrücke der Fall, werde der Bedarf nach Alternativen gestärkt. Die Fähre sei demnach ähnlich einer Brücke zu bewerten und falle als Straßenbaulast in das Aufgabengebiet des Landes Baden-Württemberg, heißt es in der Begründung der Petition der beiden SPD-Vertreter.

„Von einer grünen Finanzministerin würde man so eine Initiative gegen die stille Naherholung mit dem Fahrrad und zu Fuß nicht erwarten – aber wie so oft fallen bei den Grünen Erklärungen und Handlungen deutlich auseinander“, kritisieren Wasow und Gök abschließend in ihrer Erklärung.

Info: Die Petition ist unter openpetition.de/!kollerfaehre zu erreichen. Historische Bilder gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de

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Brühl: Von einem Ufer zum anderen

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Die Geschichte der Fähre

1195 wird die Ketscher Rheinfähre als Vorgängerin der Kollerfähre erstmals urkundlich erwähnt.

1834 wird wegen der Rheinbegradigung die Fähre von Ketsch nach Brühl verlegt.

Diese erste Längsseil-Gierfähre wird 1900 aus dem Verkehr gezogen.

Vier Jahre später pendelt eine neue Fähre an einem quer über den Rhein gespannten stählernen Königsdraht über den Fluss.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernimmt zunächst eine Ersatzfähre aus Pontons und dem Dampfboot Anna den Betrieb. Dann fuhr wieder die alte Fähre.

1957 geht eine Grundseil-Gierfähre in Dienst.

Das heute eingesetzte Fährschiff, eine frei fahrende Motorfähre, wurde 1954 von der Rheinwerft Walsum gebaut und 1978 vom Land erworben.

Das Land ist sowohl Eigentümer als auch Betreiber der Kollerfähre.

Es passen rund zehn Pkw auf einmal auf die Fähre. Der Dieseltank fasst 4500 Liter, alle fünf bis sechs Wochen wird getankt.

Das Fährpersonal wird im Auftrag des Landes von einem privaten Schifffahrtsbetrieb gestellt. Seit 2008 steht Ismet Günay auf der Brücke der Kollerfähre. Mit zur Besatzung gehört seit 2006 Manfred Beck. ras

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