Festhalle

Lars Reichow zeigt sich in Brühl als Meister der Tasten und klaren Worte

Kabarettist und Sänger Lars Reichow fasziniert im Spannungsbogen aus Kritik und Leichtigkeit des Seins. Dabei wiederholt er auch eine Aussage, die ihm Anzeigen eingebracht hat.

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ras
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Kabarettist Lars Reichow bietet in seinem Programm „Musik!“ einen meisterlichen Streifzug durch seine bisherige Liederwelt. © Dorothea Lenhardt

Brühl. So mancher in der Festhalle schien in der ersten Halbzeit von Lars Reichows aktuellem Programm „Musik! Songs aus meinem Leben“ schon ein wenig irritiert. Sein Auftritt war als Debüt eines reinen Liederprogramms angekündigt worden, doch setzte er sich in diesem Abschnitt eher selten ans Klavier. Dabei hätte der Musiker, Sänger, Moderator, Comedian und Kabarettist aus einem reichen Fundus an eigenen Songs schöpfen können, die man unter anderen aus seiner regelmäßigen musikalischen Radiokolumne kennt.

Reichow legte zunächst auf das letztgenannte seiner Talente einen Schwerpunkt. Und das mit klarer Sprache sowie dem Bekenntnis für ein weltoffenes Denken und Handeln – das hat man von ihm erwartet. Klar positioniert er sich gegen die die AfD, wenn er feststellt, dass sie nicht nur rassistisch und extremistisch sei, sondern auch vollkommen überflüssig. Sie sei eine Partei, die dieses Land kaputtmachen wolle. „Fremdenfeindlich zu sein, ist dumm. Aber noch dümmer ist das, wenn wir auf die Fremden wegen des Fachkräftemangels angewiesen sind.“ Dabei werde die AfD noch von der Gesellschaft finanziert, die sie spalte und deren Demokratie sie zerstören wolle.

Und so stand er zu seiner früheren Aussage, dass die AfD–Parlamentarier „ungehobelte Arschlöcher“ seien. Schon als er diese Formulierung bei der TV-Prunksitzung „Mainz bleibt Mainz“ geäußert habe, hätte es ganz viele Anzeigen gehagelt. „Dass ich das jetzt wiederhole, zeigt, wie die entsprechenden Klagen ausgegangen sind“, unterstrich er mit dem Zitat „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ aus dem Danger-Dan-Song.

Was Lars Reichow über Markus Söder zu sagen hat

Aber nicht nur die Partei, die aktuell viele Richter beschäftigt, bekam ihr kabarettistisches Fett weg, sondern auch anderen politischen Farben und deren Protagonisten. Beispielsweise der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, dem Reichow ein ganz besonders empfindliches Windsystem attestiert, mit dem er als „Allesversteher und Wenigkönner die öffentlichen Flatulenzen wahrnehme“, um dann sein Fähnchen in den Lufthauch zu drehen.

Oder sein fleischverliebter Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Der Oppositionsführer Friedrich Merz sei bei der CDU plötzlich wieder auferstanden, wirke aber „so wie von gestern“, meint Reichow.

Das Publikum in der Brühler Festhalle zeigte sich von den verschiedenen Facetten des Künstlers sehr begeistert und spendet dafür immer wieder viel Applaus. © Dorothea Lenhardt

Auf der anderen Seite des Parlaments erkannte er bei Bundeskanzler Olaf Scholz die besondere Kunst, erst dann zu reagieren, wenn das Zögern bis aufs Äußerste ausgeschöpft sei, um dann als geräuschlosester Kanzler aller Zeiten den Mund zum Schweigen aufzumachen.

Etwas besser kommen bei ihm die Grünen weg, die zwar auch viele Fehler machten, aber es sei erbärmlich – wie Reichow urteilte – ihnen jetzt die Schuld an den Folgen der Klimakrise zu geben und sie abzustrafen, obwohl sie die erste Partei gewesen sei, die bereits vor 40 Jahren davor gewarnt habe. Andere Parteien würdigte der Kabarettist mit keinem oder kaum einem Seitenhieb.

Ist das Land also in einem kritischen Zustand? Reichow meint: Ja. Aber es gebe keinen Grund für eine dystopische Weltuntergangsstimmung. Denn auch wenn, wie es in einem der wenigen politischen Lieder heißt, Deutschland mehr könne, gehe es den Menschen im Land vergleichsweise gut und man dürfe zufrieden sein.

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Und auch die Freiheiten, etwa die Meinungsfreiheit, seien gegeben – anders wäre es, wenn die Maulkorb-Kritiker ihr Regime durchdrücken würden. „Man kann doch auch in Deutschland glücklich sein“, heißt es in seinem Optimismussong unmittelbar vor der Pause.

Lars Reichow spricht in Brühl von Liebe und Krieg

Im zweiten Teil behielt Reichow zwar sein Tempo zumeist bei, wurde aber in Musik und Text liebevoller und zärtlicher. Kein Wunder, drehte sich doch da alles um Liebeslieder, Liebeserklärungen, seine Familie und die Kunst des Liederschreibens.

Auch diese zweite Seite der Medaille Reichows bot eine genussvolle und unterhaltsame Stunde voller Witz und Esprit. Selbst wenn er mit einem Augenzwinkern einräumte: „Ich bin ja nicht ganz perfekt!“ Das sah das Publikum erkennbar anders und spendete neben zahllosen Lachern auch viel Applaus.

Doch den Schlussakkord setzte er wieder mit einem politischen Statement. Sein Lied „Wer von Euch?“ forderte Reichow dazu auf, nicht nur angewiderter Zuschauer zu sein, wenn über den Angriffskrieg in der Ukraine berichtet wird, sondern sich zu engagieren, damit Wladimir Putin, der die Regeln der Zivilisation nicht einhalte, entgegengetreten werde – wenn es sein muss, auch mit militärischen Mitteln, meinte er in die Farben der Ukraine gehüllt. 

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