Im Interview

Matthias Brodowy kommt nach Brühl: Kabarett ist nicht zwangsläufig zynisch

Kabarettist Matthias Brodowy gastiert in Brühl mit einem Programm, das trotz dystopischer Anklänge optimistisch stimmt. Im Interview erklärt er seinen Ansatz und betont die Bedeutung von Humor in schwierigen Zeiten.

Von 
Ralf Strauch
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Musiker und Kabarettist Matthias Brodowy ist am 25. Januar zu Gast in der Villy Meixner. In seinem Programm „Keine Zeit für Pessimismus“ erklärt er, warum seiner Meinung nach viel zu viel gejammert wird. © Brodowy/Klöpper

Brühl. „Keine Zeit für Pessimismus“, heißt es, wenn Kabarettist und Musiker Matthias Brodowy am Donnerstag, 25. Januar, ab 20 Uhr in der Villa Meixner gastiert. Brodowy ist ein klassischer Künstler: ein Hypochonder, der in der nächsten Sekunde irgendeinen über ihn einbrechenden Supergau erwartet. Im Zweifel einen dinosauriesken Meteoriteneinschlag. Und gerade deswegen ist er der Meinung, dass definitiv keine Zeit mehr für Pessimismus ist.

Das klingt widersprüchlich, also befragt unsere Zeitung den Kabarettisten im Vorfeld seines Auftritts in Brühl, wie er das meint.

Ihre Ankündigung klingt sehr dystopisch – stehen wir vor dem Aus der Welt, wie wir sie kennen?

Matthias Brodowy: Es gab so viele Momente in der Weltgeschichte, in denen man damals hätte sagen können, dass wir vor dem Aus stehen. Und dennoch ging es irgendwie weiter. Insofern geht es jetzt sicherlich auch weiter – irgendwie halt.

Dennoch zeichnen Sie in Ihrem Programm kein besonders gutes Bild von der Welt – warum?

Brodowy: Naja, ich finde, dass die Welt aktuell kein wirklich gutes Bild von sich zeichnet. Und da komme ich, und versuche es irgendwie geradezurücken.

Kann man es denn wirklich gerade rücken?

Brodowy: Ja, das kann man. Wenn man ganz ehrlich in sich hineinhorcht, dann leben wir in Deutschland eigentlich immer noch auf der berühmten Insel der Glücksseeligen. Das ist aber wohl etwas, was wir so nicht wahrhaben wollen, weil es Spaß macht, im Pessimismus zu baden. Es ist einfach wunderschön, wenn man sich über das Negative definieren kann. Und dann kann man sich über Wut äußern, ohne konstruktiv sein zu müssen. Aber ich glaube nach wie vor, dass wir hier gute Voraussetzungen haben, ein gutes Leben führen zu können – wenn wir einfach mal mehr auf Gemeinsinn achten würden. Und das meine ich wirklich tief ernst. Ja, wir haben viele Probleme, aber im Vergleich mit den Problemen anderer Menschen in der Welt sind unsere tatsächlich sehr lösbar. Ich habe lange überlegt, dieses wunderbare Bild zu nutzen, das Luther vorgab. Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen unterginge, dann würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen. Ich gehe sogar noch weiter: Ich würde sogar noch eine ganze Plantage pflanzen wollen.

Kann Kabarett leisten, dass dann auch andere zum Pflanzspaten greifen?

Brodowy: Ich hoffe zumindest, dass Kabarett bewegen kann, einmal über das Nachdenkliche, aber auch über das Heitere Leute aus ihrem – wie soll man das sagen – Umfeld zu holen. Wir reden uns ja auch in ein Schreckensszenario rein. Und manchmal ist Humor da ein wunderbares Ventil, um zu sagen: Hör mal, wie geht es dir eigentlich wirklich. Wenn mir jemand aus dem Mittelstand mit viel Jammerei erklärt, es gehe uns immer schlechter und schlechter, stelle ich ihm die Fragen, ob er ein Dach über dem Kopf hat, ob er drei Mahlzeiten am Tag hat und ob er im vergangenen Jahr mindestens einmal im Urlaub gewesen ist. Wenn man das alles mit „Ja“ beantworten kann, dürfte es uns eigentlich gar nicht so schlecht gehen, oder?

Das klingt sehr verkürzt – oder nicht?

Brodowy: Ja, aber – und das meine ich auch sehr ernst – wenn man sieht, wie viele Menschen es auch in unserem Land gibt, die auf diese drei Fragen mit „Nein“ antworten, stimmt mich das nachdenklich. Doch es jammern oft diejenigen am lautesten, denen es im Grunde gar nicht so schlecht geht. Und dann wird beim Aperol Spritz auf Mallorca in Facebook reingetippt, wie schlecht doch alles in der Welt geworden ist. Ich bin seit fünf Jahren Mitherausgeber unseres Straßenmagazins in Hannover – ich weiß, wie es Menschen in Deutschland geht, die beispielsweise wohnungslos sind. Die haben bei den aktuellen Temperaturen echte Probleme. Das sind aber diejenigen, deren Stimme man – im Gegensatz zum Aperol Spritz auf Mallorca Trinkenden – gar nicht hört. Doch setzt das unsere Probleme wieder sehr in Relation.

Kommen diese Menschen denn in Ihrem Programm zu Wort?

Brodowy: Indirekt ja. Nicht jetzt, dass ich das Problem der Wohnungslosigkeit oder das von Menschen, die auf der Straße leben, ins Zentrum rücke. Aber weil ich immer versuche, in meinem Programm doch diese Relationen zu setzen, immer wieder daran zu erinnern, wo wir eigentlich stehen, schwingt meine Erfahrung mit dieser Arbeit einfach mit. Ich glaube, dass meine Person und meine insgesamt interessanten ehrenamtliche Tätigkeiten, beispielsweise auch in der Hospizarbeit, das Leben ein wenig geraderücken. Wenn man erlebt, was es heißt, dass ein Mensch – nicht immer nur alte – extrem krank ist und definitiv bald stirbt, dann relativieren sich auch verschiedenste eigene Probleme. Man erkennt, was Menschlichkeit und Zusammengehörigkeit bedeuten. Und aus dieser Perspektive heraus schreibe ich natürlich meine Texte.

Zur Person: Matthias Brodowy

  • Brodowy ist in Wolfsburg und später Hannover aufgewachsen. Er ist ausgebildeter Kirchenmusiker und studierte Geschichte und katholische Theologie.
  • Er war von 1989 bis 1999 Mitglied der Kabarettgruppe „Profilachticker“. Im Herbst 1997 startete sein erstes Soloprogramm „Schweigen Sie ein, ich fahre Wort – Kabarettistische Kreuz- und Querzüge“.
  • 2004 gründete er zusammen mit dem hannoverschen Unternehmer Sebastian Gerhard den „generalmusikverlag“.
  • Er tritt zudem regelmäßig im Quatsch Comedy Club auf.
  • Am Donnerstag, 25. Januar, wird er ab 20 Uhr in der Villa Meixner dem Publikum sein aktuelles Programm „Keine Zeit für Pessimismus“ vorstellen.
  • Karten im Vorverkauf für 20 Euro an der Rathauspforte, Telefon 06202/2 00 30, sowie – zuzüglich Vorverkaufsgebühr – in der SZ-Geschäftsstelle, Telefon 06202/205 205.

Möchten Sie anderen Kabarettisten diese Erfahrung auch empfehlen?

Brodowy: Ich möchte wirklich jedem empfehlen, nicht nur auf der Bühne die Welt besser machen zu wollen, sondern in kleinen Schritten tatsächlich anzupacken, um sie besser zu machen. Und das beginnt vor der eigenen Haustüre. Es gab mal eine Zeit, da haben viele Kabarettisten von der großen Weltrevolution geträumt – meistens, und das ist im Grunde nicht verwerflich, bei einem guten Glas Rotwein. Aber ich bin eher der Typ, der sagt, dass ich in meinem direkten Umfeld das besser mache, was ich besser machen kann. Und das ist schon viel Arbeit.

Wie kann man das denn kabarettistisch rüberbringen?

Brodowy: Durch kleine humorvolle Geschichten. Ich komme ja aus so einer Schule von Hanns Dieter Hüsch – er hat mich auf die Bühne geholt und ich versuche bis heute, ihm vom Weltbild her nachzustreben. Hüsch war ein großer Humanist. Und ich glaube daher, dass es besser ist, zunächst auf sich selbst zu zeigen und sich in seinem eigenen Menschsein zu hinterfragen, als auf der Bühne mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf alle anderen zu weisen. Das ist etwas, was ich nicht mag. Das kann man machen, aber es ist nicht mein Ding. Ich schaue auf meine eigenen Unzulänglichkeiten – manchmal sind das Kleinigkeiten – bei denen sich Menschen aus dem Publikum hoffentlich auch wiederfinden. Manchmal findet sich da aber auch ein Subtext.

Wie das?

Brodowy: Da geht es dann plötzlich nicht mehr um das Thema Übergewicht und Diäten, sondern es geht in der Metaebene viel tiefer. Und plötzlich ist etwas vermeintlich Banales gar nicht mehr so banal. Ich habe allerdings mein Problem damit, wenn Kabarettisten den moralischen Zeigefinger erheben oder mit ihm auf andere zeigen. Da ist Hüsch nach wie vor für mich das Maß aller Dinge, indem man erst einmal bei sich im Kleinen anfängt. Und da gibt es Möglichkeiten, nicht so moralinsauer zu sein, sondern in der Karikatur unterhaltsam zu bleiben. Kabarett muss kritisch sein, nicht aber zwangsläufig zynisch, sondern menschenfreundlich.

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Was treibt Sie als Niedersachsen aktuell so weit in den Süden der Republik?

Brodowy: Es ist nicht das erste Mal, dass ich den wilden Süden erkunde. Ich war früher schon häufiger dort. Aber als meine Kinder geboren wurden, habe ich beschlossen, doch erst einmal mehr Norddeutschland zu bespielen. Und auch wenn man es in Ihrer Region nicht immer glaubt, bietet der Norden Deutschlands extrem extrem viele Möglichkeiten für Kleinkunst. Aber inzwischen sind meine Kinder älter und ich kann mich auch mal wieder aus der Familie abkapseln, um weitere Touren zu unternehmen. Und: Ich fahre auch gerne mal in den Süden und Südwesten Deutschlands.

Zudem gibt es einen besonderen Grund, nach Brühl zu kommen, oder?

Brodowy: Natürlich. Ich bin früher mit Jochen Ungerer Schiff gefahren bevor er von dort zur Gemeindeverwaltung seiner Heimatgemeinde gewechselt ist. Und ich bin froh zu wissen, dass ich nicht nach Brühl bei Köln, sondern nach Baden fahre. Es gab schon Kollegen, die wegen einer solchen Verwechslung auf einer leeren Bühne gestanden haben.

Redaktion

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