Brühl. Der CDU-Gemeindeverband Brühl/Rohrhof präsentierte im katholischen Pfarrzentrum eine Benefizlesung, die von Wein, Whisky und Wurstbroten begleitet wurde. Im „Bernhardusstübchen“ war der CDU-Landtagsabgeordnete und Autor Andreas Sturm zu Gast, der aus seinem Buch „Born to be Wild(e)“ las, in dem er das faszinierende Leben und Wirken des irischen Schriftstellers Oscar Wilde beleuchtet.
Veronika Pfister und Gerhard Zirnstein von der Brühler Kolpingfamilie hatten die Tische schön herbstlich dekoriert und eine zünftige Vesperplatte hergerichtet. Wolfram Gothe zitierte zur Begrüßung den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe: „Trunken müssen wir alle sein! Jugend ist Trunkenheit ohne Wein; trinkt sich das Alter wieder zu Jugend, so ist es wundervolle Tugend. Für Sorgen sorgt das liebe Leben, und Sorgenbrecher sind die Reben.“ Der Erlös des Genussabends für den schillernden irischen Schriftsteller geht zugunsten der ökumenischen Nachbarschaftshilfe.
Wein und Whiskey in Brühl zu Ehren des „unsterblichen Dandys“
Andreas Sturm hatte drei Weine im Gepäck: Einen fruchtigen Riesling vom Leimener Weingut Adam Müller sowie einen Grauburgunder und einen Spätburgunder Cuvée vom Weingut Klumpp aus Bruchsal. Letzteres liefert seit Jahren ins Schloss Bellevue für den Bundespräsidenten und dessen Gäste, berichtete Sturm.
Beim Whiskey hatte sich der Shakespeare- und Wilde-Kenner für den „Writers Tears“ entschieden, der den Schriftstellern Irlands gewidmet ist. Ein irisches Sprichwort besage, wenn ein irischer Poet weint, fließen Tränen aus Whiskey. Berühmte Schriftsteller wie Oscar Wilde oder James Joyce ließen sich von dem Lebenswasser inspirieren. Wer wollte, konnte mit einem rauchigen „Talisker Storm“ aus Schottland vergleichen.
Sturm berichtete: Im Jahr 1895 bejubelt London im Februar noch die scharfsinnigen Gesellschaftskomödien seines Starautors, im April wird Wilde vor Gericht gezerrt, mit Schande überschüttet und seiner Existenz beraubt. In einem spektakulären Schauprozess, begleitet von einer beispiellosen Hetzkampagne, wird er wegen seiner Homosexualität verurteilt. Es folgen Schreibverbot, Absetzung all seiner Bühnenstücke und gesellschaftlicher Ruin. Am Ende ist er mittellos und verstoßen.
Andreas Sturm stellt in Brühl Zitate von Wilde denen anderer Promis gegenüber
Fünf Jahre später stirbt Wilde im Pariser Exil – verarmt, aber mit einem Champagnerglas in der Hand, bewahrt er seine Ironie: „Ich sterbe, wie ich gelebt habe: über meine Verhältnisse.“ Sturm nahm das Publikum mit auf eine Entdeckungsreise zu einem „unsterblichen Dandy“. Dandys waren ein radikaler Gegenentwurf zum herrschenden Männlichkeitsideal der damaligen Zeit.
Der Autor aus Neulußheim bat seine Zuhörerschaft, bei einem Quiz einige Zitate den zwei scharfzüngigen Genies Oscar Wilde und Karl Lagerfeld zuzuordnen. Das war gar nicht so einfach. „Beide forderten mit ihrer bissigen Ironie etablierte Überzeugungen heraus“, schreibt Sturm im zweiten Kapitel seines Buches. Ein Exkurs zur „flüssigen Lebenskunst des Oscar Wilde“ fehlte auch nicht. „Kein kultivierter Mensch bereut jemals einen Genuss, und kein unkultivierter Mensch weiß, was Genuss ist“, habe es Wilde einst auf den Punkt gebracht. Whiskey verkörpert seine Wurzeln zur literarischen Blütezeit Irlands. Champagner seine Sehnsucht nach einem außergewöhnlichen Leben. Absinth symbolisiert die dunklere, dekadente Seite seiner Lebenskunst.
„Genuss war für ihn kein Akt des Konsums, sondern eine Kunst – eine sinnliche Erfahrung, die das Leben in Schönheit und Stil veredelt“, las Sturm aus seinem Buch vor. Viele Künstler ließen sich von dem 1854 in Dublin geborenen Schriftsteller inspirieren, darunter David Bowie und Elton John. Auf dem legendären Cover des Beatles-Albums „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von 1967 mit zahlreichen abgebildeten Stars steht Wilde direkt hinter Lennon, was die tiefe Verbindung zwischen den beiden verdeutlicht. Das verlangte nach weiteren Zitaten, die von Wilde oder Lennon stammten.
Im Kapitel „Social Media: Ein modernes Bildnis des Dorian Gray“ geht Sturm auf „die Gefahren eines Lebens, das sich allein auf die Inszenierung nach außen konzentriert“, ein. Der Begriff „Dorian-Gray-Syndrom“ bezeichnet eine psychische Störung, wenn Menschen das Altern nicht akzeptieren können und auf die ständige Selbstoptimierung zurückgreifen. Einer Studie zufolge haben schon 25 Prozent der Nutzer einer Dating-Plattform bei ihren Angaben zum Alter, Beziehungsstatus oder Gewicht gelogen.
Autor sieht „Parallelen zu unserer Schaffung virtueller Profile“
Wildes Geschichte von Dorian Gray „weist Parallelen zu unserer Schaffung virtueller Profile auf“, erläuterte Sturm. „Born to be Wild(e)“ bedeute, den Geist von Oscar Wilde zu bewahren: „Gefährlich wird es danach, wenn Menschen ihr öffentliches Bild – online und im richtigen Leben – exzessiv pflegen und dies nicht aufrechterhalten können. Das fordert seinen Tribut.“
Das letzte Kapitel von Sturms Abhandlung beschäftigt sich mit der „zeitlosen Ikone“ Oscar Wilde, der mit „Das Bildnis des Dorian Gray“ seinen einzigen Roman verfasste. Schriftsteller, Dandy, Visionär des Ästhetizismus und Kämpfer für individuelle Freiheit. „Im Zeitalter von Social Media wäre Wilde mit seiner schillernden Persönlichkeit und seinem Wortwitz einer der größten Influencer“, fasst Sturm in seinem Buch zusammen. „Seien Sie wild. Seien Sie einzigartig“, lautete seine abschließende Empfehlung bei der CDU-Benefizlesung.
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