Festhalle

Lesung von Elke Heidenreich in Brühl: Unterwegs in Raum und Zeit

Die Autorin begeisterte das Publikum in einer voll besetzten Festhalle mit ihren Büchern "Ihr glücklichen Augen" und "Altern". Mit ihrer Neugier und ihrem Esprit brachte sie Freude und Aufhellung in die dunklen Zeiten.

Von 
Stefan Kern
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Elke Heidenreich zündet in der Festhalle ein literarisches Brillantfeuerwerk. © Dorothea Lenhardt

Brühl. Bücher machen glücklich. Gut nicht alle und nicht zu jeder Zeit. Aber die von Elke Heidenreich auf jeden Fall. Und wenn sie dann noch selber liest, scheint der Himmel in Reichweite. So war es jedenfalls in der voll besetzten Festhalle, in der das Glück, wenn es ein Fluss wäre, zu einem gewaltigen Strom angequollen wäre. Die Worte aus ihren beiden Büchern des Abends, einmal aus ihrem Reisebuch „Ihr glücklichen Augen“ und einmal aus ihrem Buch „Altern“ hellten dunkelste Mienen auf.

In unseren aufgeregten Zeiten, die ohne Frage auch hin und wieder ins hysterische abrutschen, ist das nicht wenig. Das Leben in der Welt, auch wenn der Untergang in Deutschland vermeintlich stets hinter der nächsten Ecke lauert, ist ein Wunder. Ob auf ihrer Reise im Raum oder in der Zeit. Heidenreich dürfte eine der tollsten Reiseführerin in dieser Welt voller Wunder sein. Denn sie ist der Beleg für das Diktum des griechischen Philosophen Aristoteles: „Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel richtig setzen.“

81 Jahre und voller Esprit: Elke Heidenreich begeistert in Brühl

Und die hat sie ganz offensichtlich richtig gesetzt. Sie ist 81 Jahre alt und so voller Neugier, Esprit und Charme, dass sich ihr in der Festhalle niemand auch nur einen Augenblick entziehen konnte. Ermöglicht hat dieses literarische Brillantfeuerwerk in der Hufeisengemeinde, das soll nicht unerwähnt bleiben, die Inhaberin der Bücherinsel, Barbara Hennl-Goll.

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Es scheint fast, dass sie sich mit dieser Lesung selbst ein großes Geschenk gemacht hat. „Ich kann es kaum glauben, aber es ist wahr, sie ist hier.“ Und dann stand sie auf der Bühne und schon der erste Applaus deutete das Basis-Begeisterungsniveau an.

Lesung in Festhalle in Brühl handelt zunächst von Reisen

Ihr erstes Buch des Abends handelt von ihren zahlreichen Reisen, wobei man keinen Reiseführer im klassischen Sinn erwarten darf. Vielmehr geht es um Menschen, Eindrücke und Momente, die auch für sie unwiederholbar sind. Und genau deswegen sind sie wertvoll. Denn es entsteht ein zutiefst humanistisches Bild vom Menschen.

Sie hat ihn nicht zitiert, aber in der Art wie sie über Menschen spricht über ihre Begegnungen, auch die unverstandenen, steht sie ohne Frage auf der Seite von Erich Maria Remarque, dem Autor des legendären Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“: „Der Mensch ist gut – trotz allem.“

Die Worte aus den beiden Büchern von Elke Heidenreich – einmal aus ihrem Reisebuch „Ihr glücklichen Augen“ und einmal aus ihrem Buch „Altern“ – hellen im Publikum die Mienen auf. © Lenhardt

Los ging es in Mailand mit ihrer Freundin Inge Feltrinelli. Die deutsch-italienische Fotografin und Verlegerin, berühmt wegen des Bildes mit Ernest Hemingways und einem Schwertfisch, war ein Paradiesvogel, mit dem Heidenreich in Mailand offensichtlich Spaß hatte. Nicht nur lernte sie von Picasso über Umberto Eco bis zu Günter Grass und Richard Ford Unmengen berühmte Leute kennen, sie entdeckte auch die verwunschenen Villen mit ihren geheimen Zitronengärten.

Autorin Heidenreich entführt Brühler bei Lesung nach China

In Zürich ging es dann mit Freundinnen ins legendäre „Frauebadi“ an der Limmat, wo Frauen unter sich dem Leben mit Crémant und Lindt-Trüffel offensichtlich ein Fest bereiten. Toll, ohne sich ein Reim darauf machen zu können, sei der Anblick einer muslimischen Frau gewesen. Zu erkennen am akkurat gebundenen Kopftuch. Überraschend aber, „sie war oben ohne und hatte einen sehr knappen String an“.

Weiter ging es dann nach Peking, wo ein bayerisches Hofbräuhaus nach Hühnerbeinen, Kuhaugen und Schweineohren zum ersehnten kulinarischen Highlight wurde. In Thessaloniki schwärmte sie für einen schönen Kellner. In Nagasaki spürte sie, wie sehr der Satz des englischen Philosophen Thomas Hobbes „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, wohl zutreffen kann. Im Rom rührte sie die Römische Pietà von Michelangelo zu Tränen. „Wie kann ein so junger Mensch, Michelangelo war damals 25 Jahre alt, so etwas perfektes schaffen?“

Nach diesen Reisen im Raum wandte sich Heidenreich der Zeit zu. Und auch da lösten ihre Gedanken Jubelstürme aus. Das Altern betrachtete sie ganz anders, als man es meist zu hören bekommt. Eine Abenteuerreise, auf die es sich zu freuen gilt.

Bei Elke Heidenreich ist das Glas gut gefüllt

Erste Regel, „nicht auf den Tod warten, der findet die Tür allein“. Am Ende gehe es um die Entscheidung, das Glas ist halbvoll oder eben halbleer. In ihren Worten: „Alles ist ein Wunder oder nichts ist ein Wunder.“

Bei Heidenreich ist das Glas übrigens eher zu zwei Drittel gefüllt, alles ist ein Wunder und ihr Status, glücklich, gelassene Heiterkeit. Sie schaut gerne schönen Männern nach und staunt wohl jeden Tag. Heidenreich sieht das Leben wie der tschechische Autor Bohumil Hrabal. „Das Leben ist zum Verrücktwerden schön. Nicht, dass es so wäre, aber ich sehe es so.“ Eine ansteckende Weltsicht.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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