Brühl. Der Abend in der Villa Meixner, so viel vorab, hat gutgetan. Obwohl schon 2019 konzipiert, trifft das Programm „Keine Zeit für Pessimismus“ von Matthias Brodowy den Nerv der Zeit geradezu verblüffend exakt. Es ist das richtige Programm zur richtigen Zeit. Und es zeigte Wirkung. Seine kabarettistischen Höhenflüge mit und ohne Klavier hellten den Gemütshorizont der Besucher im Brühler Kulturpalast in den ersten Augenblicken auf.
Im Publikum machte sich schon nach wenigen Minuten eine Mischung aus Fröhlichkeit und Zuversicht breit, die ansonsten in Deutschland wahrlich nicht der natürliche Aggregatzustand ist. Und so wäre es schön, es gäbe einen Zauber, mit dem der Mann aus Hannover und sein Programm auf ein Flugblatt passten, das man dann über Deutschland abwerfen könnte, um die Pessimisten etwas zu irritieren. Die Welt hätte es bitter nötig. Wie sehr, das mache ein Mann deutlich, der auf einem Kreuzfahrtschiff erklärte, dass es uns noch nie so schlecht ging.
Dieser ist in den Augen Brodowys übrigens ein Pessimist vierter Ordnung. Der Pessimist erster Ordnung ist dagegen jemand, der Schlimmes befürchtet, sich dann aber freuen kann, wenn es besser kommt. In der zweiten Ordnung finden sich alle, die Schlimmes befürchten und wenn es dann besser kommt, etwas anders finden, was jetzt noch schlimmer ist.
Seit 5000 Jahren im Kulturverfall?
Und die in der dritten und vierten Stufe nehmen etwaige Verbesserungen gar nicht mehr wahr. Der Werte- und Kulturverfall ist aus dieser Perspektive mindestens seit den diesbezüglichen Aufzeichnungen der Sumerer auf Tontafeln vor 5000 Jahren unaufhaltsam.
Für Brodowy und seine Gäste scheint dagegen der Satz zu gelten: „Pessimisten haben die Welt noch nie besser gemacht“. Oder wie es Luther sagte: „Aus einem verzagten Arsch, kommt kein fröhlicher Furz“. Wirklichkeit müsse überlistet werden und zwar mit Humor, damit man besser mit ihr zurande käme, unterstrich Brodowy.
Matthias Brodowys witzige Fahrkartenkontrolle
Wichtig ist ihm, dass die Menschen lächeln. Sie sollten humoristisch und anarchistisch sein. Ein Vorschlag, wie das bewerkstelligt werden könne. ist, einen Fahrstuhl zu betreten und die Mitfahrer um die Fahrkarten zu bitten. Oder man kann auch an der Kasse nach dem Jahr fragen und dann theatralisch erklären : „Ich bin zu spät!“
Neben viel Nachdenklichem rund um das gelingende Miteinander, einmal sogar auf Plattdeutsch, hatte Brodowy auch keine Angst vor echtem Blödsinn. Seine Ausführungen zur Toilettenkultur rund um Zielfliegen in der Pissoir-Keramik, fremde Bräute in seinem Hotelzimmer oder immer mehr Slim-Line-Hemden für ein Land, in dem die Männer immer dicker werden, machten einfach Spaß.
Am Ende mutierten das Nachdenkliche und das anarchisch Blödsinnige in eine Melange, die zumindest ein paar Dinge wieder gerade-rücken könnte. Zum Beispiel den Wandel vom heliozentrischen in ein egozentrisches Weltbild auszubremsen.
Mehr Lächeln, mehr Humor, die Bedeutung des Sozialen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ernst nehmen sowie hin und wieder zu den Sternen gucken, könnten da wahre Wunder bewirken, erklärte Matthias Brodowy seinen Zuhörern in der Villa Meixner.
Wie heißt es bei Stan Nadolnys Buch „Entdeckung der Langsamkeit“ doch so schön: „Das Beste, was von einem bleibt, ist man meistens nicht selbst.“ Das Land, ach was, die Welt, könnte von diesen Pessimismus-allergischen-Ansichten ganz klar mehr gebrauchen. Also, Optimisten an die Macht.
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