Brühl. Es sind die gleichen Augen, in die man sich vor so vielen Jahren verliebt hat, in die man in jeder Lebenslage geblickt hat und die über viele Jahre das Gleiche gesehen haben wie man selbst – doch plötzlich wirken sie anders, nicht mehr wie das Tor zur tiefen Seele, viel mehr wie Relikte aus längst vergangenen Zeiten, die die Überreste der leeren Hülle eines Menschen schmücken.
Etwa so kann es sich in einer Partnerschaft anfühlen, wenn das Gegenüber an Demenz erkrankt. Zu lernen, mit der Erkrankung und dem Menschen umzugehen, ist dann essenziell – nicht nur für den Ehepartner, sondern für die gesamte Umgebung des Erkrankten.
In der Festhalle in Brühl ist das dank der Veranstaltung „Demenzknigge“ des Netzwerks Brühl/Rohrhof am Donnerstag, 21. September, möglich. Die Diplompflegepädagogin und Pflegewissenschaftlerin Cornelia Grünkorn, die bei der Veranstaltung referieren wird, hat im Vorfeld zur Veranstaltungen Fragen unserer Redaktion beantwortet.
Bei der Veranstaltung „Demenzknigge“ in der Festhalle sind Sie als Referentin eingeladen. Was können die Besucher erwarten?
Grünkorn: Bei der Veranstaltung „Demenzknigge“, zu der das Netzwerk Brühl/Rohrhof einlädt, geht es zunächst um die Begriffserklärung und die verschiedenen Demenzformen. Weiter werden die verschiedenen Stadien mit ihren spezifischen Symptomen dargestellt. Ein wichtiger Part wird die Kommunikation und Beziehungsaufnahme mit Menschen mit Demenz sein, ebenso die eigene Einstellung und Wertehaltung gegenüber Menschen mit Demenz. Unter dem Motto: „Erst verstehen, dann handeln“ wird der Demenzknigge detailliert besprochen! In diesem Zusammenhang wird auch auf die Gefühlslage von Menschen mit Demenz eingegangen. Am Ende gibt es noch Tipps für unterstützende Faktoren für eine gute Hirnleistung im Alter. Der Flyer „Demenzknigge“ bekommen alle Teilnehmenden kostenlos.
Können Sie uns einen Einblick in den „Knigge“ für Demenzerkrankte geben?
Grünkorn: Wie der Name „Knigge“ schon sagt, hat der „Demenzknigge“ etwas mit Umgangsformen zu tun. Er ist ein Leitfaden zur Beziehungsgestaltung mit Menschen mit Demenz. Folgende neun wichtige Leitthemen sind im „Demenzknigge“ enthalten: Da geht es um die Berücksichtigung der Selbstbestimmung, um die Begegnung auf Augenhöhe, man sollte Blickkontakt aufnehmen und dem Gegenüber uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, die Einfachheit im Gespräch beachten, keine Korrektur der momentanen Wirklichkeit vornehmen, Aussagen nicht wörtlich oder persönlich nehmen, keine Überforderung verlangen und schließlich für eine ruhige Umgebung sorgen.
Zur Person: Cornelia Grünkorn
Cornelia Grünkorn ist Fachkrankenschwester für Intensivmedizin, Diplompflegepädagogin und Pflegewissenschaftlerin.
1971 bis 1974 Ausbildung zur Krankenschwester am Kreiskrankenhaus Bad Hersfeld und war dort anschließend auf einer Abteilung der Inneren Medizin tätig.
1975 bis 1976 absolvierte sie eine Fachweiterbildung Innere Medizin und Intensivpflege am Universitätsklinikum Rechts der Isar in München mit anschließender Tätigkeit dort.
Es folgte die Weiterbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe in der Fortbildungsakademie für Gesundheitshilfe in Köln und die Unterrichtstätigkeit an der Krankenpflegeschule des St. Josefskrankenhaus in Heidelberg, die sie ab 1986 leitetE.
Berufsbegleitend studierte sie „Weiterbildung für Lehrpersonen an Schulen des Gesundheitswesens mit der Studienfachrichtung Krankenpflege an der Universität Osnabrück.
Von 1989 bis 1998 Leitung der Weiterbildungsstätte für Fachkrankenpflege an den Städtischen Kliniken Frankfurt-Höchst.
Berufsbegleitend studierte sie 1992 „Pflegepädagogik“ an der Humbold Universität Berlin mit Abschluss als Diplompflegepädagogin 1995, weitere Tätigkeit in den Städtischen Kliniken Frankfurt-Höchst.
1998 bis 2017 leitete Grünkorn das Bildungshaus Diakonie des Diakonischen Werkes Baden in Karlsruhe.
Berufsbegleitend schloss sie 2000 ein „Postgraduiertenprogramm Pflegewissenschaft“ an der Universität Witten/Herdecke als Pflegewissenschaftlerin ab und absolvierte sie 2000 und 2001 ein Kontaktstudium „Frauen in Führung“ an der Universität Karlsruhe sowie 2006 und 2007 „Diversity Training – Transkulturelle Kompetenz im Gesundheits- und Sozialwesen“ im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf.
Seit Juli 2017 ist sie in Rente und als freiberufliche Dozentin tätig. ras
Wie kann man schnell Ursachen der Demenz erkennen?
Grünkorn: Die Ursachen einer Demenz kann man leider nicht schnell erkennen. Dies ist auch nur differentialdiagnostisch durch den Arzt möglich. Für den Umgang mit Menschen mit Demenz spielt das aber keine Rolle.
Was müssen Menschen, die Demenzerkrankte pflegen, vor allem beachten?
Grünkorn: Es macht hier keinen Sinn einzelne Pflegeparts zu separieren. Hier geht es um den ganzen Menschen und alle Parts spielen ineinander und sind wichtig. Zum Beispiel die Gestaltung der sozialen Umwelt, ebenso wie die Gesprächsführung oder die körperliche Bewegung und das Hirntraining.
Was können Angehörige tun, um das schwindende Selbstwertgefühl eines an Demenz zunehmend leidenden Menschen zu stützen?
Grünkorn: Respekt, Anerkennung und Wertschätzung des Menschen mit Demenz sind Grundvoraussetzungen. Hier gilt: Der Demente bleibt nach wie vor eine Person – das stellt auch der personenzentrierte Ansatz nach Tom Kitwood fest. Die Beziehung zum Menschen mit Demenz und die soziale Unterstützung sind wesentliche Faktoren für seine Lebensqualität. Das Hauptaugenmerk ist nicht auf Heilung der Demenz ausgelegt – das ist auch noch nicht möglich – sondern auf Wohlbefinden und eine gelingende Beziehung.
Was schlägt der „Knigge“ vor, wenn eine Demenzerkrankung im näheren Umfeld vermutet oder festgestellt wird?
Grünkorn: Der „Knigge“ schlägt hierzu nichts vor, da er ein Leitfaden für die Beziehungsgestaltung ist. Wenn eine Demenz vermutet wird, sollte sie schnellstmöglich durch einen Arzt diagnostiziert werden.
Wann sollten Angehörige, die einen Demenzerkrankten pflegen, weitere Hilfen in Anspruch nehmen?
Grünkorn: Für Angehörige ist es wichtig, nach Feststellung der Demenz, sich entsprechend zu informieren, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie der zum „Demenzknigge“, bei Pflegestützpunkten, Krankenkassen und entsprechenden Pflegeeinrichtungen. Bevor der Stress für Angehörige zu groß wird, sollte rechtzeitig weitere Hilfen durch die genannten Anbieter in Anspruch genommen werden. Viele Pflegeeinrichtungen bieten bereits Tagespflege und einige sogar Nachtpflege an, sodass die Angehörigen tagsüber oder in der Nacht entlastet sind.
Info: Die Veranstaltung „Demenzknigge“ des Netzwerks Brühl/Rohrhof findet am Donnerstag, 21. September, von 15 bis 17 Uhr statt. Eine Anmeldung: ist nicht erforderlich, die Teilnahme ist kostenfrei.
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