Brühl. „Kauf Dir einen bunten Luftballon. Nimm ihn fest in deine Hand. Stell dir vor, er fliegt mir dir davon in ein fernes Märchenland.“ Dr. Anja Pohsner spielte die Tasten des Flügels und verwandelte bei der kommunalen Altenbegegnungsstätte das evangelische Gemeindezentrum in eine Musikveranstaltung der goldenen Ufa-Zeit von den 1920 bis in die 1960er Jahre. Mit den Hits der Film- und Musikgrößen wie beispielsweise Marlene Dietrich oder Zarah Leander beziehungsweise beim Einführungsschlager Alda Noni nahm sie ihr Publikum mit und ließ es mit den Schlagern in Nostalgie schwelgen.
Die Musiktitel wurden dabei von der Referentin aufgearbeitet und – insbesondere bei den Streifen der NS-Propaganda – in den geschichtlichen Kontext der damaligen Zeit eingeordnet.
Besonders hervorgehoben wurden von ihr die während der Zeit des Nationalsozialismus verstaatlichten Ufa-Studios, welche mit bekannten Filmen wie beispielsweise „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl oder „Der ewige Jude“ von Fritz Hippler ein sehr wichtiger Teil des Propagandapparats des Regimes waren.
Viele bekannte Melodien
Doch die Ideologie kam auch seichter daher. Viele in der Branche gaben dem Druck von außen nach, derjenige, der sich nicht fügen wollte, lief Gefahr, alles zu verlieren. Hits wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ aus dem Film „Der blaue Engel“, mit dem Marlene Dietrich zum Star wurde, oder „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ aus dem Film der „Tanz auf dem Vulkan“ mit Gustaf Gründgens wurden von Pohsner am Klavier angestimmt und sollten das Publikum zum Mitsingen animieren – wenngleich Pohsner nicht unbedingt die Tonlage ihres Publikums traf.
„Eigentlich kannte ich alle Lieder, die wurden in meiner Jugend rauf- und runtergesungen“ schildert Sigrid Ruf im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Schlager erinnern sie an eine Zeit des Aufschwungs und des Anpackens.
Bevor ein neuer Titel vorgestellt und gespielt wurde, erwähnte die Referentin stets, in welchem Verhältnis der Interpret zum damaligen Regime stand. Sie ist der Auffassung, dass die Kunst selbst und die damaligen Hintergründe nicht voneinander trennbar sind.
Jedoch sollte man die Leistungen der Interpreten trotzdem wertschätzen und sich der Hintergründe ihres Handelns und der damaligen Zeit bewusst sein. Der Film und die Musik waren ihrer Meinung nach ein wichtiges Ventil für die Bevölkerung – auch in einer Zeit der Propaganda und Zensur. Dr. Pohsner ist Musikwissenschaftlerin und beschäftigt sich mit den verschiedensten Musikepochen.
Doch die Besucher betonten, dass der Nachmittag nicht nur Eitelsonnenschein bot. Leider seien die bekannten Lieder am Klavier in einer Tonart angestimmt worden, bei der viele Besucher nicht mitsingen könnten. Dadurch verlor das insgesamt spannende Thema vieles an Esprit. Pia Gärtner und auch Daniela Gaisbauer hatten dennoch einen Nachmittag bei der kommunalen Altenbegegnungsstätte konzipiert, der schön war.
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