Brühl. „Die einen sehen, dass das Glas halb voll, die anderen, dass es halb leer ist.“ Mit dieser Binsenweisheit fasste Bürgermeister Dr. Ralf Göck die sehr differenzierten Stellungnahmen der Gemeinderatsfraktionen zum kommunalen Haushalt zusammen. Er sehe mehr Grund, Zuversicht zu verbreiten, „wir haben Jahre von Krisen hinter uns, in denen unsere Haushalte sich im Abschluss positiv entwickelt haben“, meinte er.
Deshalb wollen er mit schlechten Zahlen den Menschen keine Angst machen, denn „wir haben die Kraft, unsere Gemeinde weiterzuentwickeln“, unterstrich Göck mit Nachdruck.
Bürgermeister Dr. Ralf Göck: Ein gutes Zeichen
Schon in früheren Jahren habe man in der mittelfristigen Planung zweistelligen Millionenbeträgen als Schulden ausgewiesen, die dann nie in Anspruch genommen worden seien. Und deshalb sehe er auch jetzt die Entwicklung der Verbindlichkeiten des kommunalen Etats in den kommenden Jahren nicht mit schwindendem Optimismus.
Dass der Haushaltsentwurf für das laufende Jahr mit der mittelfristigen Finanzplanung am Ende den Segen aller Ratsmitglieder erhielt, wertete der Bürgermeister als gutes Zeichen, dass man die weitere Gemeindeentwicklung trotz eventuell negativer Vorzeichen gemeinsam angehen werde. Er sehe 2023 jedenfalls als Jahr der Fertigstellung und Spatenstiche.
Bernd Kieser: Liquidität ist gesichert
Bernd Kieser (CDU) sprach zwar von einer deutlichen Verbesserung des Jahresergebnisses 2022 gegenüber der ursprünglichen Planung, der dem Verkaufserlös des FVB-Areals in Höhe von 17,3 Millionen Euro geschuldet sei, doch werde das erfreuliche Ergebnis getrübt durch die Planzahlen für 2023. „Im Ergebnishaushalt erwarten wir beim ordentlichen Ergebnis ein Minus von rund 4,6 Millionen Euro“, stellte er fest. Der Ertragsteigerung bei den Steuereinnahmen (rund 1,1 Millionen Euro) stehe die Reduzierung von Schlüsselzuweisungen des Landes in Höhe von 1,2 Millionen gegenüber. „Grund sind die hohen Gewerbesteuereinnahmen aus den vergangenen Jahren, die die Steuerkraft der Gemeinde nachhaltig verbessert haben.“
Mehrausgaben bei den Personalaufwendungen (1,1 Millionen), den Kosten für Heizung und Strom (865 000) – obwohl man Energiesparmaßnahmen in die Wege geleitet habe – und Transferaufwendungen des Landes (515 000) würden laufende Kosten ansteigen lassen. Gerade bei den Personalkosten für die Kinderbetreuung und bei der Flüchtlingsunterbringung sah er Bund und Land in der Pflicht, nicht nur Aufgaben zu vergeben, sondern sich auch an den Kosten dafür zu beteiligen. Es solle der Grundsatz gelten: „Wer bestellt, der zahlt!“
Kieser zeigte auch angesichts vieler Investitionen das Schrumpfen der Rücklagen in den kommenden Jahren auf. „Zusammenfassend bleibt aber festzustellen, dass die Liquidität der Gemeinde derzeit gesichert ist“, so der CDU-Sprecher.
Klaus Pietsch: Erheblich Anlass zur Sorge
Von einer problematischen Haushaltsentwicklung sprach Klaus Pietsch (FW), denn der defizitäre Ergebnishaushalt bei dem die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen immer größer werde, und der hohen Investitionstätigkeit würden zu stark wachsenden Schuldenständen in den kommenden Jahren führen. Die durch der Verkauf des FVB-Areals generierten Einnahmen seien nur temporäre Bilanzerscheinung und bereits komplett verplant. Hinzu kämen Finanzfaktoren allgemeiner Natur wie Energiekostensteigerung und Inflation. „Völlig unklar sind auch die künftigen Kosten für Maßnahmen des Klimaschutzes.“
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben drifte also auseinander. Er erkannte da im Haushaltsplan das Prinzip Hoffnung. Die ordentlichen Erträge stiegen zwar, doch die Ausgabe wüchsen schneller. „Ein gesunder Haushalt soll aber einen Überschuss erwirtschaften, der dann zur Finanzierung von Investitionen zur Verfügung steht“, stellte Pietsch fest. Doch die vorgelegte Finanzplanung sei, sinnbildlich gesprochen, infektiös. Auf der Ausgabenseite würden Personal- und Versorgungskosten steigen, bei den Einnahmen sei bei Steuern und Gebühren das Ende der Fahnenstange erreicht. Man könne eine verbesserte Finanzsituation nur durch Kostenreduzierung und Beschränkungen der Investitionen erreichen. „Die Entwicklung gibt erheblich Anlass zur Sorge“, so der FW-Sprecher.
Hans Hufnagel: Situation entspannt
Nachdem Hans Hufnagel (SPD) einen detaillierten Blick auf das Zahlenwerk geworfen hatte, stellte er die Frage, wie die Planzahlen zum Ergebnishaushalt zu bewerten seien – ob die Gemeinde es schaffe, diesen Etat auszugleichen, beantwortete er klar: nein. Doch habe sich alles in allem die finanzielle Situation der Gemeinde durch den Erlös aus dem Verkauf der Grundstücke am Schrankenbuckel entspannt.
In der mittelfristigen Planung seien die prognostizierten negativen Ergebnisse bis 2015 durch Entnahmen aus dieser Rücklage gedeckt. „Dies ist wichtig auch für die Genehmigung der kommenden Haushalte durch die Aufsichtsbehörden“, betonte Hufnagel.
Bei den Investitionen für 2023 – immerhin 5,8 Millionen Euro an Baumaßnahmen – stellte er fest, dass der Schwerpunkt auf den bereits bekannten Projekten liege: abschließende Bautätigkeit im Sportpark-Süd (1,3 Millionen), drei neue Kita-Gruppen im Anbau zum Pavillon (500 000), raumlufttechnische Anlagen, die Dachsanierung im Kindergarten St. Michael, Klimaschutzmaßnahmen, wie die Ausweitung der Solarthermie im Freibad, und weitere technische Anpassungen. „Wichtig für uns als SDP-Fraktion ist die Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen in der Zuständigkeit der Gemeinde“, so Hufnagel, der in diesem Zusammenhang auch auf das geplante Gemeindewohnhaus in der Albert-Einstein-Straße (500 000) verwies.
Peter Frank: Nachhaltigkeit beachten
Einen ganz anderen Ansatzpunkt bei der Stellungnahme hatte Peter Frank (GLB). Die allgemeinen Unsicherheiten seien sehr groß. Aber genau in Krisenzeiten dürfe man die fundamental wichtigen Ziele für die Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren. Das seien der generationsübergreifende soziale Frieden und Zusammenhalt im Ort und der Klimaschutz, der die Lebensgrundlagen, die Umwelt und damit rückwirkend den gesellschaftlichen Zusammenhalt bestimmten. Investitionen müssten mit dem Ziel der Nachhaltigkeit und der Klimaneutralität gedacht werden. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, meinte Frank, „aber es bedarf noch viel deutlicherer Beschleunigung des Wandels“. Beispiele seien eine Attraktivierung des ÖPNV und schrittweise Verkehrsberuhigung bis hin zum „Boulevard Brühl“ – einer Begegnungszone für Fußgänger auf den derzeitigen Hauptverkehrsachsen.
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