Im Porträt

Was macht eigentlich ... Gerhard Stratthaus?

Von 
Lukas Heylmann
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Brühl. Im Grunde muss man Gerhard Stratthaus nicht mehr vorstellen. In der Region ist er als ehemaliger Bürgermeister Brühls und früherer Oberbürgermeister von Schwetzingen bekannt. Später war er Baden-Württembergs Finanzminister und gehörte dem Leitungsausschuss des Finanzmarktstabilisierungsfonds an.

Stratthaus war dort eines der drei Vorstandsmitglieder, die 480 Milliarden Euro verwaltet haben. Als er davon berichtet, holt er auch sofort eine Anekdote hervor: „Wir saßen damals um etwa Mitternacht in Frankfurt und ich war der Meinung, so spät sei es nicht mehr notwendig, unsere Aufgaben zu besprechen. Da wies mich ein älterer Banker darauf hin, dass in wenigen Minuten die Börse in Tokio öffne und wir natürlich gerade jetzt aufmerksam sein müssten. Heute mag das nichts Besonderes mehr sein, aber ich habe da erstmals gemerkt, was es bedeutet, dass die ganze Welt vernetzt ist.“

Zur Person

Der Brühler Ehrenbürger Gerhard Stratthaus wurde am 22. März 1942 in Heidelberg geboren.

Stratthaus war von 1968 bis 1973 Mitglied des Gemeinderats und anschließend bis 1981 Bürgermeister von Brühl.

Zwischen 1981 und 1998 war er Rathauschef in Schwetzingen – zunächst als Bürgermeister und nach der Erhebung von Schwetzingen zur großen Kreisstadt 1993 als Oberbürgermeister.

1992 wurde Stratthaus als Vertreter des Wahlkreises 40 in den Landtag gewählt. Von 1996 bis 1998 war er dort finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Dem Europaausschuss stand er bis 2011 vor.

Er war von 1998 bis 2008 Finanzminister des Landes Baden-Württemberg.

Stratthaus war zeitweise Vorsitzender des Aufsichtsrats der Badischen Staatsbrauerei Rothaus und bis vor Kurzem weiterhin ein Mitglied des Gremiums. Dem Aufsichtsrat des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mit Sitz in Mannheim gehört er immer noch an.

Außerdem war er Vorstandsmitglied des Finanzmarktstabilisierungsfonds.

Stratthaus lebt in Rohrhof. lh

Zu solchen Aufgaben von recht großer Prominenz kamen stets mehrere Aufsichtsratstätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen. Tatsächlich bezeichnet er im persönlichen Gespräch seine Zeit als Verwaltungschef in Schwetzingen als die wohl interessanteste in seiner Laufbahn. Im Vergleich dazu lässt es der 79-Jährige inzwischen deutlich ruhiger angehen.

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Im Aufsichtsrat des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist Stratthaus allerdings noch aktiv. Des Weiteren engagiert er sich in der Stiftung Kaiserdom in Speyer und ist im Landesvorstand der Seniorenunion seiner Partei CDU. Beendet hat er seine Tätigkeit im Aufsichtsrat der Schweizer Firma Usedsoft sowie bei der Rothaus-Brauerei.

Die Freizeit ist mehr geworden

„So drei- bis viermal im Jahr habe ich aber immer noch Kontakt zu Rothaus“, erklärt der frühere Finanzminister im Gespräch. „Aus Freundschaft und in einer beratenden Funktion – auch wenn ich nichts vom Bierbrauen verstehe.“ Da drängt sich natürlich die Frage auf, zu welchem Bier er privat greift, aus Freundschaft zu Rothaus oder aus Lokalpatriotismus zu Welde. „Ich trinke, was man mir serviert“, kommentiert Stratthaus grinsend.

Obwohl er noch nicht alle Positionen aufgegeben hat, ist klar, dass inzwischen mehr Freizeit zur Verfügung steht als noch vor Jahren. Doch wie füllt er die? „Ich lese intensiver Zeitung als früher“, berichtet er. „Mindestens eineinhalb Stunden am Tag verbringe ich damit.“

In diesem Zusammenhang lässt er verlauten, dass er auch diese Zeitung täglich liest. „In meiner Zeit als Minister habe ich die Schwetzinger Zeitung im Auto gelesen, wenn man mich abgeholt hat.“ Seit jeher – so sagt er selbst – lese er den Lokalteil zuerst.

Das Zeitunglesen ist allerdings keineswegs Stratthaus’ einziger regelmäßiger Zeitvertreib, denn tatsächlich geht er jeden Tag wandern. Für gewöhnlich zieht es ihn dabei der Einfachheit halber in die Schwetzinger Wiesen, die sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Haus in Rohrhof befinden und wo er erst kürzlich auch Andre Baumann, Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, über den Weg lief.

Einmal die Woche geht Stratthaus mit der Wandergruppe des Schwetzinger Liederkranzes, in dem er seit langen Jahren passives Mitglied ist, in der Pfalz wandern. „Normalerweise sind wir da in der Gegend zwischen Landau und Edenkoben“, erzählt er. Besonders die kleine Ortschaft Frankweiler im Landkreis Südliche Weinstraße habe es ihm angetan.

Begeisterung für die Alpen

Wenn es Stratthaus und seine Ehefrau in die Ferne zieht, also Urlaub ansteht, steht das ebenfalls im Zeichen der Bewegung, früher das Skifahren, heute wird auch fern der Heimat vor allem gewandert. Ein bevorzugtes Reiseziel sind dabei die Alpen, ganz besonders das Engadin in der Schweiz. Dort schätzt der frühere Minister neben der Landschaft besonders die Nähe zu Italien. „Hinter der Grenze ist dann das Essen nur halb so teuer, aber doppelt so gut“, witzelt er.

Auch in Italien hat er einen Favoriten unter den Städten: Florenz. „Das ist eine sehr spannende Stadt. Vor Ort habe ich mich vor Jahren auch mit der Geschichte der dortigen Bürgermeister beschäftigt und festgestellt, wie unbedeutend ich da im Vergleich war“, kommentiert er amüsiert.

Wenn es Gerhard Stratthaus nicht zum Wandern oder ins Ausland zieht, verbringt er viel Zeit mit Lesen, wovon auch seine amtlich bestückten Bücherregale zeugen. Besonders schwärmt er von russischen Autoren wie Fjodor Dostojewski und Leo Tolstoi. „Ich mochte an diesen Büchern immer, dass man in ihnen tatsächlich etwas über die russische Lebensrealität erfährt“, erläutert er. Bei einem solchen Wälzer wie Tolstois „Krieg und Frieden“ mit seinen mehreren tausend Seiten sei aber auch er nicht ohne einen Notizzettel als Hilfsmittel ausgekommen.

Wer mit Gerhard Stratthaus spricht, hört die eine oder andere Anekdote, die aufgrund der beteiligten Personen aus Politik und Gesellschaft – nicht zuletzt die bald ehemalige Kanzlerin Merkel – durchaus beeindruckend klingen. Dass dahinter aber ein nahbarer und ruhiger Mensch mit sehr gewöhnlichen Interessen steckt, wird im selben Zug auch deutlich – am meisten dann, wenn er über seine Heimatregion spricht.

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