„Wildfang“

Dürrenmatts "Die Physiker" von Eppelheims Theaterensemble "Wildfang"

Das Theaterensemble feiert die Premiere von Dürrenmatts „Die Physiker“, obwohl Regisseurin Meryem Riester kurzfristig eine erkrankte Darstellerin ersetzen muss.

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Sabine Geschwill
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Schon wieder ein Mord in der Irrenanstalt! Der Inspektor und sein Kollege schauen bei der schockierten Anstaltsärztin vorbei. © Sabine Geschwill

Eppelheim. Die Proben verliefen reibungslos und die Vorfreude auf die Premiere war riesengroß. Aber dann ist genau das eingetreten, was das Theaterensemble „Wildfang“ unbedingt vermeiden wollte: Zwei Tage vor der Premiere ihres neuen Stücks „Die Physiker“, einem Drama aus der Feder von Friedrich Dürrenmatt, erkrankte mit Diana Spitznagel ausgerechnet eine Hauptdarstellerin, deren Charakterrolle sich durch den gesamten Zweiakter zieht.

Alle Aufführungen platzen zu lassen, kam für „Wildfang“ mit seinem Vorsitzenden Manuel Kahl nicht infrage. Als dieser bei der ausverkauften Premiere im katholischen Gemeindezentrum „St. Franziskus“ vor das Publikum trat, waren ihm glücklicherweise nur aufgrund seiner Rolle im Stück „graue Haare“ gewachsen, denn das Ensemble hatte Glück im Unglück: Ensemblemitglied Meryem Riester war zum idealen Zeitpunkt aus ihrer Elternzeit zurückgekehrt und hatte sich bereit erklärt, die Regiearbeit, mit der sie im Januar begann, für das Dürrenmatt-Drama zu übernehmen.

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Eppelheim: Premiere von "Die Physiker" beim Theaterensemble Wildfang

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Als Spitznagel dann erkrankte, schlüpfte sie kurzerhand in deren Rolle. „Sie hatte nur zwei Tage Vorbereitung, um den Text zu lernen. Sie hat sich richtig hineingekniet“, lobte Kahl. In der Tat: Die Verkörperung der alten, buckligen, verbitterten und nach Macht strebenden Irrenärztin Mathilde von Zahnd, deren besonderes Augenmerk drei vermeintlichen Physikern galt, gelang ihr wunderbar.

Regen, Blitz und Donner

Regenwetter herrschte am Premierenabend nicht nur draußen, sondern auch drinnen. Die gut 100 Premierenbesucher wurden im abgedunkelten Theatersaal von Blitz und Donner, Regengeprassel, Nebelschwaden und Krähengeschrei empfangen. Erst nach einigen Minuten durchschnitt plötzlich eine Stimme die unheilvolle Atmosphäre: „Na, haben Sie sich erschrocken? Herzlich willkommen in der Heilanstalt!“

"Die Physiker" werden nochmals an diesem Samstag, 5. November, ...

"Die Physiker" werden nochmals an diesem Samstag, 5. November, um 16 und um 20 Uhr sowie am Sonn tag, 6. November, um 15 Uhr im katholischen Gemeindezentrum aufgeführt. Restkarten gibt es vor Ort. sge

Gleich in der ersten Szene gab es die erste Leiche. Irene Straub (Tabea Bühler) lag regungslos am Boden. Inspektor Voß (Manuel Kahl) und Kriminaltechniker Blocher (Max Blischke) waren schon vor Ort, ebenso der Bestatter (Roman Kahl). Die Krankenschwester war offensichtlich von einem der drei „Physiker“, dem Patienten Ernst Heinrich Ernesti (Florian Herrmann), genannt Einstein, erdrosselt worden, der als Geheimagent ein Doppelleben führt.

Während der Befragung von Oberschwester Marta Boll (Elisabeth Klett) zu dem Vorfall, wird der Inspektor von ihr konsequent belehrt und daran erinnert, dass er sich in einer Heilanstalt befinde, in der kranke Menschen gepflegt werden. Daher spreche man hier nicht von einem „Mörder“, sondern von einem „Täter“ und es sei auch kein „Mord“, sondern ein „Unglücksfall“ geschehen.

„Auch Gesunde morden“, meinte Boll, um den Vorfall etwas zu relativieren. Allerdings war es schon das zweite „Unglück“ in der Anstalt. Zwei Monate zuvor war Krankenschwester Dorothea Moser ermordet worden. Auch hier war der Täter bekannt: Nämlich jener Physiker, der sich für Isaac Newton (Markus Lotzenburger) hält, aber in Wahrheit ein eingeschleuster Geheimagent ist. Und bald schon sollte Monika Stettler (Sandra Linzmair) das Zeitliche segnen. Die blutjunge Krankenschwester hatte gerade dem echten Physiker Johann Wilhelm Möbius (Lars Göbel), dem Entdecker der Weltformel, die Macht und Weltherrschaft verspricht, ihre Liebe gestanden.

Die Physiker Newton, Möbius und Einstein besprechen die Lage der Dinge. Nach den Morden an den Krankenschwestern werden sie von den Pflegern ganz genau beaufsichtigt. © Geschwill

Gier nach Macht

„Ich weiß, dass Sie nicht krank sind“, erklärte sie und wollte ihn heiraten. „Sie rennen in Ihr Verderben“, warnte Möbius und drehte dem jungen Ding kurzerhand den Hals um, damit seine wissenschaftlichen Erkenntnisse und das große Geheimnis um seine Person gewahrt bleiben konnten. „Es gilt meinen Wahnsinn durch einen Mord zu beweisen“, gab er als Begründung für die Tötung an. Selbst gegenüber seiner Ex-Frau Lina Rose (Gudrun Hagemeister) spielte er den Verrückten, damit sie mit einem anderen Mann auswandern und glücklich werden konnte.

Doch danach wendet sich das Blatt: Die drei „Physiker“ geraten aneinander. Schließlich geben sie zu, dass sie in Wahrheit nicht verrückt sind. Die beiden Agenten sind hinter der „Weltformel“ von Möbius her, die er zu schützen versucht, indem er sich als Irrer in die Heilanstalt einliefern ließ. Die drei gelangen zu der Erkenntnis: „Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken. In der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.“

Jedoch haben die Physiker die Rechnung ohne die machtgierige Anstaltsärztin und ihre Gefolgsleute Uwe Sievers (Mirko Stumpf) und Murillo (Konrad Schubert) gemacht. Sie eröffnete Möbius, dass sie sich seine Manuskripte angeeignet habe, noch bevor er sie vernichten konnte. Während die Physiker auf eigenen Wunsch als „Verrückte“ im Irrenhaus bleiben, will die Anstaltsleiterin die Aufzeichnungen zu Geld machen, ohne dabei die große Gefahr für die Menschheit zu bedenken.

Mit minutenlangem Applaus wurde das Ensemble für die grandiose Leistung gefeiert. Auch die Licht- und Tontechniker Wolfgang Philipp und Benedict Zweig sowie das Bewirtungsteam bekamen reichlich Beifall für ihren Beitrag am Erfolg.

Freie Autorin Ich bin seit 1995 als freie Journalistin und Fotografin für die Schwetzinger Zeitung im Einsatz und betreue dabei hauptsächlich den Lokalbereich Eppelheim.

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