Gemeinderat

Folgen der Pandemie bei Eppelheimer Jugendlichen spürbar

Die professionelle Postillon-Arbeit hat sich an allen vier Eppelheimer Schulen etabliert, doch die Folgen der Pandemie sind bei den Jugendlichen unübersehbar.

Von 
Volker Widdrat
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Der Eppelheimer Jugendtreff „Altes Wasserwerk“ an der Schwetzinger Straße in Richtung Plankstadt. Daneben das Gelände des Naturkindergartens. Vielen Jugendlichen sind die Angebote des Jugendhauses nicht bekannt und die Öffnungszeiten sind begrenzt. Das soll sich künftig ändern. © Widdrat

Eppelheim. Der Verein Postillion betreibt im Auftrag der Stadt Eppelheim die Mobile Jugendarbeit und die Schulsozialarbeit. Der Gemeinderat hatte um Tätigkeitsberichte in schriftlicher Form gebeten und diese nun als Vorlage erhalten. In der jüngsten Sitzung informierten Stefan Lenz und Lars Kunitsch über die Postillion-Arbeit in den vergangenen zwei Jahren und beantworteten Fragen des Gremiums. Die Schulsozialarbeit hat sich als eine fachlich fundierte, professionelle Unterstützung an allen vier Eppelheimer Schulen mit zusammen 1927 Schülern etabliert.

Individuelle Beratung und Einzelfallhilfe für Schüler sowie das Arbeiten mit den Klassen sind Hauptsäulen der Arbeit. Die Angebote orientieren sich an dem jeweiligen Bedarf der Schule. Die Schließungen während der Corona-Pandemie bedeuteten den zeitweisen Verlust der sozialen Räume für die Schüler, „in denen Freunde getroffen werden, ein Miteinander eingeübt wird und Auseinandersetzungen unter Gleichaltrigen stattfinden können“, heißt es in dem Bericht. Die sozialen und psychischen Auswirkungen seien deutlich sichtbar, führte Kunitsch aus.

Rückkehr zu mehr Prävention

In dem Bericht ist die Rede von gehäuften gewalttätigen Auseinandersetzungen auf den Schulhöfen, von Jugendlichen mit hohem Gesprächsbedarf zu den Themen Depressionen, selbstverletzendem Verhalten, suizidale Gedanken, von vermehrt vorkommenden Essstörungen bei jungen Menschen, sehr auffälligen Verhaltensweisen von Grundschulkindern, massiven Trennungsängsten bis hin zur Schulverweigerung sowie von Gesprächsbedarf bezüglich ihrer eigenen familiären Situation. Die Probleme träfen zum Glück nicht auf alle Kinder und Jugendlichen zu.

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Man wisse um den pädagogischen Auftrag. Die Rückkehr zu mehr präventiver Arbeit in den Klassen, die Resilienzförderung des Einzelnen, das Agieren in der Gruppe, die Fortsetzung von „Spiel mit“-Projekten und die schulübergreifende Zusammenarbeit blieben die wichtigsten Aufgaben für das laufende Schuljahr.

Lenz ging auf den ausführlichen Bericht ein. Das vergangene Jahr sei „sehr schwierig“ gewesen. In Eppelheim startete das Projekt „Mobile Kindersozialarbeit“, das sich im Besonderen an Kinder und Teenies richtet, die im öffentlichen Raum auffallen oder früh das Jugendhaus aufsuchen. „Neben der direkten Arbeit optimieren wir administrative, planerische und konzeptionelle Inhalte“, heißt es im Bericht weiter. Die Mitarbeiter der Mobilen Jugendarbeit böten lösungsorientierte Unterstützung bei allerlei Problemen, die die Jugendlichen mit ihnen besprechen möchten: „Die Themen und Lebenslagen von jungen Menschen sind vielseitig und reichen von Liebeskummer bis zu massiven Problemlagen wie Beziehungskrise, Stress zu Hause oder in der Schule oder Abhängigkeiten.“

Fünf Jugenddiscos geplant

Erfahrungsgemäß sind im öffentlichen Raum in der kalten Jahreszeit weniger Kinder und Jugendliche anzutreffen. Sie suchen in dieser Zeit verstärkt die Räume der Mobilen Jugendarbeit auf. Für dieses Jahr sind mindestens fünf Jugenddiscos geplant. Es soll Kochaktionen geben.

Die Mädchengruppe „What about Girls“ soll intensiviert werden. Einmal pro Woche soll ein Mittagstisch angeboten werden. Jugendliche sollen bei der Jobsuche und bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen sowie bei der Vorbereitung zum Bewerbungsgespräch begleitet und unterstützt werden.

Renate Schmidt (SPD) betonte die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit und der offenen Jugendarbeit. Corona hätte den Jugendlichen arg zugesetzt: „Man könnte fast von der verlorenen Generation sprechen.“ Viele Jugendliche wüssten nichts vom Jugendhaus, „vielleicht weil es keine klaren Öffnungszeiten gibt“. Jugendarbeit in Eppelheim sei „unverzichtbar“, die Angebote müssten aber mehr kommuniziert werden.

Unabdingbar sei vor allem auch eine gute Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen. Früher sei man noch davon ausgegangen, dass Schulsozialarbeit lediglich an Brennpunktschulen notwendig sei, „das hat sich mittlerweile an allen Schularten als notwendig erwiesen“.

Die Kinder- und Jugendarbeit habe in den letzten Jahren durch die Corona-Pandemie unter großen Herausforderungen gelitten, meinte Marc Böhmann (Grüne): „Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir in Eppelheim vielfältige Angebote haben.“ Die Jugendlichen des Jugendbeirats seien offensichtlich mit den Angeboten des Jugendhauses für ihre Altersgruppe nicht zufrieden, regte Böhmann an, dass sie auch abends das Außengelände als Begegnungsstätte nutzen können. Das vorgesehene Außengelände gegenüber des Naturkindergartens sollte dafür geprüft werden.

Streetworker zielführender?

Die Schulsozialarbeit müsse ausgeweitet werden, meinte Volker Wiegand (CDU/FDP). In die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen müsse viel Zeit investiert werden. Bernd Binsch (Eppelheimer Liste) hatte den Eindruck, „dass die Angebote im Jugendhaus von vielen nicht angenommen werden beziehungsweise nicht bekannt sind“. Grundsätzlich sollte man hinterfragen, „ob die teilweise gravierenden Probleme mit Drogen und Gewalt oder Waffen mit einem Ausbau der Schulsozialarbeit über bewältigt werden können oder ob eine Herangehensweise mit einem Streetworker nicht zielführender wäre“. Der Gemeinderat nahm einstimmig Kenntnis von dem Bericht.

Ohne Gegenstimmen genehmigte das Gremium auch den Ausbau der Schulsozialarbeit. Die Schulsozialarbeit soll dauerhaft mit den Stellenanteilen durchgeführt werden, die der Gemeinderat zeitlich befristet bis zum Ende des Schuljahrs 2022/23 bewilligt hat. Die Kosten, die die Stadt nach Abzug der Zuschüsse für 2023 aufbringen muss, betragen rund 147 200 Euro. Für 2024 kommen die Kosten auf rund 181 800 Euro.

Die Differenz erklärt sich aus dem Wegfall der Zuschüsse aus dem Corona-Aufholpaket sowie dem höheren Zuschussbetrag des Landes bis Juli dieses Jahres.

Das Land hat seine pauschale Erhöhung wieder auf den ursprünglichen Zuschussbetrag zurückgefahren. Dadurch werden die Kommunen wieder mehr belastet.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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