Im Interview

Rebmann zum Weltfrauentag: „Karrieren werden beim Pinkeln gemacht“

Zum Weltfrauentag gibt Eppelheims Bürgermeisterin Patricia Rebmann einen Einblick in ihre Erfahrungen als Stadtchefin – und ermutigt Frauen und Mädchen.

Von 
Catharina Zelt
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Bürgermeisterin Patricia Rebmann hält eine Broschüre zum Frauenwahlrecht in den Händen. © Stadt Eppelheim

Eppelheim. Lange mussten Frauen kämpfen, bis vor über 100 Jahren das erste Mal endlich auch ihre Stimmen in der Politik Gehör fanden. Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts im November 1918 war ein Meilenstein – und trotzdem sind die meisten hohen politischer Ämter heute nach wie vor von Männern besetzt. Wie groß die Kluft ist, zeigt etwa eine Statistik von Katapult: In Deutschland gibt es Stand Juni 2020 mehr Großstädte, deren Bürgermeister Thomas heißt, als Bürgermeisterinnen in dem Amt. Zum Weltfrauentag erzählt Bürgermeisterin Patricia Rebmann von ihren Erfahrungen als Stadtchefin und ermutigt Frauen und Mädchen, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Frau Rebmann, gab es Momente, in denen Sie dachten: „Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich es jetzt einfacher“?

Zur Person: Patricia Rebmann

Patricia Rebmann ist am 19. Juni 1978 in Speyer geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1997 am Gymnasium am Kaiserdom schlug sie die Verwaltungslaufbahn ein.

Danach trat sie ein Fachhochschulstudium zur Diplom-Verwaltungswirtin an, anschließend ein Aufbaustudium zur zertifizierten Kommunalmanagerin. Sie arbeitet bei der Stadtkasse Ludwigshafen, war dort Abteilungsleiterin des Ordnungsamtes, dann stellvertretende Amtsleitung.

Nach ihrer Tätigkeit in der Geschäftsstelle des Bezirksbeirates wurde sie Leiterin der Bürgerdienste im Mannheimer Süden und Standesbeamtin. Schließlich leitete sie die Fahrerlaubnisbehörde.

Seit August 2017 ist Patricia Rebmann Bürgermeisterin von Eppelheim. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. zg

Patricia Rebmann: (lacht) Ständig. Mein festes Auftreten entspricht meiner Überzeugung. Diese Durchsetzungsfähigkeit wird bei einem Mann als selbstbewusst ausgelegt – bei einer Frau oft als zickig.

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Haben Sie sich als Bürgermeisterin schon einmal nicht ernst genommen gefühlt, weil Sie eine Frau sind?

Rebmann: Möglich, dass das zu Beginn einer ersten Begegnung hin und wieder der Fall war oder ist. Aber mein Gegenüber lernt sehr schnell, dass man mich ernst nehmen sollte. Ich glaube, das kommt daher, weil Frauen eine andere Herangehensweise an viele Sachverhalte haben als Männer. Daran müssen sich die Männer erst einmal gewöhnen.

Wie haben Ihr privates Umfeld und auch Außenstehende auf Ihre Kandidatur reagiert?

Rebmann: Das war völlig unterschiedlich. Meine Mutter hat sich gefreut. Sie hat ja auch immer darauf hingearbeitet, dass ich weiß: Mädchen sind genauso viel wert wie Jungen. Ein Geschlechterunterschied wird oft anerzogen. Er spielt aber beruflich keine Rolle. Meine Mutter hat immer gesagt: „Du kannst alles werden, was du möchtest.“ Diese Botschaft gilt übrigens für alle Kinder hierzulande. Ich habe meiner Mutter geglaubt – und sie hat ja auch recht behalten. Ich bin heute Bürgermeisterin, weil sie mich zu einem Menschen erzogen hat, der weiß, was er leisten und aushalten kann. Bei Außenstehenden war das anders. Ich möchte als Beispiel nur ein Zitat aus meinem früheren beruflichen Umfeld geben: „Für fünf Prozent wird sie schon gut sein. Lassen wir sie’s doch probieren.“

Nur etwa neun Prozent (Stand 2020) der Gemeindeoberhäupter sind Frauen. Was halten Sie von einer Frauenquote in den Gemeinde- beziehungsweise Stadtverwaltungen?

Rebmann: Das klingt schon so negativ. Als ich noch jünger war, dachte ich, wir Frauen müssen uns einfach nehmen, was uns zur Hälfte zusteht. Weil wir es doch genauso gut können. Heute habe ich eine andere Meinung dazu. Der Löwenanteil der Studierenden an Verwaltungsfachschulen besteht aus Frauen. Wenn man in Gemeinde- und Stadtverwaltungen schaut, ist die Frauenquote in den unteren Bereichsebenen sehr hoch. Je weiter es aber in der Hierarchie nach oben geht, desto geringer wird der Frauenanteil. Mein Mann hat das Thema ganz treffend umschrieben: „Karrieren werden beim Pinkeln gemacht.“ Und da sind wir Frauen naturgemäß nicht dabei. Deshalb denke ich heute: Die Frauenquote sollte noch viel mehr diskutiert werden.

Aus einer Statistik von EAF Berlin geht hervor, dass Bürgermeisterinnen im Zuge ihrer Kandidatur häufiger auf Widerstand stoßen, mehr Vorbehalte aufgrund ihres Geschlechts erfahren und auch öfter Beleidigungen, Bedrohungen oder sogar sexueller Belästigung ausgesetzt sind als ihre männlichen Mitstreiter. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Rebmann: Ich habe das Gefühl, dass die Hemmschwelle für Beleidigungen und Diffamierungen im Allgemeinen niedriger wird. Ich kann es nicht beurteilen, ob Frauen häufiger davon betroffen sind als Männer. Ich glaube, das Geschlecht spielt dabei weniger eine Rolle. Aber jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Wie alle anderen Amtskolleginnen und auch Amtskollegen bekomme auch ich beleidigende Nachrichten – meistens sind es E-Mails. Im direkten Gespräch sind verbale Entgleisungen seltener. Wir sollten nie vergessen, dass wir glücklicherweise in einer Demokratie leben. Und da sollte ein anständiger Diskurs möglich sein und bestehen bleiben.

Werden Frauen Ihrer Meinung nach in der hauptamtlichen Kommunalpolitik unterschätzt? Warum?

Rebmann: Wir Frauen haben oft eine andere Gesprächsatmosphäre. Es mag sein, dass dies manchmal belächelt wird und in der Folge zu Unterschätzung führt. Das wäre ein Fehler, denn wenn es um die Sache geht, vertreten wir hartnäckig unseren Standpunkt und bleiben ausdauernd bei der Sache.

Woran liegt es, dass deutlich weniger Frauen Bürgermeisterinnen sind als Männer Bürgermeister?

Rebmann: Frauen spüren intensiv für sich, was sie aushalten wollen und was nicht. Dieser Beruf ist nun einmal kein Ponyhof. In dieser Position werden oft Wunden geschlagen, oft auch zu Unrecht. Das muss man aushalten können und immer wieder überprüfen, ob man das noch will.

Würden Sie sich selbst als Feministin bezeichnen?

Rebmann: Ich habe die tiefe Überzeugung, dass Frauen auch alles werden können.

Was würden Sie Frauen gerne mit auf den Weg geben, die sich ebenfalls für ein Amt in der Politik interessieren?

Rebmann: Ich glaube, politische Ämter sind ohne die Unterstützung der Familie auf Dauer nicht gesund. Deshalb sollte man diesen Punkt vor einer Kandidatur klären. Als Frau braucht man in einer verantwortungsvollen Position die Kombination von Rückhalt und Freiheit in noch höherem Maß als Männer. Ich bin Mutter, Ehefrau, Hausfrau – und Bürgermeisterin. Alle Aufgaben und Rollen fülle ich mit Leib und Seele aus. Das schaffe ich aber nur, weil meine Familie mich das auch tun lässt. Grundsätzlich möchte ich allen Mädchen und Frauen mit auf den Weg geben: Lasst Euch nicht aufhalten!

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