Bärenstark

Bärenstark: Ein Programm für mehr Kindersicherheit in Brühl

Das Projekt „Bärenstark“ von Wing-Tsun-Lehrer Andreas Klostermann soll Kinder selbstbewusst und stark machen. Das Selbstverteidigungstraining startet an der Schillerschule in Brühl.

Von 
Rebecca Jankowski
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Thomas Rodriguez (l.) und Andreas Klostermann mit Bao, dem Bären. © Rebecca Jankowski

Hockenheim/Brühl. Kindersicherheit ist heute ein zentrales Bedürfnis vieler Eltern. „Es hat sich in den letzten Jahren viel verändert in der Welt. Einfache Stopp-Hände reichen hier nicht mehr aus. Die werden einfach ignoriert oder sogar übergangen“, erklärt Wing-Tsun-Meister Andreas Klostermann aus Hockenheim. Mit seinem neuen Programm „Bärenstark“ will er Kinder, Lehrer und Erzieher fit machen im Umgang mit Konflikten – noch bevor diese eskalieren.

„Konflikte werden oft zu spät erkannt, und zwar dann, wenn sie schon am Eskalieren sind und körperlich werden“, sagt Klostermann. Sein Ansatz setzt früher an: „Einem Konflikt geht immer irgendetwas voraus. Es eskaliert selten von jetzt auf gleich. Dass Kinder sich selbst behaupten und verteidigen können, ist daher enorm wichtig. So können potenzielle Konflikte rechtzeitig vermieden werden.“

Prävention statt Eskalation ist das Motto von Andreas Klostermann

Seit sechs Jahren führt der Wing-Tsun-Meister seine Schule in Hockenheim, Kinder unterrichtet er jedoch schon seit drei Jahrzehnten. Bereits Vierjährige lernen dort spielerisch, wie sie in schwierigen Situationen reagieren können. Er gibt ein Beispiel: „Jemand hat einem Kind die Schaufel auf den Kopf gehauen. Dann muss das Kind lernen, zur Erzieherin oder Lehrerin zu gehen und das Geschehene zu schildern, sodass diese eingreifen können. Tun sie es nicht oder nicht rechtzeitig, muss das Kind lernen, sich zu wehren.“

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Von Trainern, die Kinder lehren, Situationen einfach auszuhalten, hält er nichts: „Wenn ein Kind gewürgt wird, beispielsweise, verliert es binnen zehn Sekunden das Bewusstsein. Sich hier nicht zu wehren, wäre also lebensbedrohlich. Wir Erwachsenen würden auch keine Situation aushalten wollen, in der wir festgehalten werden. Warum erwarten wir das dann von unseren Kindern?“, fragt der Trainer.

Uneinigkeit bei der Selbstverteidigung lähmt im Handeln

Bisher wurde Klostermann von Schulen meist nur punktuell engagiert – einmalige Kurse, wenn Konflikte schon schwelen. Doch das reichte ihm nicht mehr. „Oft haben wir ja das Problem, dass die Schüler mit verschiedenen Herangehensweisen konfrontiert werden, wie sie mit Konflikten umzugehen haben. Sei es von der Polizei, von anderen Selbstverteidigungsarten oder von Eltern, die sagen ‚hau drauf bevor du gehauen wirst‘, oder ‚lauf lieber weg‘ bis hin zu den Schulen, die sagen, wir sind gewaltfrei.“ Das Ergebnis sei oft Unsicherheit: „Am Ende werden sie dadurch handlungsunfähig“, findet der Wing-Tsun-Lehrer. Für Klostermann war klar: Kinder brauchen eine einheitliche, klare Orientierung und Erwachsene in ihrem Umfeld ebenfalls.

Um hier Abhilfe zu schaffen, entwickelte Klostermann das Programm „Bärenstark“. Ab Oktober sollen die Grundschüler der Schillerschule Brühl damit arbeiten. Das Ziel: eine gemeinsame Sprache finden, Eskalationsstufen erkennen und wissen, wie reagiert werden kann. „Wenn alle wissen, inklusive der Lehrer und Erzieher, was Sache ist, dann kann einheitlich reagiert und unterstützt werden.“ Die Frage, die er sich bei der Entwicklung stellte, war: Wie kann ich ein Konzept bauen, das alle abholt und auf die Reise mitnimmt? Wichtig war ihm zudem, dass Kinder das Gelernte auch in Stresssituationen abrufen können. „Wenn man selbst zittrige Knie bekommt, einen trockenen Mund, nervös wird, können wir selbst kaum abrufen, was zu tun ist. Das Konzept musste also klar und einfach sein“, erklärt Klostermann.

Bao der Bär zeigt bei der Selbstverteidigung den Weg

Das Programm ist seit Anfang September beim Patentamt registriert. Andreas Klostermann hat es über Jahre hinweg in Kursen erprobt und immer wieder angepasst. Hauptfigur ist Bao der Bär. „Bao steht für der Beschützende oder Schützende. Und den Namen Bao können selbst die Kleinsten einfach aussprechen“, sagt der Trainer. Einzigartig sei, dass alle Konfliktphasen beleuchtet werden: vor dem Konflikt, währenddessen und danach. Lehrer und Erzieher können das Konzept in nur vier Stunden erlernen.

Für Kinder wird Bao der Bär zu einer Identifikationsfigur. Statt abstrakter Regeln steht ein Sympathieträger im Mittelpunkt, der Orientierung gibt. Pädagogisch ist das klug gedacht, denn Geschichten und Figuren bleiben im Gedächtnis und helfen, in entscheidenden Momenten richtig zu reagieren.

Pilotprojekt mit Kinderbildungszentrum Brühl startet im Oktober

Mit der Schillerschule Brühl startet im Oktober das erste „Bärenstark“-Projekt überhaupt – ein echtes Leuchtturm-Vorhaben. Träger ist der Förderverein ‚Kinderbildungszentrum Brühl‘ (Förderverein Schillerschule - Sonnenschein Kindergarten), der gleichermaßen für Schule, Hort und Kindergarten zuständig ist. Das Kinderbildungszentrum ist die erste Institution in der Region, die das Programm vollständig umsetzen möchte und damit Vorreiter für weitere Einrichtungen werden kann.

Die Idee, Klostermann ins Boot zu holen, kam von Tanja Schmitt, deren Kinder selbst im Wing-Tsun aktiv sind. Zweiter Vorsitzender des Kinderbildungszentrums Brühl, Thomas Rodriguez, war anfangs zurückhaltend. Erst als er Klostermann persönlich kennenlernte, war er überzeugt: „Danach war mir klar: Was er da macht und vorhat, ist super wichtig.“ Doch bevor das Projekt starten konnte, mussten auch Kollegium und Schulleitung überzeugt werden. Klostermann spielte dafür reale Situationen mit den Lehrkräften durch und konnte zeigen, wie künftig besser reagiert werden kann. Auch die Schulleitung war schnell an Bord und stellte die dafür benötigten Ressourcen bereit.

Das Projekt „Bärenstark“ wird durch Sponsoren finanziert

Rodriguez und Klostermann wollen das Programm langfristig nicht nur an der Grundschule, sondern auch im Hort und Kindergarten etablieren. Doch das kostet Geld. „Obwohl Andreas uns da ja wirklich entgegengekommen ist mit seinem Angebot, war klar, dass wir Sponsoren finden mussten“, erzählt Rodriguez. Dank der Unterstützung der Hypovereinsbank München, seinem Arbeitgeber, konnte die Finanzierung zunächst gesichert werden. „Ohne die großzügigen Spenden, auch von Eltern aus dem Förderverein, hätten wir im Oktober wahrscheinlich nicht mit dem Projekt starten können.“

Geplant ist, dass alle Grundschüler in ihren jeweiligen Klassen in je einer Doppelstunde mit Bärenstark geschult werden. „Wir wollen im ersten Schritt die Basics vermitteln, sodass alle auf dem gleichen Stand sind“, sagt Klostermann. Später soll das Wissen weiter vertieft werden.

Andreas Klostermann will sein Projekt an weitere Schulen und Kindergärten bringen

Klostermann selbst denkt schon weiter. Sein Ziel ist es, das Programm in den kommenden Jahren auch an andere Schulen und Kindergärten in der Region zu bringen. „Wir haben hier die Chance, Standards zu setzen“, sagt er. Für Brühl bedeutet das, Teil eines Projekts zu sein, das weit über die Gemeindegrenzen hinaus Strahlkraft entfalten kann.

Wie sich das neue Konzept künftig auf das Miteinander auf dem Pausenhof auswirkt, bleibt abzuwarten. Doch eines ist jetzt schon sicher: Der Grundstein für mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein der Brühler Grundschüler ist gelegt – dank Bao, dem Bären.

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