Gemeinderat

Containerlösung für Unterbringung von Flüchtlingen in Hockenheim

Bei der jüngsten Sitzung zeigt sich der Hockenheimer Gemeinderat verärgert über den schlechten Zustand der Rathausstraße 8, statt dort sollen Flüchtlinge nun in Containern untergebracht werden.

Von 
Markus Müller
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Noch im Frühjahr hat die Rathausstraße 8 als Rettung für das Unterbringen Schutzsuchender gegolten, mittlerweile steht sie als Sanierungsfall und damit als Fehlinvestition fest. © Mühleisen

Hockenheim. Für das Debakel um den Erwerb des Anwesens Rathausstraße 8 – der früheren Geriatrischen Rehaklinik – solle sich die Stadtspitze entschuldigen. Das forderte Grünen-Fraktionschefin Elke Dörflinger in der Sitzung des Hockenheimer Gemeinderats am Mittwoch. „Für die Fehleinschätzungen“, erläuterte sie.

Was war passiert? Die Stadt hatte im Februar 2023 das Gebäude dem Rhein-Neckar-Kreis für 6,5 Millionen Euro abgekauft, um dort auf die Schnelle bis zu 80 Flüchtlinge unterzubringen. Mittelfristig wollten die Hockenheimer hier insgesamt rund 300 schutzsuchenden Menschen eine sichere Bleibe bieten und das Gebäude – so entschied es der Rat im März 2024 – zu einem Haus der Kulturen entwickeln. Das Konzept sah vor, dort die Integrationsbeauftragte, die lokale Agenda und ein Quartiermanagement anzusiedeln.

Teil eins des Plans scheiterte am Widerstand von Hockenheimer Altenheim

Teil eins des Plans scheiterte am Widerstand des Altenheims St. Elisabeth, das die Immobilie als vorübergehendes Ausweichquartier nutzte. Teil zwei ist fraglich und würde frühestens in zwei Jahre funktionieren, da die Immobilie stark sanierungsbedürftig ist. Teil drei geht nicht ganz auf, weil die Stadt anstelle von 300 Flüchtlingen oder Obdachlosen höchstens 120 einquartieren darf, sofern ihr die angestrebte Nutzungsänderung genehmigt wird. Ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2015 hatte die Verwaltung anscheinend übersehen.

Hier setzte Elke Dörflinger (Grüne) mit ihrer Kritik an. Kern der desaströsen Entwicklung in der Rathausstraße 8 sei, dass die Verantwortlichen dem Rat nicht sorgfältig genug zugearbeitet hätten. „Sei es bei der unzureichenden Prüfung der Rechtslage, bei der Begutachtung des Gebäudes oder durch fehlende juristische Beratung“, erklärte sie.

Ein weiteres Problem sah sie in dem ständigen Handlungsdruck beim Thema Flüchtlingsunterbringung. In Hockenheim sei dieser hausgemacht, da die Stadt seit Jahren nicht so viele Flüchtlinge aufnehme, wie sie eigentlich müsste. „Der Kreis hat dies gutwillig mitgetragen“, sagte sie. Bleibe das Gebäude im Besitz der Stadt, bedeute das einen weiteren finanziellen Nackenschlag für die Hockenheimer Steuerzahler. Zu dem hohen Kaufpreis kämen in diesem Fall nämlich die Sanierungskosten, deren Höhe momentan offen sei.

Hockenheimer Grüne fordern eine Entschuldigung von der Stadtspitze

Neben einer Entschuldigung erwarte ihre Fraktion von der Verwaltungsspitze künftig rechtssichere und umfassendere Prüfungen, bevor sie dem Rat Konzepte zum Beschluss vorlegt, erklärte Dörflinger. Darüber hinaus forderte sie einen verantwortungsvolleren Umgang mit Steuergeldern, einen aktiveren Dialog mit den Bürgern und eine zeitnahe sowie realistische Kostenkalkulation für die notgedrungene Containerlösung.

Die Idee mit dem Haus der Kulturen in der Stadtmitte sei toll gewesen, bekräftigte Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg. Die nun zutage getretenen Schwierigkeiten änderten indes nichts daran, dass die Stadt verpflichtet sei, die ihr zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Um das zu bewerkstelligen, habe die Verwaltung mit dem Landratsamt ausgehandelt, dass sie zwei große Containeranlagen verwenden darf. Eine für 204 Personen wird die Stadt vom 1. April 2025 an für zunächst drei Jahre in der Brühler Straße 10-12 anmieten – mit der Option für zwei weitere Jahre. Die andere Anlage wird sie für sieben Jahre in der 4. Industriestraße anmieten, wo bis zu 110 Menschen unterkommen sollen. „Das ist natürlich keine optimale Lösung“, gab Jakob-Lichtenberg zu. „Aber es ist eine Lösung.“ Zumal die einzige Alternative das Belegen von Turnhallen wäre. Daneben sei das Landratsamt damit einverstanden, das Integrationsmanagement in der Regie der Stadt Hockenheim zu belassen. „Für unsere Geflüchteten hatten wir bisher einen Dienstleistungsvertrag mit dem Deutschen Roten Kreuz. Wir streben auf Wunsch dieses Gremiums und der Horan-Gemeinden an, diesen fortzuführen, weil wir sehr zufrieden sind.“

Prinzipiell pflichtete Dörflinger ihm bei. Das Haus der Kulturen mitten in der Stadt wäre besser gewesen – das sahen alle Fraktionen so –, hätte gar ein Leuchtturmprojekt werden können. Die Grünen bedauerten sehr, dass es sich nicht umsetzen lasse. Die Flüchtlinge stattdessen außerhalb des Stadtzentrums unterzubringen, erschwere ihre Integration. Weitaus schlechter wären aber Turnhallen gewesen.

Freie Wähler Hockenheim sehen die ganze Entwicklung als äußerst unglücklich

Als äußerst unglücklich bezeichnete Gabi Horn (FWV) die ganze Entwicklung. „Wir mussten sehr schnell sehr viele Menschen unterbringen und wussten nicht, wohin mit ihnen. Die Rathausstraße 8 erschien uns da wie ein Lichtblick. Leider kam es anders“, erklärte sie. Beim Kauf hätten alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. „Natürlich müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir uns den Kaufvertrag nicht angeschaut haben“, räumte Horn ein. Doch es habe ein großer Zeitdruck geherrscht und alles in Ordnung gewirkt. In der neuen Beschlussvorlage vermisse sie Angaben zu den Kosten für die Container, die wohl nicht vollständig durch Zuschüsse gedeckt würden. „Wichtig war uns, dass das Integrationsbüro vor Ort bleibt“, fügte sie an. Das betonten die anderen Ratsfraktionen ebenfalls.

Markus Fuchs (CDU) bedauerte, dass nun zentrale Unterkünfte erforderlich sind. Das Konzept für die Rathausstraße 8 sei sehr gut gewesen. Aber: „Ich möchte es nicht schönreden, die Rathausstraße 8 ist eine Katastrophe. Es war ein Fehler, sie nicht im Detail zu untersuchen. Dafür können wir uns alle gegenseitig die Schuld zuweisen“, sagte er. Indes könne er nicht nachvollziehen, wieso das Gebäude für ein Pflegeheim gut genug war, nicht aber für ein Haus der Kulturen. Zudem sei der Verkäufer der Rhein-Neckar-Kreis,gewesen, sodass der Gemeinderat durchaus habe annehmen dürfen, dass das Gebäude einwandfrei ist oder der Kreis auf bestehende Mängel hinweist. Turnhallen oder eine Zeltstadt als anzeige Alternativen kämen für die CDU nicht infrage. Das grundlegende Probleme sei die zu große Anzahl an Flüchtlingen. „Wir sind über dem Limit“, sagte er.

„Ein Haus der Kulturen mit lokaler Agenda, Sozialamt, Integrationsmanagement und weiteren sozialen Einrichtungen vereint in einem Haus erschien uns als ideale Lösung, um Integration in Hockenheim gemeinsam zu leben“, hob Marlene Diehm (SPD) hervor. Um das Projekt umzusetzen, wären wegen der schwerwiegenden baulichen Mängel enorme Investitionen und umfangreiche Sanierungsarbeiten nötig, was die Stadt Hockenheim nicht stemmen könne. Höchste Priorität habe nun, die Flüchtlinge unterzubringen und den Schaden zu minimieren. „Bevor die Vorgänge bis hin zur Kaufentscheidung der Rathausstraße 8 aufgearbeitet werden.“

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Letztlich hob der Rat bei einer Gegenstimme den März-Beschluss auf und genehmigte die Containerlösung. Zudem soll die Integrationsbeauftragte eine Vollzeitstelle bekommen und mit der lokalen Agenda beim Fachbereich Soziales, Bildung, Kultur und Sport angesiedelt werden. Für die Containeranlagen ist eine weitere Personalstelle zu schaffen und das Integrationsmanagement für die Horan-Gemeinden soll in Hockenheim bleiben.

Redaktion

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