Tag der Pflege

Das sagen die Hockenheimer Einrichtungsleiter über die Bedürfnisse der Pflege

Zum Tag der Pflege klären Marina Offenloch und Markus Hübl über das auf, was sie sich für ihre Branche von der Politik wünschen - und wieso Klatschen nicht reicht.

Von 
Stefan Kern
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Neu ist die Nachricht nicht: Der deutsche Pflegemarkt mit seinen aktuell rund 11 700 Alten- und Pflegeheimen, in denen etwas über 915 000 Pflegeplätze angeboten werden, ist unter Druck. Die Gesellschaft altert. Zurzeit ist Deutschland mit einem Durchschnittsalter der Bevölkerung von 45,7 Jahren die fünftälteste Nation der Welt. Zugleich tut sich auf dem Pflegemarkt eine größer werdende Fachkräftelücke auf, die das System Pflege stresst. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung beziffert den Personalmangel in der Pflege für 2030 auf rund eine halbe Million. Und die Politik, so der Leiter des Altenheims St. Elisabeth, Markus Hübl, und Marina Offenloch, stellvertretende Leiterin des Pflegedienstes Offenloch, sei leider eher reaktiv denn proaktiv aufgestellt.

Marina Offenloch (kleines Bild) konkretisiert: „Wir laufen der Welle immer hinterher und kommen nicht wirklich vor sie.“ Und das, obwohl die Pflege seit Corona deutlich mehr als früher im gesellschaftlichen Fokus stehe. Klatschen, bemerkt Hübl, reiche aber nicht.

Forderungen zum Tag der Pflege

Der Bundesverband der Senioren Assistenten in Deutschland (BdSAD) hat zum Tag der Pflege einen Drei-Punkte-Forderungskatalog an die Politik aufgestellt:

1. Das Ziel „ambulant vor stationär“ muss stärker in den Fokus gerückt werden. Die ambulante Pflegesituation bedarf einer weiteren Konkretisierung. Fast vier Fünftel der Menschen mit einem Pflegegrad werden ambulant versorgt: Das größte „Heim“ ist die eigene Wohnung.

2. Mehr Entlastungsmöglichkeiten schaffen durch einen leichteren Zugang zu Angeboten der Alltagsentlastung. Mit diesen Angeboten wie Erlernen von Entspannungstherapien oder Gedächtnistraining können Pflegebedürftige gefördert und pflegende Angehörige entlastet werden.

3. Hohe Nachfrage, zu wenig Plätze: Die vorübergehende, stationäre Unterbringung pflegebedürftiger Senioren in der Kurzzeitpflege muss verbessert werden. Favretto: „Heime sollen dazu verpflichtet werden, Kurzzeitplätze vorzuhalten. Die Alternative einer 24-Stunden-Pflege in den eigenen vier Wänden ist wegen der aktuellen Personalknappheit in den Pflegediensten selten realisierbar.

Der Fachkräftemangel in der Pflege in Deutschland nimmt stetig zu: 2021 stieg die Anzahl der offenen Stellen auf 57 000. In den nächsten zehn Jahren könnten bis zu einer halben Million Pflegefachkräfte fehlen, weil es mehr alte Menschen gibt. red

Die Pflegekraft-Situation kann in den Augen Offenlochs nicht anders als angespannt beschrieben werden. Wenn sich die Pflege nur auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewegen würde, wäre das System schon lange kollabiert. „Wir suchen auch auf dem außereuropäischen Markt nach Arbeitskräften.“ Ganz wichtig sei die eigene Ausbildung. Ein Satz, den auch Markus Hübl (kleines Bild) unterschreibt.

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Offenloch hat derzeit fünf Auszubildende, womit man sich in Sachen Eigenbedarf derzeit im grünen Bereich befände. Insgesamt hat das Pflegeunternehmen Offenloch bei 100 Bewohnern und rund 255 Menschen in der häuslichen Pflege 240 Mitarbeiter, zwei Drittel davon in der Pflege.

Bei St. Elisabeth sind es bei 99 Bewohnern in beiden Häusern und 20 Menschen in der Tagespflege 90 Mitarbeiter, wovon rund 60 im Pflegebereich tätig sind. Auch für Hübl sieht der Pflegekräftemarkt nicht verheißungsvoll aus: „Wir könnten acht Auszubildende befähigen, haben aktuell aber nur vier.“ Es liegt wohl auch an Corona, sagt Hübl, dass sich gerade nicht ausreichend viele Kandidaten finden.

Sinnstiftend wie wenig anderes

Dabei, und das betonen beide im Gespräch mit der Schwetzinger Zeitung, ist der Pflegeberuf ein enorm attraktiver. Klar sei es eine anstrengende Tätigkeit, so Offenloch. Zugleich gebe es aber nur wenige Professionen auf dem Sinnstiftungsniveau der Pflege. Einen Menschen zum Lachen bringen, ihm Zeit zu schenken und ihm helfen zu können, könne die Seele füllen. Und auch die Löhne, so Hübl, seien deutlich besser als viele glaubten.

Aber natürlich heißt das nicht, dass alles gut sei. Oft sei der Personalschlüssel knapp bemessen, sodass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig sei. Die Arbeit, so Offenloch, „muss unbedingt auf mehr Schultern verteilt werden“. Was sie zu einem weiteren Brennpunkt führt: Es entstehe eine Spannung zwischen steigenden Kosten und der Bezahlbarkeit. Für nicht wenige Menschen ist die Pflege schon jetzt nicht mehr zu bezahlen, sodass sie auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Für Hübl besteht ein Teil der Lösung darin, dass der Eigenanteil je nach Vermögensniveau ab einer bestimmten Höhe eingefroren und der Rest von der Gesellschaft getragen wird. Die wichtigste Leitplanke ist für beide, dass die Pflege bezahlbar bleibt. Dafür brauche es eine umfassende und, wie es Hübl sagt, „echte“ Pflegereform. Da gehe es auch um Würde. Der erste Artikel des Grundgesetzes über die Unantastbarkeit der Würde des Menschen muss für den Pflegebereich als Auftrag verstanden werden – ein Auftrag, der aller Voraussicht nach irgendwann den meisten Menschen zugutekommt.

Stolz auf die Mitarbeiter

Auffallend ist zum Schluss, dass Offenloch wie Hübl außerordentlich stolz auf ihre Mitarbeiter sind. Ohne ihr Engagement, das nicht selten über das eigentliche hinausgehe, seien ihre Häuser nichts. Es war eine Dankbarkeit, die sich bei beiden wie ein roter Faden durch das Gespräch zog. Gute und engagierte Mitarbeiter sind immer wichtig. Aber in der Pflege, wo es um das Wohlergehen anderer Menschen geht, ist es vielleicht noch etwas wichtiger.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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