Hockenheim. Wenn Dieter Auer über den Schachsport spricht, gerät er ins Schwärmen, hebt seine Freundschaft mit Weltmeister Anatoli Karpow hervor und lässt immer wieder durchblicken, dass er auch mit 81 Jahren noch immer leidenschaftlich gerne Schach spielt – wenn auch durch Corona seit 1,5 Jahren nur gegen den Schachcomputer. Anlässlich des internationalen Welt-Schachtages haben wir mit dem Ehrenvorsitzenden der Hockenheimer Schachvereinigung (SV) 1930 über „das königliche Spiel“ gesprochen.
Begriffe und Titel rund um das „Spiel der Könige“
- FIDE: Der internationale Schachverband – Fédération Internationale des Échecs – wurde vom Franzosen Pierre Vincent am 20. Juli 1924 gegründet. Es ist die Dachorganisation der nationalen Verbände der Schachspieler.
- Großmeister (GM): Der höchste Titel (neben dem Weltmeister), der von der FIDE für Turnierschachspieler verliehen werden kann. Er gilt auf Lebenszeit. Ein Spieler muss eine FIDE-Elo von 2500 erreichen und sich in internationalen Wettbewerben drei Großmeisternormen verdienen.
- Internationaler Meister (IM): Der Titel ist der zweithöchste, den ein Schachspieler erreichen kann. Er wird vom Weltschachverband für schachliche Leistungen auf Lebenszeit verliehen. Ein Spieler muss eine FIDE-Elo von 2400 erreichen und in internationalen Wettbewerben drei IM-Normen.
- Elo-Zahl: Die Zahl ist eine Wertungszahl, die die Spielstärke eines Spielers angibt. Je höher der Wert, desto besser der Spieler.
- Blitzschach: Bei dieser Spielform gibt es für die gesamte Bedenkzeit ein Limit. Am häufigsten wird es über fünf Minuten gespielt. Dazu wird eine Schachuhr benutzt.
- Schnellschach: Bei dieser Art des Spiels haben die Spieler eine Bedenkzeit von mindestens zehn, aber weniger als 60 Minuten. Es wird eine Schachuhr benutzt.
- Simultanschach: Form des Schachspiels, bei dem ein Spieler gleichzeitig gegen mehrere Gegner antritt.
- Matt: Matt oder Schachmatt ist ein König, wenn er von einer gegnerischen Figur angegriffen wird und sich nicht mehr verteidigen kann.
- Opfer: In bestimmten Situationen kann es für einen Spieler von Vorteil sein, eine Figur zu opfern, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Ein Beispiel ist das Damenopfer, der normalerweise stärksten Schachfigur.
- Film und Serie: Schach wird immer wieder in Film und Fernsehen zum Thema. Ein Beispiel ist die Erfolgsserie „Das Damengambit“ (2020) beim Streaminganbieter Netflix, die auf dem Roman „The Queen’s Gambit“ von Walter Tevis basiert. Beratend stand bei dieser Produktion der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow zur Seite. Bekannte Filme, in denen Schach eine Rolle spielt, sind beispielsweise „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „Bauernopfer – Spiel der Könige“, „2001: Odyssee im Weltraum“ oder auch „James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau“.
Der internationale Schachtag ist ein Aktionstag, der jedes Jahr am 20. Juli gefeiert wird. Dies ist der Gründungstag der FIDE (Fédération Internationale des Échecs), des internationalen Schachverbandes. Die Idee zur Feier dieses Tages wurde von der Unesco vorgeschlagen.
Verletzung bei der Leichtathletik
1959 – mit 19 Jahren – begann Dieter Auer, sich für den Schachsport zu begeistern. Auslöser war eine Verletzung, die er sich bei der Leichtathletik zugezogen hatte. „Es war ein Wettkampf in Ladenburg und ich trat für das Schwetzinger Gymnasium an“, verrät der Schachkenner. Er musste es ruhiger angehen lassen, die Verletzung auskurieren. Er spielte Schach beim Schachverein Schwarz-Weiß Hockenheim, der 1974 mit dem Schachclub Hockenheim zur heutigen Schachvereinigung 1930 fusionierte. Grundbegriffe hatte er als Teenager von seinem Vater gelernt und mit ihm geübt.
Zur Person: Dieter Auer
- Dieter Auer wurde am 21. Januar 1940 geboren und ist ein Hockenheimer Urgestein. Seit 1959 ist er aktiver Schachspieler. Beruflich war er als freier Architekt tätig.
- Bekannt ist er vor allem durch sein Engagement bei der Hockenheimer Schachvereinigung, deren Vorsitzender er von 1985 bis 2003 war. 2003 wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
- Auf sein Wirken hin wurde der 67. Badische Schachkongress 1994 mit fast 400 Teilnehmern an die Rennstadt vergeben.
- Dieter Auer führte Hockenheim in die 1. Schach-Bundesliga. Seit 2011 spielt Hockenheim in dieser Klasse.
- 2014 wurde der Hockenheimer mit der Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg für seine hervorragende Arbeit zur Förderung des Schachsports ausgezeichnet.
- Auer führt die ewige Bestenliste der Schachvereinigung mit großem Vorsprung an.
Seit dieser Zeit hat der Ur-Hockenheimer zahlreiche Titel gewonnen, darunter zwischen 20 und 25 Stadtmeisterschaften. Ein Höhepunkt des Vereinsgeschehens war für den heute 81-Jährigen der Badische Schachkongress in Hockenheim 1994. Teilnehmer war auch der Weltmeister aus Russland, Anatoli Karpow. Es wurde ein Simultanwettkampf an 25 Brettern mit dem damaligen Titelträger organisiert. Bis heute verbindet Auer nicht nur eine freundschaftliche Beziehung mit dem Russen, dieser ist seit damals auch Mitglied der Hockenheimer Schachvereinigung. Ein Umstand, der Auer bis heute glücklich und auch ein wenig stolz macht. Aus diesem Grund gründete er 2005 die Karpow-Schachakademie Rhein-Neckar, die ihr Domizil im Racket-Center Nußloch hat.
Nie in Abstiegsgefahr
Dieter Auer lächelt, als er in Erinnerungen an die ersten Schritte in Richtung 1. Schach-Bundesliga denkt. Bei der Feier zum 75-jährigen Bestehen der SV spielten die Mitglieder noch in unteren Amateurligen. Aber Auer war ambitioniert, den Verein in eine höhere Klasse zu bringen. Und es sollte gelingen: Er führte Hockenheim aus der Verbandsliga über die Oberliga und die 2. Schach-Bundesliga in die oberste Spielklasse.
„Wir waren nie in Abstiegsgefahr, wurden dreimal Dritter und zweimal Zweiter. Ich bin schon stolz darauf“, sagt Auer im Gespräch. Die aktuelle Spielrunde, die im vergangenen Jahr wegen der Pandemie unterbrochen wurde, soll im Oktober fortgesetzt werden. „Wir sind derzeit gemeinsam mit Baden-Baden an erster Stelle. Ich hoffe, dass wir das halten oder sogar alleine Erster werden“, zeigt sich Dieter Auer optimistisch.
Der 81-Jährige hält sich heute mit dem Nachspielen von Großmeister-Partien fit. Ein Spaß, den er sich nicht nehmen lassen will. Denn Schach „gehört zu meinem Leben“. Es ist gut für das Gedächtnis, hebt er hervor. „Im Bewegungssport muss man die Muskeln trainieren. Das Hirn ist nicht anderes als ein Muskel. Wenn der nicht trainiert wird, verkümmert er“, macht Dieter Auer seinen Standpunkt deutlich.
Gedächtnis und Merkfähigkeit
Schach sei ein Leistungssport, der vor allem vom Kopf geleistet werde. „Ich glaube schon, dass es viel mit dem Gedächtnis und der Merkfähigkeit zu tun hat“, sagt er, dass sich starke Spieler ganze Partien einprägen können. Gleichzeitig betont er aber auch, dass Talent und Begabung im Schach einfach dazugehöre. Man müsse dranbleiben und den Ehrgeiz haben, erfolgreich zu sein. „Der Spaß im Schach ist auch erfolgsabhängig, wie ich finde“, erklärt Auer, dass man durch persönliche Erfolge eher dranbleibe, als wenn man von einer Niederlage in die nächste rutsche. Die Motivation sei daher auch ein Faktor für den Erfolg.
Bei der Frage, warum es im Schachsport viel mehr erfolgreiche Männer als Frauen gebe, überlegt Dieter Auer. „Das ist schwer zu sagen. Dass es biologisch bedingt ist, glaube ich nicht. Vielleicht sind Frauen anders fokussiert“, versucht er zu erklären.
Er verweist auf die erfolgreiche deutsche Schachspielerin Elisabeth Pähtz (36), die Großmeister der Frauen ist und zu der Auer gute Kontakte pflegt. „Es gibt schon Frauen, die im Schach sehr erfolgreich sind, aber wenige“, bedauert Dieter Auer das Ungleichgewicht, denn das Geschlecht sollte keinen Unterschied machen.
Vor allem Russen und Menschen aus dem Osten scheinen eine besondere Begabung zu haben. „Ich glaube, dass das am Schulschach liegt. Das gibt es bei uns gar nicht“, mutmaßt Dieter Auer, dass es zudem mehr gefördert werde als bei uns. Aber dennoch sollte man nie aufgeben und dranbleiben, denn nur das führe zum Erfolg – überall.
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