Region. Regelmäßig erreichen uns Hiobsbotschaften über die Wälder, Tiere und Äcker unserer Welt. Das veränderte Klima zerstört weite Teile der Natur wie wir sie kennen, Tiere verlieren ihren natürlichen Lebensraum und ihr Überleben wird neuerdings von invasiven Arten bedroht.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und den Klimaschutz weltweit in den Vordergrund zu rücken, läuft noch bis Dienstag, 12. Dezember, die 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai. Zwei Wochen lang diskutieren Politiker und Nichtregierungsorganisationen aus 197 Mitgliedsstaaten bei der COP28 (englisch für Konferenz der Vertragsstaaten) mit dem Ziel, internationale Vereinbarungen für den Klimaschutz auszuhandeln.
Doch wie wirken sich die veränderten Bedingungen – fernab von Beschlüssen und Abkommen – tatsächlich auf die tägliche Arbeit im Agrar- und Ernährungsbereich vor Ort aus? Wir haben bei Vertretern naturverbundener Berufe aus unserer Region nachgefragt.
Welches Phänomen, das auf den Klimawandel zurückzuführen ist, beobachten Sie in Ihrem Aufgabengebiet?
Robert Lang (Revierförster): In den Wäldern, die ich betreue, sehe ich Auflösungserscheinungen im Wald selbst. Ganze Waldgebiete werden baumfrei. Das wird durch drei Faktoren begünstigt: Der sandige Boden der Rheinebene kann nur sehr wenig Wasser speichern, es gibt deutlich geringere Niederschläge und die Temperaturen sind viel höher als in den Jahren zuvor.
Kai Rill (Jäger aus Brühl): Ganz klar die Trockenheit! Die rückgängigen Niederschläge im Frühling und Sommer machen sich deutlich bemerkbar. Man kann den Unterschied gut an der Vegetation zwischen den Niederungen am Rhein im Bereich der Au und den höheren Lagen sehen. Die Trockenheit und die sommerliche Hitze machen allem in der Umwelt zu schaffen.
Jürgen Ullrich (Imker aus Neulußheim): Honigbienen reagieren sehr sensibel auf Änderungen in ihrem Umfeld. In den letzten Jahren beobachte ich insbesondere an den Hitzetagen mit Tageshöchsttemperaturen von über 35 Grad, dass das Nahrungsangebot regelrecht wegbricht – und das innerhalb der Hauptsaison! Blumen vertrocknen sehr schnell und Bäume verfallen in Trockenstress.
Michael Hoffmann (Landwirt aus Reilingen): Die in allen Bereichen auftretende Trockenheit bereitet gravierende Probleme, verursacht durch die gestiegenen Temperaturen und die geringeren Niederschläge. So sind etwa ehemals feuchte Wiesen inzwischen ganzjährig trocken. Auch die immer häufiger zu beobachtenden Wetterextreme wirken sich auf meine Arbeit aus.
Wie wirkt sich dieses Phänomen auf Ihre Arbeit aus?
Lang: Eigentlich formt ein Förster den Wald durch sein Handeln. Er beeinflusst die Mischung der Baumarten und kann Wertholz erzeugen. Inzwischen werden in meinem Revier allerdings nur noch abgestorbene Bäume geerntet und die eigentliche Tätigkeit eines Försters, die Biodiversität zu erzeugen und zu fördern, kann ich nicht mehr ausüben. Ich begleite quasi einen sterbenden Wald.
Rill: Die aktive Zeit des Menschen und der Tiere verschiebt sich automatisch mehr in die Dämmerung und die Nacht. Der Aufwand zum Unterstützen, zum Beispiel in Form von künstlichem Tränken, hat sich zunehmend erhöht. Die Präsenz, nach dem Rechten zu sehen, ist viel höher geworden – leider auch durch Mitmenschen, die Regeln bewusst ignorieren, um auf ihre Art die Natur zu nutzen.
Ullrich: Bienen sammeln in dieser Jahreszeit üblicherweise den Nektar der Blumen, der zunächst aus 80 Prozent Wasser besteht, um daraus Honig herzustellen. Nun müssen die Bienen jedoch unermüdlich Wasser herbeischaffen, um den Bienenstock zu kühlen. Hält diese extreme Hitze- und Trockenphase mehrere Wochen an, stellen sich die Bienen mitten in der Saison auf Wintermodus ein. Dies führt zu weiteren negativen Begleiterscheinungen.
Hoffmann: Einige Kulturen, die wir anbauen, können momentan (noch) nicht wirtschaftlich beregnet werden. Das führt zu enormen Ertragsdepressionen, wir ernten also teilweise deutlich kleinere Mengen.
Wie gehen Sie mit dem neuen Phänomen um?
Lang: Ich habe mich aktiv für einen Waldumbau entschieden. Ich versuche, trockenheitsresistente und zukunftsfähige Baumarten auf großer Fläche zu pflanzen. Des Weiteren arbeite ich intensiv am Zurückdrängen von Neophyten (gebietsfremde Pflanzen), insbesondere Kermesbeere und spät blühende Traubenkirsche, damit die Naturverjüngung der einheimischen vorhandenen Baumarten wieder funktionieren kann.
Rill: Mit Rücksicht, mich auch mal zurücknehmen, Rücksicht auf meine Mitmenschen und auf die Tiere. Ich frage mich selbst: Würde ich das wollen? Ein gutes Beispiel ist: Niemand möchte in seiner Privatsphäre, in seinem Zuhause Fremde haben oder sehen. Bewegen wir uns in der Natur, dann bewegen wir uns in einem anderen Zuhause! Es gibt Küche, Badezimmer, Wohnzimmer und Schlafzimmer: Alle Räume sind theoretisch vorhanden. Rücksicht, Nachsicht ist Zukunft.
Ullrich: Als Imker muss ich dann schnell reagieren und die Bienenvölker in höher gelegene Gebiete bringen, zum Beispiel in die Hochlagen des Schwarzwaldes, sofern sie dort Nahrung finden können. Diese Mehrarbeit sichert den Bienen eine ausreichende Versorgung mit Nektar und Pollen.
Hoffmann: Ich stelle mich auf die Veränderungen ein. Das heißt, dass die Fruchtfolge beziehungsweise die Kulturen den veränderten Gegebenheiten angepasst werden müssen. Um der Trockenheit entgegenzusteuern, muss außerdem mehr beregnet werden. Das kostet mich nicht nur mehr Wasser, sondern auch Kraftstoff.
Wie verändert der Klimawandel im Gesamten Ihre Arbeit?
Lang: Mein Handeln hat sich total verändert. Dass ein Wald, den man seit vielen Jahren betreut, vor sich hin stirbt, muss man auch verkraften. Das ist eine mentale Belastung für mich. Im Gegensatz zu früher kann ich keine Entscheidungen treffen, was die Zukunft des Waldes angeht. Heute habe ich kaum noch Gestaltungsmöglichkeiten, was die Entwicklung der Waldbestände betrifft. Die Intensität der Arbeit orientiert sich in Bezug auf die Holzernte an der Dynamik der Absterbeprozesse. Außerdem wird die Betreuung der Neuanpflanzungen – das Wässern, die Kulturreinigung – ebenfalls durch die Natur vorgegeben. So gibt die Natur mir mein Handeln auf der einen Seite vor und fordert mir auf der anderen Seite eine intensivere Arbeit ab.
Rill: Der zeitliche Aufwand hat sich massiv erhöht, auch der meiner Mitjäger und in den Nachbarrevieren. Alleine der Kampf bei einem Hochwasser: mit ignoranten Menschen, die Absperrungen oder Hinweise einfach nicht beachten, wie es zuletzt bei diesem zum Glück abgeschwächten Hochwasser auftrat. Es macht mich traurig und verärgert mich, dass die Zeit von Ordnungsamt, Polizei und Feuerwehr vorsätzlich verschwendet wird.
Ullrich: Bei extremer Hitze beginnt die normale Arbeitszeit der Bienen bei Tagesanbruch, meist bereits um 4 Uhr morgens, da ein späterer Arbeitsbeginn aufgrund der Hitze fast unmöglich wäre. Insgesamt benötige ich heute mehr Zeit am Bienenvolk als in früheren Jahren, wie wir es aus der Vergangenheit kennen.
Hoffmann: Um die zusätzlichen Aufgaben stemmen zu können, muss ich zwangsläufig mehr arbeiten. Dadurch spüre ich bei meiner körperlichen Arbeit eine stärkere Belastung. Verwundert bin ich teilweise über die Ignoranz mancher Zeitgenossen, die entweder den Klimawandel leugnen oder nichts dagegen unternehmen wollen – allen wissenschaftlich erbrachten Nachweisen zum Trotz.
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