Neue Wohnform für die Zukunft?

Frei, familiär und versorgt in der Senioren-WG in Hockenheim

Manuela Offenloch bietet seit März 2022 im Med-Center in Hockenheim eine Senioren-WG an. Um was genau es sich dabei handelt, erzählen wir hier.

Von 
Matthias Mühleisen
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Spaß beim Bingo: Präsenzkraft Rabia Akbulut (r.) zieht beim Spielen mit den Bewohnern der Senioren-WG im Gemeinschaftsbereich die Zahlen aus der Trommel. © Andrea Lossen

Hockenheim. Die Idee, im Alter nicht alleine zu sein, sondern wie in Studien- oder Ausbildungszeiten in eine Wohngemeinschaft zu ziehen, ist nicht neu. Viele Menschen, die keinen Lebenspartner (mehr) haben, können sich das vorstellen, in Filmen wie „The Best Exotic Marigold Hotel“ oder „Wir sind die Neuen“ stehen solche WGs im Mittelpunkt. Aber wo gibt es sie in der Realität? Manuela Offenloch kann zumindest einen Standort nennen: das Med-Center in der Reilinger Straße. Wo sie ab 2000 ein Pflegeheim betrieb, leben seit März 2022 zwölf Senioren zusammen.

Für Neues war Manuela Offenloch schon immer offen. Vor gut 30 Jahren hat sie einen ambulanten Pflegedienst gegründet, um Verhinderungspflege anzubieten und Angehörige zu entlasten, weil es diese Unterstützung damals kaum gab. 2010 richtete sie in ihrem Pflegezentrum in der Rathausstraße 15 Plätze für junge Pflegebedürftige ein.

Hier wird vor allem gebacken: Fürs Mittagessen wird die Küche der Wohngemein-schaft nicht gebraucht, das wird vom Pflegezentrum geliefert. © Andrea Lossen

Nachdem im Herbst 2021 das große Projekt Neubau des Pflegezentrums im Biblis abgeschlossen war und die Bewohner des Med-Centers dorthin umzogen, war es Zeit für eine neue Idee. Sie wollte den bewährten Standort nicht aufgeben, nach der neuen Landesheimbauverordnung wäre dieser aber als Pflegeheim nicht wirtschaftlich betreibbar gewesen: „Ich hätte nur noch 25 Bewohner aufnehmen dürfen, aber Führungskräfte und Nachtwachen wie in einem 100-Bewohner-Haus nachweisen müssen“, sagt sie.

Viel in neue Nutzung investiert

Nach einem Gespräch mit dem Eigentümer stand der Plan, wie die Fläche im zweiten Obergeschoss sinnvoll weiter genutzt werden könnte: ein Teil als Senioren-Wohngemeinschaft, der andere als elf betreute Wohnungen. Wände wurden eingezogen, neue Böden verlegt, die Küche geöffnet – „der Eigentümer hat viel investiert, um die neue Nutzung zu ermöglichen“, sagt Offenloch anerkennend.

Die beiden Teile bilden jeweils abgeschlossene Einheiten, gemeinsam ist ihnen, dass sie von ambulanten Dienst Offenlochs pflegerisch und medizinisch betreut werden. Gleiches gilt für die ein Stockwerk höher liegenden, schon länger bestehenden 17 betreuten Wohnungen, die alle belegt sind.

Eigenes Bad und Balkon bei der Senioren-WG in Hockenheim

Die baulichen Voraussetzungen für die Senioren-WG sind dank der vorigen Nutzung gut: Alle Bewohnerzimmer haben ein eigenes Bad und einen Balkon, es gibt einen großzügigen gemeinsamen Aufenthaltsbereich mit Terrasse sowie eine offene Küche.

Der Gesetzgeber gibt die Gruppengröße mit acht oder zwölf vor. Tagsüber müssen zwei Präsenzkräfte anwesend sein, nachts eine. Sie müssen keine examinierten Pflegekräfte sein. Ihre Aufgabe ist es, die Bewohner beim Meistern des Alltags zu unterstützen. Sie bereiten Mahlzeiten vor, begleiten die Bewohner auf Spaziergänge, helfen beim Kümmern um die Wäsche oder auch beim Einkauf.

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Die Mittagsmahlzeiten kommen aus der Küche des Pflegezentrums. Die WG-Küche ist zwar voll ausgestattet, wird aber eher zum Backen genutzt, die Bewohner, die zwischen 75 und 99 Jahre alt sind, ziehen es vor, sich bekochen zu lassen, sagt Manuela Offenloch – meist haben sie das jahrzehntelang für andere getan.

Ein Teil der WG-Bewohner – Damen und Herren – hat vorher schon in Offenlochs Pflegeheim gewohnt und ist nicht mit ins neue Zentrum umgezogen, ein Teil ist aus privaten Wohnungen hierher gewechselt. Die meisten stammen aus Hockenheim, Reilingen und Neulußheim. Es gibt jeden Tag Gruppenaktivitäten wie Sitzgymnastik, Bingo oder auch einmal einen Ausflug, zum Beispiel zum Johanneshof, wo die Bewohner mit Begeisterung Obst und Gemüse ausgesucht haben. Die Präsenzkräfte gehen auch sonst in kleinen Gruppen mit den Bewohnern zum Einkaufen und bereiten Frühstück sowie Abendessen vor.

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„Es gibt keinen Gruppenzwang, das Programm ist ein Angebot, an dem man sich beteiligen kann, aber nicht muss“, unterstreicht Manuela Offenloch. Die WG ist eine offene Einrichtung, die Tür ist nicht abgeschlossen, es gibt keine Bewohner, die weglaufgefährdet sind, eine solche Betreuung wäre nicht zu leisten. Dagegen trage es die Gemeinschaft mit, wenn Bewohner vergesslicher werden – „wie in der Familie“, sagt Manuela Offenloch.

Ambulanter Dienst ist in Hockenheimer Senioren-WG ständig vor Ort

Da viele Menschen, die im Haus leben, zwei- bis dreimal am Tag Medikamente brauchen, sind Fachkräfte des ambulanten Dienstes permanent vor Ort und können bei Bedarf helfen. Das sei ein großer Pluspunkt der WG: „Sie ist klein und familiär, aber man ist doch versorgt, vor allem nachts“, erklärt die Betreiberin. Auch die Kontinuität bei den Betreuungspersonen werde von Senioren und Angehörigen geschätzt.

Finanziell unterscheidet sich ein Platz in der WG dagegen nicht von einem im Pflegeheim, die Kosten setzten sich nur anders zusammen und werden durch den Personaleinsatz geprägt. Neben der von der Zimmergröße abhängigen Miete und Nebenkosten werden Haushaltskosten vom Toilettenpapier bis zum Mineralwasser abgerechnet, Pflegeleistungen über das Pflegegeld. Bei der Möblierung der Zimmer kombinierten die WG-Bewohner gerne eigene Stücke mit denen der Einrichtung.

Derzeit hat die WG zwei Plätze frei. Manuela Offenloch findet diese Wohnform für die Pflege ideal und würde gerne eine weitere anbieten. Doch das große Problem wie in der stationären Pflege ist, Personal dafür zu finden.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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