Am zweiten Sonntag vor dem ersten Advent wird mit dem Volkstrauertag der Opfer beider Weltkriege, der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Tage gedacht. Im vergangenen Jahr musste die Gedenkstunde auf dem Friedhof wegen Corona für die Öffentlichkeit ausfallen. Dieses Mal war bei der Teilnahme in der Friedhofskapelle ein 3G-Nachweis erforderlich, eine Mund-Nase-Bedeckung musste durchgehend getragen werden.
Das sechsköpfige Saxophonensemble der Stadtkapelle spielte zu Beginn der Gedenkveranstaltung der solidarischen Trauer den Choral „An Wasserflüssen Babylon“ von Johann Sebastian Bach. Oberbürgermeister Marcus Zeitler begrüßte: „Wir gedenken heute der Opfer von Gewalt und Krieg, der Kinder, der Frauen und Männer aller Völker, der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder Kriegsfolgen ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand leisteten oder an ihrer Überzeugung oder ihrem Glauben festhielten. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder einer Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken der Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage und der Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung.“
Zeitler zitierte aus Briefen eines deutschen Soldaten aus Russland an seine Frau, bevor er im Dezember 1943 einen zu frühen Tod sterben musste: „Niemand als der Beteiligte kann verstehen, was hier vorgeht. Dadurch, mein Liebes, will ich Dich nicht ausschließen von einem Erleben, es ist kein Erleben, es ist nur eine furchtbare Tatsache, die man aushalten muss.“ „Nie wieder“ sei schnell gesagt und – wie die Geschichte zeige – nur zu bald vergessen, mahnte der OB. Die Nationen und die Menschheit schienen schlechte Lehrmeister zu sein: „Und so führt ein gewaltsamer Weg vom Faustkeil zur Atomrakete.“ Noch stünden die Zeichen schlecht, sehe man heute in Kriegsgebiete, bat Zeitler die Anwesenden, sich „nicht zu beruhigen“, wenn man sie durch Schönfärbereien täuschen wolle, wenn die täglichen Bilder von Kriegsschauplätzen abstumpfende Wirkung hätten oder wenn die Rüstungsindustrie glauben machen wolle, sie sei wegen Arbeitsplätzen oder wegen des Wirtschaftswachstums unverzichtbar. Wissenschaft, Forschung, Technik, Güter und Waren würden für den Frieden ebenso benötigt. Den Soldaten wolle er sagen, dass sie neue Kriege verhindern mögen und dass in Zukunft hoffentlich keine Soldaten mehr gebraucht würden. „Das Schlachtfeld erregt stets von neuem ein Schaudern in mir. Ich mag die Toten und das spritzende, strömende Blut nicht mehr sehen“, zitierte Zeitler noch einmal aus dem Buch „Kriegsbriefe gefallener Studenten 1939-1945“: „Dieses überlieferte Zeugnis eines einzelnen Soldaten mag heute hier für all die Ungezählten stehen, von denen jeder aber auch ein Einzelner gewesen ist.“ Vom Saxophonensemble erklang das Lied „Meine Zeit steht in deinen Händen“.
Heck: Verwandle Wut in Mut
Pfarrer Johannes Heck von der evangelischen Kirchengemeinde sprach das Fürbittgebet. Die Gemeinde blickte zurück und gedachte der Menschen, die in Kriegen ums Leben gekommen und die Opfer von Gewaltherrschaft geworden sind, deren Leben noch heute von Diktaturen und Regimen bedroht ist und die durch einen Terroranschlag aus dem Leben gerissen worden sind, die vor Gewalt auf der Flucht und mit falschen Versprechungen an die Grenze von Europa gelockt worden und zum Spielball von Machtinteressen geworden sind und dort bei Eiseskälte ausharren müssen. „Herr erbarme dich“, rief die Gemeinde Gott an, die Kreisläufe der Gewalt zu durchbrechen. Man gedenke der Menschen, die der Gewalt Widerstand geleistet haben, die es geschafft haben, ihren Feinden die Hand zu reichen, die sich für den Frieden einsetzen, den Journalisten und Aktivisten, die Unrecht anprangern und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufdecken. Gott habe uns seinen Frieden zugesagt, meinte Pfarrer Heck: „Trockne die Tränen der Trauernden und verwandle unsere Wut in Mut, uns für den Frieden in der Welt einzusetzen.“
Dem Lied „Bridge over troubled water“ folgte der Auszug aus der Friedhofskapelle, bevor am Ehrenmal für die Toten der Kriege, der Gewaltherrschaft und der Flucht die Kränze der Stadtverwaltung, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, des VdK-Sozialverbands, des Sozialverbands Deutschland (SoVD) und der Marinekameradschaft 1935 „Seydlitz“ niedergelegt wurden. Das Saxophonsextett spielte beim Totengedenken das „Lied vom guten Kameraden“, gedichtet Ludwig Uhland (1809), vertont von Friedrich Silcher (1825). „Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz“, sagte der Oberbürgermeister: „Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“
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