Hockenheim. Wie von Millionen Glühwürmchen gezeichnet, erhellte am Freitagabend ein Kleeblatt den Nachthimmel über der Euphoria Stage des Glücksgefühle-Festivals am Hockenheimring. Nach dem Auftritt von Apache 207 staunten die rund 200.000 Menschen auf dem Hauptplatz. Zeigefinger schnellten in die Luft, Paare rückten enger zusammen. Unter den Blicken der Menge formierten sich die Drohnen neu; die Spannung war greifbar. Würde ein Herz erscheinen, vielleicht ein Schriftzug? Stattdessen folgten das Logo eines großen Reiseanbieters und kurz darauf das einer Modemarke.
Auch abseits der Showeffekte sorgt das Festival für Gesprächsstoff. „Ab 2026 gilt: Keine Token mehr“, kündigten die Veranstalter auf ihren Social-Media-Kanälen an. Die Plastikchips, die sich jährlich im Design unterschieden, seien bei den Gästen nicht gut angekommen. Künftig soll ausschließlich bargeldlos per Karte gezahlt werden.
Die Kritik an den „Glückstalern“ war auf dem Gelände allgegenwärtig. „Ich habe die Token vom vergangenen Jahr dabei, die kann man jetzt aber nicht mehr eintauschen. 20 Euro sind weg“, ärgerte sich eine Besucherin. Ein anderer hielt das System angesichts von Müll und Klimawandel für nicht zeitgemäß.
Feuerwerk beim Glücksgefühle Festival in der Kritik
Doch nicht nur die Token trübten bei manchen die Glücksgefühle. Eine 28-Jährige störte sich an den Feuerwerken: „An Silvester wird das kritisiert – und hier zünden sie bei fast jedem zweiten Auftritt Raketen, obwohl es doch Drohnenshows gibt.“ Auch das Konfetti, das bei nahezu jedem Auftritt übers Gelände gepustet wird, sei problematisch für die Umwelt. Der 30-jährige Tim zweifelte zudem am Nachhaltigkeitskonzept insgesamt: „Das Festival muss sich jedes Jahr übertreffen. Mit immer größeren Künstlern und Effekten steigen auch die Kosten. Das spürt man an den Preisen. Wenn nicht direkt beim Ticket, dann an der allgegenwärtigen Werbung.“
Ähnlich sieht es Birgitt, die mit Freunden zum dritten Mal dabei ist: „Wir lieben das Festival, aber manchmal wirkt es, als ginge es weniger um die Musik als um Produktplatzierungen.“ Zumindest in ihrem Gefühl sei die Werbung expotentiell zum Festival selbst gewachsen. „Ein bisschen ist die ganze Veranstaltung wie ein Eichhörnchen auf Kokain“, findet der angetrunkene Marc.
Tatsächlich listen die Veranstalter auf ihrer Webseite 20 Sponsoren und Kooperationspartner auf – von Süßwarenherstellern über eine Krankenkasse und eine Tabakfirma bis hin zu Modeunternehmen und Reiseanbietern. Hinzu kommen ein Medienpartner, die DKMS und zwölf Getränkeanbieter von alkoholischen und nichtalkoholischen Erfrischungen. Wer das Festival besucht, kommt also nicht nur wegen der Musik, sondern auch an Werbung kaum vorbei.
Am Ende bleibt ein Festival zwischen Glücksgefühlen und Ernüchterung: Während die beeindruckenden Drohnenshows und die Auftritte renomierter internationaler Stars auch in diesem Jahr für garantierte Gänsehautmomente sorgten, werfen Token, Feuerwerk und Sponsorenfülle Fragen nach Nachhaltigkeit und Kommerz auf. Genau dieser Spagat macht das Glücksgefühle-Festival aber auch aus; ein gigantisches Spektakel, das begeistert und zugleich zur Diskussion anregt.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-gluecksgefuehle-festival-zwischen-euphorie-und-kritik-_arid,2328725.html