Hockenheim. In einem Klärwerk ist immer etwas zu tun und der Betrieb steht nie still. Die Anlage läuft 24 Stunden am Tag - 365 Tage im Jahr. Dabei kommt es natürlich zur Abnutzung der Geräte und Becken. So muss beispielsweise die gesamte Einlaufgruppe in den nächsten Jahren erneuert werden, was die Stadt mehrere Millionen Euro kosten wird. Auch sonst muss in die 1967 erbaute Kläranlage in Hockenheim investiert werden, da viele der Bauwerke noch original sind und immer wieder wichtige Reparaturen anfallen, die sofort gemacht werden müssen. Eine Herausforderung, vor der das Team von Sören Troffer steht. Denn die Beschaffung von Ersatzteilen ist mit sehr hohen Kosten verbunden. Diese Gelder, die täglich benötigt werden, um den Betrieb am Laufen zu halten, fehlen dann für zukünftige Investitionen in die Anlage, erklärt der Meister der Umwelttechnologie.
Weitere Schwierigkeiten, mit denen die Mitarbeiter im Alltag immer wieder konfrontiert werden, sind Großveranstaltungen auf dem Hockenheimring. Außerdem fehlt auf dem Gelände Platz, um die Anlage zu erweitern. Weitere Baumaßnahmen sind allerdings in der Zukunft notwendig. "Wir fahren hier schon auf der letzten Rille", erzählt Sören Troffer gleich zweimal während des Rundgangs über das Gelände.
Aktuelle Investition: Erweiterung des Regenrückhaltebeckens
Die letzte große Investition floss in die Erweiterung des Regenrückhaltebeckens. Der Bau des sogenannten "RRB Vier" sei fast fertig und das Überlaufbecken solle im Oktober in Betrieb gehen, sagt Tiefbauabteilungsleiter Marcus Held vom Fachbereich Bauen und Wohnen. Verzögert habe sich das Ganze aufgrund eines auf dem Gelände lebenden Eidechsenbestandes, der zuerst umgesiedelt werden musste.
Der Bau von "RRB Vier" dient dem Umweltschutz, um den Kraichbach und den Hardtbach sauber zu halten. Sören Troffer betont dabei, dass die Anlage in Hockenheim nicht viel mehr tun könne, weil vorher auch schon andere Klärwerke in das Gewässer ableiten. Die Mitarbeiter der Hockenheimer Anlage führen sowohl vor als auch hinter der Stelle, an der sie ausleiten, tägliche Analysen im hauseigenen Labor durch. So können sie nachweisen, dass es nicht zu einer größeren Verschmutzung des Gewässers durch das Klärwerk kommt.
Kommende Investition: Bau einer vierten Reinigungsstufe im Hockenheimer Klärwerk
Denn die Anlage in Hockenheim erfüllt sehr hohe Sicherheits- und Umweltstandards. Das Klärwerk hat schon jetzt eine sehr gute Reinigungsleistung. Allerdings helfe eine vierte Reinigungsstufe dabei, Spurenstoffe und Chemikalien gründlicher eliminieren zu können, erklärt der Leiter der Anlage. In der Rennstadt befände man sich bereits in den Vorbereitungen und der Planung für eine solche ergänzende Reinigungsstufe. Entsprechende Analysen zur Eliminierung von Chemikalien würden bereits jetzt schon laufen.
Bislang ist die Umsetzung einer vierten Reinigungsstufe freiwillig. Das Team bereite sich schon jetzt darauf vor, das Vorhaben zu planen, da das Land dieses bis zu 80 Prozent fördere, wenn der Bau vor der Verpflichtung stattfindet. Da sich die Kosten bei einer solchen Maßnahme auf rund 20 Millionen Euro beliefen, wäre die Förderung durch das Land eine große Hilfe.
Sören Troffer nimmt an, dass das Einführen einer vierten Reinigungsstufe für die Anlage in Hockenheim vermutlich in den nächsten fünf Jahren verpflichtend werde, da es sich beim Kraichbach um ein sehr belastetes Gewässer handele. Der Meisterumwelttechnologe erklärt, dass das Hauptproblem die nicht fachgerechte Entsorgung von Chemikalien, wie beispielsweise von Arzneimitteln, Kosmetikartikeln oder Reinigungsmitteln, sei. Würden diese erst gar nicht ins Abwasser gelangen, stünden die Kläranlagen nicht vor dem Problem, Spurenstoffe mit einer vierten Reinigungsstufe eliminieren zu müssen. Das wiederum würde Investitionen in Millionenhöhe sparen und das Geld könnte für andere Projekte und die Instandhaltung der Anlage genutzt werden.
Um Faserstoffe zunächst auch ohne eine vierte Reinigungsstufe besser zurückhalten zu können, hat die Gemeinde im Stadtgebiet insgesamt vier Rächenanlagen gebaut. Ein Rächen koste dabei zwischen 70.000 und 80.000 Euro. Außerdem wird regelmäßig ein ökologisches Gutachten erstellt. Darin wird geprüft, wie sich das abgeleitete Wasser auf die Flora und Fauna auswirkt.
Generell haben die Kläranlagen in Deutschland sehr hohe Standards. Sören Troffer zufolge wäre es für die Umwelt und die gesamte Gemeinschaft in Europa effektiver, wenn alle Länder ihre Standards erhöhen würden. Denn die ständige Verfeinerung der Systeme in Deutschland hätte einen viel geringeren Wirkungsgrad als das Zusammenarbeiten aller Länder in der Europäischen Union.
Blick in die Zukunft: Energieautarke Kläranlage und Phosphatgewinnung
Die Energiekosten, die für den Betrieb des Klärwerks aufgebracht werden müssen, lägen laut Sören Troffer momentan bei 36.000 bis 40.000 Euro monatlich - jährlich benötige die Anlage 1,4 Millionen Kilowattstunden Strom. Die Stadt sei dabei, den Betrieb umzustellen, sodass dieser in der Zukunft energieautark werde. Um den benötigten Strom selbst herstellen zu können, braucht man sowohl viel Photovoltaik als auch ein Blockheizkraftwerk. Zweiteres ist bereits vorhanden und geht zum Jahresende von den Stadtwerken in den Besitz des Klärwerks über. Darüber könne dann ein Drittel der jährlich benötigten Energie abgedeckt werden, so Troffer.
Bis die gesamte Anlage in Hockenheim autark werde, würde es noch viele Jahre dauern - denn auch solch eine Umstellung sei mit sehr hohen Kosten verbunden, die in der Haushaltsplanung berücksichtigt werden müssten, teilt Christoph Henninger von der Stadt Hockenheim mit.
In den nächsten Jahren muss sich das Team der Kläranlage außerdem damit auseinandersetzen, wie Phosphat aus dem Klärschlamm zurückgewonnen werden kann. "Phosphat ist ein knappes Gut", sagt Sören Troffer. Die Bundesregierung plane bis zum Ende des Jahrzehnts, den bundesweit benötigten Bedarf an Phosphat, zum Beispiel für Düngemittel, selbst herzustellen, indem dieser in den Kläranlagen wiedergewonnen wird.
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Mit welcher bezahlbaren Lösung dieses Vorhaben umgesetzt werden könne, bedürfe langjähriger und intensiver Planung. Dazu haben sich bereits alle Kläranlagen im Rhein-Neckar-Kreis zusammengetan und auch die AVR Sinsheim sei in dieses Langzeitprojekt involviert, erklärt der Umwelttechnologe zum Abschluss des Rundgangs.
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