Hockenheim. Die Fragen, die sich um das Thema Rathausstraße 8 stellen, sind vielfältig, sagt Gabi Horn, die Vorsitzende der Freien Wähler. Was macht die Stadt mit einer Immobilie, die völlig überteuert erworben wurde? Die im HTZ-Artikel vom Mittwoch genannte städtische Zahlung von 3,5 Millionen Euro sei nur die erste Hälfte des zu zahlenden Kaufpreises von 6,8 Millionen Euro. Dazu kämen noch die zu wenig berechneten Nebenkosten, was dann eine Gesamtsumme von circa 7 Millionen Euro ergebe. „Dass wir auch nur annähernd den Kaufpreis aus einem Verkauf zurückerhalten, ist mehr als unwahrscheinlich“, schätzt Gabi Horn.
FWV: Ist das Gebäude für einen Investor überhaupt interessant?
Und was geschehe mit der Immobilie im Falle eines Verkaufs mit hohem Verlust, fragt die FWV-Sprecherin weiter. Entstehe unter Umständen Wohnraum - aber zu welchen Preisen? „Denn Wohnraum erfordert Parkplätze und die ließen sich in ausreichender Zahl unseres Erachtens nur mittels einer Tiefgarage schaffen - aber dann würden auch die Preise für Wohnraum entsprechend teuer werden.“ Fraglich sei also, ob das Gebäude für einen Investor überhaupt interessant ist.
Die Umgestaltung in einen Kindergarten mit Räumlichkeiten für eine Ganztagsbetreuung und Vereinsräumen erschien zunächst sinnvoll – so auch angedacht von der Verwaltung, aber wäre das für die Stadt finanzierbar gewesen - auch unter dem Aspekt, dass der Außenbereich für die Kinder hätte erweitert werden müssen und einen Zukauf von Gelände erforderlich gemacht hätte, ist eine weitere Frage der Freien Wähler. Ferner hätte auch die verkehrstechnische Situation ein großes Problem dargestellt, ein An- und Abfahren der die Kinder bringenden und abholenden Eltern wäre zu einer nicht unerheblichen Belastung für die Anwohner geworden.
Umbau zu teuer und durch den Neubau am Reiterplatz auch nicht mehr Gegenstand von weiteren Überlegungen, Verkauf eventuell nur mit erheblichem Verlust - „auch für uns stellt sich die Frage, wie es mit der Rathausstraße 8 weitergeht“.
CDU: An seriösen Interessenten mit gutem Konzept verkaufen
„2023 stimmte der gesamte Gemeinderat bis auf eine Gegenstimme dem Kauf der Rathausstraße 8 zu, weil wir dringend nach Asylbewerberunterkünften gesucht hatten, um die Schließung von Schulsporthallen zu vermeiden“, erinnert sich der CDU-Vorsitzende und damalige Stadtrat Stypa. „Während unter der Ampelkoalition die Asylbewerberzahlen stiegen, sinken sie nun aufgrund der Asylwende der CDU-geführten Bundesregierung deutlich“, führt Stadtrat Christoph Kühnle aus. „Damit benötigten wir erfreulicherweise die Rathausstraße 8 nicht mehr für den ursprünglichen Kaufgrund und es stellt sich die Frage, was nun mit dem Gebäude passiert“, erklärt CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs.
Am liebsten hätte die CDU-Fraktion das Gebäude kernsaniert und zu einem Nachfolgekindergarten für den Parkkindergarten umgebaut - mit vielen Vorteilen: „Mit einem Innenstadtkindergarten wären die Kindergärten deutlich besser in der Stadt verteilt gewesen“, sagt Stadträtin Bärbel Hesping. „Außerdem hätte das große Gebäude Raum für neue Vereinsheime geboten“, erläutert Stadträtin Hanna Bühler. „Doch dafür gab es leider keine Mehrheit“, stellt Stadträtin Jasmin Ulrich fest – „nicht zuletzt, weil Informationen aus nicht öffentlichen Sitzungen in die Öffentlichkeit getragen wurden, um Stimmung zu machen und Ängste zu schüren“, bedauert Stadtrat Fritz Rösch.
Deswegen befürwortet die CDU-Fraktion nun, das Objekt an einen seriösen Interessenten mit einem guten Konzept zu verkaufen. Wegen der angespannten Finanzsituation der Stadt und weil Geld für den Neubau des Aquadroms benötigt wird, solle dies an den Meistbietenden erfolgen.
SPD: Kauf als teurer Fehler durch schlechte Prüfung und fehlende Transparenz
Wie die Fraktion der SPD Hockenheim bereits in mehreren Stellungnahmen deutlich gemacht hat, wäre eine Nutzung der Rathausstraße 8 als Kindertageseinrichtung sehr gut möglich gewesen. Hier hätte sich als „Haus der Kinder“ ein deutlicher Mehrwert ergeben, die Räumlichkeiten hätten neben der zehngruppigen Kindertageseinrichtung Platz für Verwaltungsräume, die Kernzeitbetreuung der Pestalozzi-Grundschule und Vereinsräume geboten.
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Da es sich um ein Bestandsgebäude handelt, wäre eine Kernsanierung durch die Stadt möglich gewesen, vorläufige Pläne und eine Kostenschätzung hierzu lagen bereits vor. Eine Aufwertung des Sozialraums und weitere Platzgewinnung im vorhandenen VHS-Gebäude wären positive Folgen für die innere Stadtentwicklung gewesen.
Grundsätzlich bewerten wir den Kauf der Rathausstraße 8 natürlich als teuren Fehler, der durch schlechte Prüfung und auch fehlende Transparenz vonseiten der Stadtverwaltung zustande kam. Hier erwarten wir die Übernahme der Verantwortung. Zu Recht kamen aus der Bürgerschaft empörte Stimmen, weil so ein Fehler in keinster Weise nachvollziehbar ist.
Für die SPD-Fraktion ist eine Schadensminimierung das Ziel. Erreicht werden kann das aus jetziger Sicht mit dem Verkauf zum vollen Kaufpreis, sodass es für den städtischen Haushalt kein Minusgeschäft darstellt, generell sollten auch die entstandenen überplanmäßigen Kaufnebenkosten an dieser Stelle einkalkuliert werden. Eine Option für das Gebäude wäre die Gewinnung von Wohnraum durch Wohnungsbau.
Grüne: Notwendige Tiefe in der Vorbereitung hat gefehlt
Grünen-Fraktionssprecherin Elke Dörflinger räumt ein: „Rückblickend müssen wir ehrlich sagen: Diese Entscheidung war ein Fehler. Sie wurde ohne die notwendige Tiefe in der Vorbereitung getroffen – da die Verwaltung sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch beim Zustand und der Bewertung des Gebäudes nicht gründlich geprüft hatte.“
Es sei nachvollziehbar, dass viele Bürger mit Unverständnis und Ärger auf diese Fehlentscheidung reagierten. Zwischenzeitlich seien verschiedene Nutzungsmöglichkeiten diskutiert worden– darunter ein Verkauf oder eine Umnutzung, etwa für einen Kindergarten mit Vereinsräumen. „Nach sorgfältiger Abwägung haben wir uns gegen letzteren Vorschlag entschieden. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, weil wir wissen, wie wichtig es ist, gerade in herausfordernden Zeiten tragfähige Lösungen zu finden“, sagt Elke Dörflinger.
Unabhängig davon, wie die Rathausstraße 8 in der Zukunft genutzt wird, müsse klar sein: 1. Die Rathausstraße 8 befindet sich im Stadtzentrum. Das, was dort entsteht, werde das Erscheinungsbild der Stadt maßgeblich beeinflussen. In der Umgebung stünden ohnehin Veränderungen an, etwa beim ehemaligen „Stadtpark“.
2. Entscheidungen müssten rechtssicher, gründlich und nicht mit Zeitdruck, sondern im Dialog mit Gemeinderat und Bürgerschaft vorbereitet werden. Die Menschen der Stadt mitzunehmen, könne sich nicht in Podien auf Großveranstaltungen erschöpfen – dadurch entstehe keine Bindung.
3. Aus Sicht der Grünen sei es unerlässlich, jedes Konzept auch auf langfristige Tragfähigkeit und die tatsächlichen Kosten hin genau zu prüfen - es gehe um das Geld der Bürger.
Die Fraktionssprecherin stellt fest: „Die Rathausstraße 8 kein Denkmal für Fehlentscheidungen werden – sondern ein Zeichen dafür, wie aus Herausforderungen Chancen entstehen. Vor uns liegen große Aufgaben: Aquadrom, Realschule, Innenstadtentwicklung. Dafür braucht es mehr denn je Weitsicht, Besonnenheit und die Bereitschaft, für die Zukunft unserer Stadt jetzt das Richtige zu tun.“
FPD: Effiziente Nutzung ohne Belastung des städtischen Haushalts
„Wir stehen für eine wirtschaftlich vernünftige und zukunftsorientierte Nutzung des Gebäudes und wollen keine städtischen Gelder in ein marodes Objekt ohne tragfähiges Konzept investieren“, macht FDP-Fraktionsvorsitzender Frank Köcher-Hohn klar. Eine Sanierung aus rein nostalgischen Gründen lehne die FDP ab, eine Sanierung sei als sinnvolle Option möglich, wenn sie wirtschaftlich tragbar ist. „Wir setzen auf private Investitionen und eine Lösung, die der Stadtentwicklung dient“, sagt der Liberale. Vorstellbar sei ein Neubau oder eine Sanierung mit gemischter Nutzung, etwa Mehrgenerationenwohnen kombiniert mit kleinen Dienstleistungen. Das Grundstück biete dafür gute Voraussetzungen. Entscheidend sei eine effiziente Nutzung ohne Belastung des städtischen Haushalts, aber mit Mehrwert für die Bürger.
Ein Verkauf ist angesichts der maroden Bausubstanz und fehlender städtischer Nutzungsmöglichkeiten für Köcher-Hohn der realistischste Weg. Zwar drohe ein Verlustgeschäft, doch das müsse die Stadt akzeptieren, denn weitere Investitionen wären noch teurer. Verschenken komme aber nicht infrage. Der FDP-Sprecher macht deutlich: „Wir erwarten Verhandlungsgeschick und ein strukturiertes Verfahren, das städtebauliche Ziele und einen fairen Preis berücksichtigt. Ein ,Über-den-Tisch-Ziehen‘ wie beim Kauf darf es nicht mehr geben.“
Ein Abriss und Verkauf von Teilgrundstücken für Wohnungsbau sei eine sinnvolle Alternative. Eine durchmischte Bebauung mit frei finanzierten und geförderten Einheiten sei denkbar, solange die Stadt nur Rahmenbedingungen vorgebe, aber nicht investiere. Parzellierte Vergabe an Investoren mit klaren Konzepten sei der Vorschlag der FDP.
Viele Bürger hätten vor allem die Verwaltung wegen „überhasteten Vorgehens“ und dilettantischem Umgang kritisiert. Die späte Erkenntnis zum baulichen Zustand sorgte für Unmut und Fragen zur Transparenz. Köcher-Hohn gibt sich selbstkritisch: „Persönlich trage ich Mitverantwortung, da ich der Planung zugestimmt habe. Das beschäftigt mich und ist für mich politische Ehrlichkeit – die Basis, um aus Fehlern zu lernen. Doch der enorme Druck von oben führte dazu, dass wir handeln mussten, ohne die notwendige Zeit für eine sorgfältige Prüfung zu haben.“
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